Gutes Lammfleisch ist relativ einfach zu bekommen. Schafe sind genügsam und diese Genügsamkeit hat bisher verhindert, dass sie den Gräueln der Massentierhaltung ausgesetzt wurden. Es gibt relativ viele Anbieter, die ihre Tiere selbst vermarkten, entweder lokal oder über das Internet. Meistens muss man jedoch ein ganzes oder zumindest ein halbes Tier kaufen.
Damit man von der Sorgfalt, die der Schäfer bei der Aufzucht und Fütterung hat walten lassen, wirklich etwas hat, muss das Fleisch abhängen. Frisch geschlachtetes Fleisch ist zäh und relativ wässrig. Die Muskeln ziehen sich zusammen. Wenn das Fleisch hängt, entspannen sie sich und verschiedene Enzyme beginnen, die Muskelfasern zu verändern, sie werden mürbe. Je nachdem, wie groß und wie alt das Tier war, dauert das unterschiedlich lang. Ein Lamm sollte - bei Temperaturen unter zehn Grad - zehn bis zwanzig Tage hängen.
Beim Abhängen muss das Fleisch atmen können, das heißt, es muss in einem kühlen, gut belüfteten Raum hängen. Das Fleisch verliert dabei Wasser, bis zu zwanzig Prozent seines Gewichts. Paradoxerweise wird das Fleisch, das so viel Wasser verloren hat, bei der Zubereitung saftiger. Das liegt daran, dass die Zellen, die nicht mehr prall gefüllt sind, beim Garen nicht so schnell platzen.
Das meiste Fleisch, das heutzutage in den Handel kommt, hängt leider gar nicht mehr ab. Es wird kurz nach der Schlachtung in riesigen Plastikbeuteln vakuumiert und mariniert dann gewissermaßen in seinem eigenen Blut. Auch hier, so behaupten die Verfechter dieser Methode, findet eine Reifung statt. Richtig ist, dass die Enzyme ihre Arbeit tun können, aber durch den Sauerstoffabschluss und das Blut bekommt das Fleisch einen metallischen Geschmack, der heute leider schon von vielen als typisch für Fleisch empfunden wird. Doch in der industriellen Fleischproduktion gibt es keine Alternative. Zum einen sind die vakuumierten Stücke leicht zu handhaben, gute Kühlung vorausgesetzt hält sich Rindfleisch zum Beispiel so drei Monate. Die vakuumierten Stücke kann man in Kisten werfen, auf Reisen schicken und mit Barcodes versehen. Und man verliert nicht zwanzig Prozent Gewicht, die bei ordentlichem Abhängen verdunsten - das ist bares Geld.
Im Supermarkt erübrigt sich die Frage, aber den Schlachter Ihres Vertrauens sollten Sie ruhig fragen, ob das Fleisch, das er anbietet, vakuumiert war beziehungsweise ob er trocken gereiftes Fleisch besorgen kann. Ein guter Schlachter wird sich über das Interesse und den Sachverstand freuen. Für ausreichend lange trocken gereiftes Fleisch werden Sie deutlich mehr bezahlen müssen, aber das Ergebnis wird Sie ganz sicher überzeugen.
Bei den Schäfern, die ihre Tiere selbst vermarkten, werden Sie mit der Bitte, das Fleisch zunächst abhängen zu lassen, ohnehin offene Türen einrennen.
Wenn man ein halbes Lamm kauft, sollte man es ruhig selbst zerlegen, denn dabei entwickelt man ein ganz anderes Bewusstsein dafür, dass man es mit einem ganzen Tier zu tun hat, das einmal gelebt hat. Außerdem ist es gar nicht so schwer. Man braucht dazu ein scharfes Messer, am besten ein Ausbeinmesser, eine saubere Arbeitsfläche und eine Geflügelschere oder etwas Ähnliches. Eine Säge ist nicht unbedingt nötig, doch wenn, dann tut es eine einfache Universalsäge aus dem Baumarkt.
Als Erstes entfernt man die Filets. Die liegen innen, unter den Nieren, falls die noch da sind. Einfach der Form des Muskels folgen und das Messer sehr vorsichtig ansetzen. Wenn man ohne Säge arbeiten will, muss man die Knochen im Gelenk voneinander trennen. Keule und Schulter löst man zunächst mit der Hand vom Körper. Wenn man dann mit dem Messer und etwas Intuition dem Verlauf der Muskeln folgt, lassen sich beide recht einfach ablösen. Um die Haxen abzutrennen, muss man einen schrägen Schnitt von vorne oben führen, um das Gelenk zu finden.
Das Ergebnis sieht etwas anders aus als Haxen, die man im Handel bekommt, für die meisten Verwendungszwecke ist das aber dennoch praktikabel. Als nächstes ziehe ich die Rippen aus der Brust. Zunächst ritzt man die Haut links und rechts der Rippen ein und führt dann einen Schnitt durch den Knorpel, der sie mit dem Brustbein verbindet. Ein selbst gebasteltes Werkzeug aus einem Stromkabel und einem Kochlöffel leistet jetzt gute Dienste: Das Kabel wird unter der Rippe durchgeführt und dann beherzt nach oben gezogen. So bleibt die Brust ganz, die sonst zu Hackfleisch oder Wurst verarbeitet wird, und kann zum Beispiel gerollt und geschmort werden.
Vom Rücken trennt man erst das Stück ab, an dem keine Rippen sind, das ist das zarteste. Die Rippen kürze ich mit der Geflügelschere und trenne vom Rücken noch zwei Teile mit jeweils sechs Rippen als Karrees ab. Jetzt bleibt noch der Muskelstrang am Nacken und etwas Fleisch an der Brust, das ebenfalls ausgelöst und zum Schmoren beiseitegelegt wird.
Die Haxen und das Fleisch vom Nacken sowie alle anderen kleinen Stücke kann man gut zu einem Irish Stew verarbeiten. Ursprünglich war da außer Lamm und Kartoffeln gar nichts drin, etwas Suppengemüse schadet aber nicht und Gerstengraupen geben gleichermaßen Biss wie Lokalkolorit. Alles was noch an Knochen und Abschnitten da ist, wird scharf angebraten, dann kommen die Abschnitte vom Gemüse dazu. Kurz anschwitzen, mit Wasser aufgießen und eineinhalb Stunden köcheln lassen, dabei regelmäßig abschäumen. Das gibt einen kräftigen intensiven Lammfond; wenn wir den als Basis für das Stew nehmen, wird es gewissermaßen doppelt konzentriert. Das Fleisch wird in gefällige Stücke geschnitten, Fett und Bindegewebe werden entfernt, aber auf keinen Fall zu sorgfältig. Die Haxen kommen in den Topf, wie sie sind. Alles etwas anbraten, Karotten, Zwiebeln, Graupen und Sellerie dazu, salzen und eine bis eineinhalb Stunden köcheln lassen. Für die letzte halbe Stunde kommen etwas Lauch und mehlig kochende Kartoffeln dazu. Zum Servieren kann man Petersilie draufgeben. Ein Guinness passt sicher nicht schlecht dazu.
In der Regel denkt man an Karrees oder Keule, wenn man an Lamm denkt. Dabei ist die Schulter, jedenfalls sofern man der Kochlegende Joël Robuchon folgt, der Keule immer vorzuziehen. Die Lammschulter ergibt eine großzügige Portion für zwei. Sollten Reste übrig bleiben, kann man sie gut aufschneiden und am nächsten Tag auf Brot oder mit einer feinen Vinaigrette essen.
Gut abgehangen ist auch die Schulter zum Kurzbraten geeignet und kann je nach Geschmack medium bis medium rare serviert werden. Eine halbe Stunde bis vierzig Minuten im voll aufgeheizten Ofen genügt. Zur Hälfte der Garzeit einmal wenden, ansonsten auf keinen Fall den Ofen öffnen. Ich persönlich neige übrigens in letzter Zeit zu der Ansicht, dass sehr gutes Fleisch durchaus eine gewisse Garung verträgt, ich muss es daher nicht mehr wie früher fast roh haben.
Bleibt die Brust, aus der wir die Rippen gezogen haben. So, wie es da liegt, ist das Stück nicht sehr ansehnlich, aber das soll sich ändern. Eine Füllung mit Semmelbröseln wird dafür sorgen, Saft (und Fett, machen wir uns nichts vor!) im Braten zu halten, Thymian und Knoblauch sorgen für die Würze. Damit bedecken wir die Brust, rollen sie ein und binden sie fest zusammen. Anbraten, Gemüse dazu, mit Whisky ablöschen und mit Fond auffüllen. Schmoren. Und sich an der Erkenntnis freuen: Das billigste Stück Fleisch macht oft den besten Braten.
Rezepte
Meine Meinung …