Ein Teller von Clemens Rambichler: Sanft gegrillter Steinbutt mit Wassermelone

Gemeinsam mit seiner Frau übernahm Clemens Rambichler nach dem unerwarteten Ableben von Helmut Thieltges das Sonnora in Dreis. Sollte jemand gezweifelt haben, ob es gelingen würde, das außerordentlich hohe Niveau zu halten, wurde er schnell eines Besseren belehrt. Rambichler kocht abgeklärt und souverän wie kaum ein zweiter, und so schafft er es, Thieltges’ Linie nicht nur fortzuführen, sondern sie sich zu ganz und gar zu eigen zu machen

Clemens Rambichler, wie kam das zu dem Steinbutt mit der Wassermelone?
Angefangen hat es damit, dass wir Obstsalat geschnitten haben. Wir hatten da richtig gute Wassermelone. So richtig gut, eine tolle Wassermelone, die Stand hat, die saftig und fleischig ist. Die war süß und auch wieder nicht süß, sondern erfrischend. Und dann habe ich gesagt: Damit könnten wir ja ein Gericht entwickeln, das würde gut in den Sommer passen. Und so führte dann eins zum anderen.
Es sind auch kleine Tomaten mit drin? Ich fand das sehr interessant, wie das zusammenging, die Tomaten und die Melone.
Ich hatte mal so ein Ragout gemacht, für einen Gast, der gut mit Eckart Witzigmann befreundet ist. Heute lebt er in Luxemburg und kommt fast jede Woche. Da muss ich mir natürlich immer etwas einfallen lassen. Da hatten wir auch gerade tolle Tomaten und Wassermelonen. Das ist ein Gast, dem ist es egal, wie es aussieht, aber er hat eine sehr feine Zunge. Dann haben wir ein Ragout gemacht und das ganz leicht geliert, Tomaten und Melone auf einen Zentimeter gewürfelt, ein bisschen pikant. Dazu gab es Hummermedaillons. Das schwirrte mir noch im Kopf rum. Dann gibt es zur Zeit diese Minitomaten, die kann man geschmacklich noch richtig zum Leuchten bringen, wenn man sie ein oder zwei Tage vorher einlegt, je nachdem wie die Säurestruktur ist. Dazu hatten wir noch eine Charentais-Melone, die war nicht richtig reif, dann hat die noch so einen Gurkentouch. Da dachte ich, das ist doch cool, so bekommen wir noch mehr Melone hinein, ohne dass es zu süß wird, es soll ja kein Dessert sein. So ist das entstanden.
Wie wird der Steinbutt gegart?
In der Pfanne. Ich mehliere den Fisch gern ein wenig und dann wird er mit etwas Olivenöl auf den Punkt gebraten.
Sous-Vide? Das kann ich gar nicht!
Kein Sous-Vide?
Nein! Das kann ich auch gar nicht. Ich finde, der Fisch kann gern eine kleine Bratkruste haben. Das ist doch viel interessanter. Ich mag das auch nicht, mit den vielen Plastikbeuteln. Es gibt ja Restaurants, da wird wirklich alles einzeln vakuumiert. Für jeden Gang. Dann ist die Möhre zwar von Bauer Ingo, aber dass sie aus dem Vakuumbeutel kommt, wird nicht gesagt.
Wie war das, als Herr Thieltges verstorben ist? Kam das sehr überraschend?
Er hat gesagt, kommen Sie mal mit, wir trinken einen Kaffee. Und dann hat er gesagt, passen Sie auf, es sieht so aus, als hätte ich nur noch zwölf Wochen. Und auf den Tag genau so war es. Zunächst will man das ja nicht wahrhaben, Herr Thieltges stand ja noch in der Küche und hat Jakobsmuscheln geöffnet, fünfunddreißig Kilo. Er war ja fit. Meine Frau und ich sind dann noch in den Urlaub gefahren und hier war zu. Und dann kam der Anruf. Da haben wir die Sachen gepackt und sind wieder heimgefahren. Und dann saßen wir hier gemeinsam mit Frau Thieltges und haben besprochen, wie wir das machen.

Ihr habt Hotel und Restaurant dann komplett übernommen?
Ja, zu sagen, ich will das nicht oder ich traue mir das nicht zu, kam nie infrage. Aber als Angestellte wollten wir es auch nicht mehr machen. Nicht weil wir uns nicht verstanden hätten mit Frau Thieltges, im Gegenteil. Aber wir haben natürlich gesehen, wie viel es zu tun gab im Haus. Die Zimmer waren renovierungsbedürftig und in der Küche war alles kaputt. Es war klar, dass Frau Thieltges das nicht mehr investieren konnte. Dann haben wir gesagt, okay, es geht nur radikal, wir kaufen Hotel und Restaurant komplett und renovieren direkt einen Riesenteil. Und so lief das dann auch. Das war alles sehr freundschaftlich, Frau Thieltges ist ja immer noch bei uns und wird hoffentlich auch noch lange bleiben.
Wir hatten dann so viel Arbeit, so unfassbar viel Arbeit … Viele Stammgäste haben angerufen und gesagt, passen Sie auf, auf uns können Sie sich verlassen. Bisher waren wir jedes Jahr zweimal da, tragen Sie uns jetzt bitte sechsmal ein. Und auf einmal war das ganze Jahr rammelvoll. Das war ein toller Rückhalt, die Leute kamen, haben verzehrt und dann gesagt, bringen Sie uns noch eine Flasche Champagner extra, damit sich hier wieder was dreht. Ich hatte ja so viel zu tun, dass ich mir gar nicht groß Gedanken machen konnte, aber es hätte ja auch sein können, dass kein Mensch mehr kommt.
Auch die Auszeichnungen sind ja geblieben.
Klar, das ist nicht unwichtig. Wenn man jetzt an einem Donnerstag sieht, da sind sechs Autos aus Dänemark, zwei aus der Schweiz und zwei aus Frankreich. Die wären sonst nicht da.
Es war sicherlich nicht leicht, die Qualität zu halten.
Zum Glück kannte ich das Haus wie meine Westentasche. Ich hatte im Juni 2011 hier angefangen, Herr Thieltges ist 2017 verstorben. Ich wusste genau, welche Telefonnummer ich anrufen musste, wenn ich ein bestimmtes Produkt bestellen wollte. Und ich kannte auch die Stammgäste mit ihren Vorlieben, wer etwas mag oder etwas anderes nicht. Bei so vielen Stammgästen, wie wir haben, ist das schon wichtig.
Man muss aber auch sagen, dass wir hier mit unseren Gästen großes Glück haben. Da gibt es keinen, der kommt und nur meckert.
Ist es eigentlich okay, wenn man sagt, du hast die Linie von Herrn Thieltges recht konsequent fortgeschrieben?
Natürlich. Es gibt auch Leute, die meinen, das wäre altmodisch oder altbacken, aber ich sehe das nicht so. Ich habe einen Hang zu dieser Linie. Als ich damals hier war zum Probearbeiten, hat mir Herr Thieltges ein paar Sachen gekocht; ich stand dann hinten an der Kippbratpfanne und habe diesen Fisch mit der Fenchelvinaigrette gegessen. Ich hab gedacht, ich fall um. Das war das beste Essen, das ich jemals hatte. Drei Gänge habe ich bekommen. Beziehungsweise richtige Gänge waren das gar nicht. Das Kalbskotelett war nur Fleisch mit ein bisschen Sauce. Und ich habe gleich gewusst, hier musst du hin. Das ist ja irre, diese Aromen! Das hat mich so gepackt. Das ist eine naturbelassene Küche mit top Produkten, die von der Technik her bis ins Detail geht. Und genau das machen wir heute auch. Da findet man nichts auf dem Teller, das nicht abgeschmeckt ist. Es wird wirklich alles von mir probiert, jeder Spinat, alles!
Das geht aber auch nur, wenn man sich bei der Anzahl der Elemente auf dem Teller etwas einschränkt.

Genau. Ich finde, das ist auch für den Gast wichtig. Ich habe das schon öfter erlebt, man sitzt vor einem Gericht, hat ein tolles Hauptprodukt, und das schmeckt auch gut. Aber dann sind auf dem Teller ein oder zwei Sachen, wo du sagst, was ist das? Probierst und weißt es immer noch nicht. Das ist superaufwendig gemacht, eine Petersiliensphäre, aber sie schmeckt nicht nach Petersilie. Das ist Arbeit und kostet Geld und bringt nichts. Der Mann, der das gemacht hat, den ganzen Tag, der muss ja bezahlt werden. Ich gehe eher so ran, dass ich mir überlege, was ich noch weglassen kann, um den Fokus noch präziser auf die Hauptzutat zu richten.
Wie waren denn deine Stationen vor dem Sonnora?
Meine Ausbildung habe ich in Berchtesgaden gemacht, damals war das das Interconti, heute gehört es zu Kempinski. Ich war im Hauptrestaurant, das war eigentlich ganz cool. Ich hatte da viele Freiheiten, konnte viel ausprobieren, da hat keiner wirklich drauf geschaut, jedenfalls kam es mir damals so vor. Dadurch habe ich mich da gut entwickelt. Die hatten drei Restaurants damals, das eine hieß Bayernstube, da gab es Kalbsschnitzel, geschmorte Kalbshaxe und so, dann das 360 Grad, wo ich war, das hieß so, weil die eine Seite komplett verglast war, zu den Bergen hin. Auf der anderen Seite war eine Showküche, das war der Albtraum, wenn man da kochen musste. Und dann gab es noch das Le Ciel, heute heißt es Pur. Ich habe da meine Zucchini geschnitten und dabei immer rübergeschaut und gedacht, da gibt es kein Gelaber, die arbeiten straight. Die hatten schöne Teller und konnten sich Zeit nehmen. Da wollte ich hin. Dann habe ich gefragt, ob ich an meinen freien Tagen mithelfen kann. Erst hat das Personalbüro gesagt, das ginge nicht, wegen der Stunden und so. Aber dann ging es doch. Und nach der Lehre habe ich da angefangen und noch zwei Jahre dort gearbeitet.
Wenn ich mein Leben lang Koch sein sollte, dann kann ich nicht in Rente gehen, ohne mindestens einmal in einem Drei-Sterne-Restaurant gearbeitet zu haben
Ich habe damals gedacht, wenn ich mein Leben lang Koch sein sollte, dann kann ich nicht in Rente gehen, ohne mindestens einmal in einem Drei-Sterne-Restaurant gearbeitet zu haben. Da habe ich Bewerbungen geschrieben. Im Steirereck in Wien war ich zum Probearbeiten, da war schon alles fertig, Arbeitsvertrag, Wohnung, Versichertenkarte. Irgendwann hat Herr Thieltges angerufen und gefragt, ob ich nicht mal vorbeikommen wollte. Dann bin ich nach Luxemburg geflogen und hier rübergefahren und es hat einfach direkt gepasst. Das Essen hat mir den totalen Kick gegeben und auch menschlich, wir sind zum Beispiel beide total Autobegeisterte gewesen. Damals war ich einundzwanzig, zweiundzwanzig. Heute bin ich zweiunddreißig … So lange kommt mir das gar nicht vor …

Das ist ja ein gutes Zeichen. Hast du denn Angst davor, die nächsten dreiunddreißig Jahre hier zu sitzen und das Gleiche zu machen?
Das wird nicht passieren. Ehrlich gesagt hätte ich da relativ wenig Lust drauf. So wie ich momentan arbeite, wäre das auch nicht möglich, unter siebzehn Stunden geht es zurzeit nicht. Selbst an den Ruhetagen. Morgen ist Dienstag, da kommt schon die erste Ware, am Mittwoch gebe ich allein in der Küche Vollgas. Das kann man nicht dreißig Jahre lang machen, glaube ich. Mit fünfzig will ich eigentlich nur noch für mich und meine Familie privat kochen. So ist es jedenfalls geplant.
Waldhotel Sonnora
Auf dem Eichelfeld 1
54518 Dreis
hotel-sonnora.de

Sanft gegrillter Steinbutt aus La Rochelle mit Wassermelone in Strauchtomaten-Fumet, schwarzem Pfeffer und Basilikum

Für 4 Personen
  • 4 Steinbuttfilets à 60–80 g, aus dem Mittelstück
  • 2 kg duftende Strauchtomaten
  • 250 g Basilikum
  • Salz
  • Zucker
  • Champagneressig
  • 250 ml Crème double, 45 % Fettgehalt
  • Tabasco
  • Olivenöl Extra Vergine
  • 500 g Wassermelone
  • Voatsiperifery-Pfeffer aus der Mühle
  • 100 g Tomberry rot, enthäutet
  • 100 g Tomberry gelb, enthäutet
  • 30 g Charentais-Melone, mit Perlenausstecher ausgestochen
  • 30 g Wassermelone, mit Perlenausstecher ausgestochen
  • 10 g Guarkernmehl
  • 4 Scheiben Wassermelone, 8 cm Durchmesser, 2 mm dick
  • 4 blanchierte Zuckerschoten, in feine Würfel geschnitten

Strauchtomaten-Fumet

  1. 1,5 kg Strauchtomaten, 50 g Basilikum, Salz, Zucker und Champagneressig zusammen leicht anmixen.
  2. 5 Stunden durch ein Passiertuch abtropfen lassen.
  3. 250 ml von diesem Tomatenfond auf ein Zehntel reduzieren und mit Crème double auffüllen, kurz kochen lassen.
  4. Danach nochmal 50 ml Tomatenfond zugeben und mit 50 g Basilikum aufmixen.
  5. Alles durch ein Mikrosieb passieren, eventuell abschmecken.

Basilikumöl

  1. 100 g Basilikum, 100 ml Olivenöl, Salz und Zucker zusammen stark mixen.
  2. Durch ein extrem feines Sieb passieren. Danach kalt stellen.

Marinade für Melonenscheiben und Tomberry-Melonen-Ragout

  1. 500 g Strauchtomaten, 500 g Wassermelone, Salz, Zucker, Voatsiperifery-Pfeffer, Champagneressig und 50 g Basilikum extrem stark mixen und sehr, sehr fein passieren.
  2. Eventuell abschmecken und kalt stellen.

Fertigstellen

  1. Die Tomberrys und die Melonenkugeln mit der Marinade (ein wenig übrig lassen) über Nacht ziehen lassen und dann in einem tiefen Teller anrichten.
  2. Den Steinbutt mit Salz und Voatsiperifery-Pfeffer würzen, leicht mehlieren und in Olivenöl schnell und kurz grillen.
  3. Den Fisch auf das Ragout setzen, mit der aufgeschäumten Tomaten-Fumet großzügig bedecken.
  4. Pro Teller etwa einen guten Teelöffel von dem Basilikumöl angießen.
  5. Nun die Melonenscheiben mit der restlichen Marinade bestreichen, mit den Zuckerschotenwürfeln bestreuen und mit etwas frischem Pfeffer aus der Mühle aromatisieren. Jeweils eine Scheibe auf jeden Fisch obenauf legen und sofort servieren.
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Aus Effilee #58, Herbst 2021
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