Rahmschwammerl mit Servietten-Semmelknödel

Das Traditionsgericht in einer nicht ganz so konventionellen Zubereitungsmethode: Die Pilze sollen knackig bleiben

Es ist immer wieder ein Spagat, wenn ich mich an dieser Stelle mit Traditionsgerichten des Landes beschäftige: Einerseits will kulinarische Kultur möglichst authentisch und verbrieft erzählt werden, andererseits gibt es gerade in der Küche keine verbindliche Wahrheit – das eine, in Stein gemeißelte und für alle Zeiten verbindliche Rezept existiert nicht. Wer einmal durchs Schwäbische wandert und nach Sauren Linsen fragt, bekommt an jeder Tür eine andere Rezeptur zugeraunt.

Ebenso trefflich lässt sich bei einem Glas Apfelwein diskutieren, was denn jetzt reinkommt in die Frankfurter Grüne Sauce. Die Kräuter sind einigermaßen gesetzt, es ist der cremige Anteil, der Fragen aufwirft und Gräben zieht: Mayonnaise, Joghurt, saure Sahne oder Schmand? Die Antworten fallen im Spannungsfeld zwischen Doktrin und individuellem Geschmack. Das bedeutet viel Futter für die sozialen Medien. Man könnte dort der Vielfalt ein Loblied singen, doch oft genug gibt Rechthaberei den Ton an. Dabei war Kulinarik immer schon Wandel, Austausch und Wachstum über jede Geschmacksgrenze hinaus.

Ein weiterer heikler Aspekt bei der Beschäftigung mit Küchenklassikern ist die Verbesserung. Könnte man dieses oder jenes Traditionsrezept nicht ein wenig ins Heute holen? Neidvoll blicken wir an dieser Stelle beispielsweise nach Italien: pasta, ragù, brasato … da sitzt alles, unverbesserlich, genial. In der deutschen Küche wäre hier und da noch Luft nach oben – vorsichtig formuliert. Nehmen wir nur die bayerischen Rahmschwammerl. Das Problem ist: In vielen Rezepte werden Pilze und Zwiebeln gemeinsam angebraten und dann mit Wein abgelöscht, dann kommt Sahne hinzu, blubber, fertig. Nur: Die Schwammerl saugen sich dabei mit Wein voll wie Schwämme, sie schmecken unangenehm alkoholisch-säuerlich und überhaupt nicht mehr nach sich selbst. Und die Zwiebeln bleiben meist hart.

Oft arbeiten die Rezepte alternativ oder zusätzlich zur Sahne mit einer Mehlschwitze. Nun ist die Mehlschwitze im Siebeckschen Sinne nicht gänzlich aus der Küche zu bannen, die Dosierung macht den Unterschied zwischen Soße und Sauce. Damit die aber nicht mehlig schmeckt, bedarf es einer gewissen Kochzeit – in deren Verlauf sich Pilze in Radiergummis verwandeln. Bei keiner Methode wird das zarte Wesen der Fungi berücksichtigt, die allerhöchstens leicht gebraten oder konzentriert sautiert werden wollen. So bleiben sie knackig.

Diese Überlegungen haben mich dazu gebracht, die Zubereitung von Pilzen und Sauce zu trennen und sie erst kurz vor dem Servieren zu vermählen. Traditionalisten können ja weiterblättern, alle anderen freuen sich der Tatsache, dass Kochen auch Freiheit ist, die Freiheit, das weltbeste Rezept für sich selbst herauszufinden. So wie es die Schwaben und Schwäbinnen mit den sauren Linsen halten und die Frankfurter und Frankfurterinnen mit ihrer grünen Sauce. Die Landkarte der klassischen Küche mögen andere entworfen haben, es führen jedoch dankenswerter Weise viele Wege zum Leibgericht.

Rahmschwammerl mit Servietten-Semmelknödel

Für 4 Personen

Servietten-Semmelknödel

  • 400 g gemischtes Weißbrot, Laugenbrötchen, Toast oder Ciabatta
  • 120 g Zwiebeln
  • Salz
  • 40 g Butter
  • 150 ml Vollmilch
  • 50 ml Schlagsahne
  • 4 Zweige Majoran (ersatzweise ½ TL getrockneter Majoran)
  • 3 Eier
  1. Das Brot würfeln. Zwiebeln halbieren, pellen, fein würfeln, salzen und in schäumender Butter glasig dünsten. Mit Milch und Sahne ablöschen, mit Salz würzen, aufkochen und über die Brotwürfel gießen. Mit einem Kochlöffel verrühren. Abkühlen lassen. Majoran hacken und mit den Eiern unter das Brot rühren. Teig mit den Händen durchkneten, mit Salz abschmecken. 15 Minuten ziehen lassen.
  2. Ein großes Haushaltstuch doppelt falten. Die Knödelmasse mittig als Rolle aufbringen, zusammenrollen, die Enden mit Küchengarn verschnüren. Salzwasser in einem Bräter aufkochen. Die Rolle hineingleiten lassen und bei mittlerer Hitze in siedendem Wasser 25 Minuten zugedeckt garen. In dieser Zeit die Rahmschwammerl zubereiten, siehe unten.
  3. Knödelrolle aus dem Wasser heben, abtropfen lassen, Garn aufschneiden und auf einem trockenen Brett ausrollen. Serviettenknödel in dicke Scheiben schneiden.

Rahmschwammerl

  • 10 g getrocknete Steinpilze
  • 1 Sternanis
  • 2 Schalotten
  • Salz
  • 30 g Butter
  • 150 ml Weißwein (Silvaner ist super)
  • 200 ml Schlagsahne
  • 500 g gemischte oder sortenreine Lieblingspilze
  • 1 EL Öl
  • einige Zweige Petersilie
  1. Die Pilze putzen (nicht waschen) und mundgerecht (nicht zu klein oder blättrig) schneiden.
  2. Die getrockneten Steinpilze in einem Topf mit 400 ml Wasser und Sternanis 5 Minuten zu einem Fond kochen.
  3. Die Schalotten halbieren, pellen, fein würfeln, salzen und in der Butter glasig dünsten. Mit Wein ablöschen und 3 Minuten offen kochen. Steinpilzfond durch ein Sieb zugießen und 8 Minuten offen kochen. Die Sahne zugeben und nochmals 6 Minuten offen kochen. Die Sauce mit dem Schneidstab pürieren, mit Salz und optional einem Spritzer frischem Weißwein abschmecken. Warm halten.
  4. Pilze in einer Pfanne im heißen Öl scharf anbraten und unter gelegentlichem Schwenken bei gleichbleibend hoher Hitze 1–2 Minuten hellbraun braten. Pilze leicht salzen und zur Rahmsauce geben.
  5. Serviettenknödel und Rahmschwammerl mit Petersilie bestreut servieren.
Zubereitungszeit: 1 Stunde

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Aus Effilee #58, Herbst 2021
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