Choux à la Crème

Wir dachten, dem Windbeutel hätte längst das Stündchen geschlagen. Was im 19. Jahrhundert die Pâtisserie begründete, sei zum langweiligen Oma-Gebäck geworden. Falsch gedacht: In Gestalt knuspriger Kohlköpfchen – französisch »choux« – erobert der Brandteig die Vitrinen hipper Cafés. Was ist das Geheimnis des Erfolgs? Ein Besuch bei Fabienne Dauplay, Pâtissière im Berliner Café frank

Er ist einem kleinen gebackenen Blumenkohl zum Verwechseln ähnlich, dieser Chou. Wenn da nicht ein kleiner Deckel abgesägt wäre, der nun auf einem großen Klecks Creme sitzt. Sie türmt sich so, dass man glaubt, dieses fragile Konstrukt könnte jeden Augenblick platzen. Also schnell hinein in den Mund mit dem kleinen Kohlkopf.

Es gibt in der Pâtisserie eine besondere Disziplin. Sie besteht darin, süße Luft unter Kruste einzuschließen. Und das ganz ohne Hefe oder irgendein anderes Triebmittel. Profiterole heißt das Ergebnis dann, oder auch Éclair, im Deutschen sagt man poetisch Windbeutel oder Liebesknochen. Aber ein Kohlkopf – davon hat man hierzulande noch selten gehört. Dabei heißt der Brandteig, die Grundlage all dieses luftigen Gebäcks, pâte à choux – Kohlteig. Denn der Chou mit seiner krachend-knusprigen Hülle, in der sich diese Creme verbirgt, die auf der Zunge in nicht mehr als Geschmack zerfließt, ist der heimliche König über all die Beutel, Krapfen, Beignets und was sich sonst noch aus Teig herstellen lässt.

Im Café frank im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg aber hat dieser spezielle Kohlkopf den ihm gebührenden Platz in der Vitrine gefunden. Hinter Glas präsentiert sich eine süße Kostbarkeit verführerischer als die andere: die Olivenöl-Aprikosen-Gâteaux, pralle, hellhäutige Bömbchen mit einer Pistazie auf der Spitze. Oder Blaubeeren-Tartelettes: Der Saum aus feinsten gerösteten Pistaziensplittern wirkt wie Moos. Die Choux à la Crème dazwischen sehen rustikaler aus, aber der Eindruck legt sich, wenn die Kugeln im Mund verschwinden und man auf den Kern aus intensiv nussig-krokantigem Praliné trifft.

Fabienne Dauplay heißt die Frau, die das klassische französische Gebäck zur Zeit in der Hauptstadt en vogue macht. Craquelin ist das Besondere in dem Rezept ihrer Windbeutel, eine feine Crumble-Schicht macht sie so außerordentlich knusprig.

Dauplay hat eine polyglotte Vergangenheit, zur Pâtisserie kam sie auf Umwegen. Die Mutter Französin, der Vater kommt aus Vietnam, die Herkunft führte die heute Achtundvierzigjährige nach einer Jugend in der Bretagne durch die ganze Welt, in die USA, nach China, England, Südfrankreich, seit 2000 ist ihre Basis Berlin. Sie studierte Sprachen, entdeckte ihre Liebe zur Fotografie und nach vielen Jobs in der Gastronomie irgendwann auch die Leidenschaft für die Pâtisserie. Die führte sie vor mehr als zehn Jahren an die École Nationale Supérieure de Pâtisserie in Yssingeaux in der Auvergne. Anschließend pendelte sie zwischen Berlin und Frankreich, stand bei Pierre Gagnaire im Waldorf Astoria in Berlin in der Pâti oder bei Gérald Passedat im Drei-Sterne-Restaurant Petit Nice in Marseille. Im vorigen Jahr fand sie den Weg an den Ofen des Café frank.

Zwei Namen sind wichtig, wenn es um die Choux à la Crème geht, wie Fabienne Dauplay sie heute herstellt. Der eine ist Jean Avice, der andere Marie-Antoine Carême. Avice, der auch als Erfinder der Madeleine-Küchlein gilt, experimentierte mit dem Brandteig, der im 18. Jahrhundert noch als pâte a chaud – heißer Teig – bekannt war. Die Methode dahinter ist Jahrhunderte alt. Wird Mehl mit Wasser aufgekocht, verkleistert die Stärke und bildet eine für Wasserdampf undurchlässige Schicht. Im Ofen bläst sich das Gebäck anschließend leicht auf die doppelte Größe auf und es entstehen große Hohlräume. Weil das, was Avice herstellte, ein bisschen aussah wie ein Kohlkopf, heißt der Teig in Frankreich seitdem pâte à choux.

Einem Schüler von Avice verdanken wir eine ganze Menage an Choux-Gebäck: Marie-Antoine Carême, einem der bedeutendsten Köche und Konditoren des 19. Jahrhunderts. Er machte den Brandteig zu seinem Markenzeichen und entwickelte beispielsweise das croque-en-bouche, eine Pyramide aus sahnegefüllten Profiteroles, die von Zuckerguss zusammengehalten wird. Kracht im Mund heißt der Name der Torte übersetzt. Auch das Éclair – genau übersetzt Blitz – soll auf ihn zurückgehen.

Fabienne Dauplay füllt ihre Choux gern mit grüner Pistaziencreme. Das passt farblich genau zum Interieur des Café frank. Urban Jungle, so lässt sich das Konzept auf den Punkt bringen. Große tropische Pflanzen dominieren den hohen Raum mit Stuckdecke und abgeblättertem Putz auf dem ehemaligen Brauereigelände des Pfefferbergs. Es ist das neueste Projekt von Oliver Mansaray und Daniel Scheppan, die gleich nebenan auch das Restaurant Kink gegründet haben. Mit Ivano Pirolo, Schüler der weltberühmten Ideenschmiede El Celler de Can Roca nördlich von Barcelona, fanden sie einen Chefkoch, dem eine moderne eklektizistische Küche gelingt, eine Fusionsküche, von der man sich schon verabschiedet hatte, die aber nun in die Zwanzigerjahre passt.

Noch vor ein paar Jahren war der Pfefferberg vor allem als künstlerische Adresse in der Stadt bekannt, weil hier Ólafur Elíasson mit seinem Studio saß und Ai Weiwei sein Atelier in den alten Bierkellern eingerichtet hatte. Außerdem ist hier eine Galerie und eine Museum für Architektur zu besichtigen. Aber eben erst hat eine kleine Markthalle auf dem Gelände eröffnet, mehr und mehr entwickelt sich der Pfefferberg zu einer spannenden kulinarischen Location – auch wegen der Pâtissière des frank und ihrer Kohlköpfe.

Choux à la crème

für ca. 6–8 Choux

Pâte à Choux

  • 55 g Wasser
  • 55 g Milch
  • 50 g Butter
  • 2 g Salz
  • 2 g Zucker
  • 60 g Mehl
  • 2 Eier (110 g), verschlagen
  1. Zutaten bis auf Eier und Mehl aufkochen, den Topf dann vom Herd nehmen.
  2. Mehl hinzufügen, Topf wieder auf den Herd stellen und bei niedriger Temperatur rühren, bis sich ein Bällchen formt.
  3. Masse in die Küchenmaschine geben, Flachrührer einsetzen und die verschlagenen Eier nach und nach dazugeben, bis ein nicht zu flüssiger Teig entstanden ist. Er soll ein Band bilden, wenn man den Rühreinsatz aus der Schüssel zieht.
  4. Teigmasse in einen Spritzbeutel mit Tülle 10 füllen.
  5. 6–8 Bällchen, Choux, auf ein mit Backpapier belegtes Blech spritzen.

Craquelin

  • 150 g Butter
  • 180 g Mehl
  • 180 g Rohrzucker
  1. Ofen auf 170 Grad (Ober-/Unterhitze) vorheizen.
  2. Die Zutaten zu einem Teig vermischen, zwischen 2 Blätter Backpapier geben und mit dem Nudelholz auf eine Dicke von 5 mm ausrollen.
  3. 10 Minuten ins Tiefkühlfach legen, danach mit einer runden Ausstechform von der Größe der Choux-Bällchen 6 Kreise ausstechen und auf die Choux legen.
  4. Im Ofen 35 Minuten backen. Dabei die Ofentür nicht öffnen, sonst fällt alles in sich zusammen.

Crème pâtissière

  • 110 g Milch
  • 110 g Sahne
  • ½ Vanilleschote
  • 50 g Zucker
  • 2 Eigelb (50 g)
  • 17 g Puddingpulver oder Stärke
  • 30 g Butter
  • 1 ½ Blatt Gelatine, in Wasser eingeweicht
  1. Milch, Sahne und das Mark der Vanilleschote aufkochen.
  2. Zucker und Eigelbe schaumig rühren, Stärke dazugeben, dann ungefähr die Hälfte der heißen Sahnemilch einrühren. Diese Mischung zur restlichen Sahnemilch in den Topf zurückgießen und unter Rühren erhitzen. Wenn es köchelt, 3 Minuten weiterrühren, bis es anfängt einzudicken.
  3. In eine Schüssel füllen, Butter und eingeweichte Gelatine untermengen.
  4. Abgedeckt in den Kühlschrank stellen und erkalten lassen.

Pistazien-Praliné

  • 80 g Zucker
  • 1 Prise Fleur de Sel
  • 160 g grüne Pistazien, geröstet
  1. Den Zucker im Topf schmelzen lassen, bis er karamellfarben wird, eine Prise Fleur de Sel und die Pistazien dazugeben, dann im Mixer zerkleinern, bis eine Paste entsteht.

Mandel-/Haselnuss-Praliné

  • 80 g blanchierte Mandeln, geröstet
  • 80 g Haselnüsse, geröstet
  • 80 g Zucker
  1. Wie oben eine Paste aus den Nüssen und dem karamellisierten Zucker herstellen.

Anrichten

  • Puderzucker zum Bestreuen
  1. Jeweils die Hälfte der Crème pâtissière mit jeweils einer Sorte Praliné verrühren, und in einen Spritzbeutel mit Sterntülle füllen. Die Choux köpfen, die Crème einspritzen, den Deckel aufsetzen und mit Puderzucker bestreuen.
2 Kommentare

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  1. Liebes Team von effilee,
    gestern wollte ich das obige schöne Rezept nachkochen und bin so dermaßen krachend gescheitert, daß ich meinem Unmut hier mal Luft machen möchte. Ich habe für eine Frage auch schon Frau Dauplay direkt angeschrieben, aber keine Antwort erhalten, daher meine Fragen hier.

    Kann es sein, daß es in den Rezeptangaben Fehler, Ungenauigkeiten oder schlicht nicht erwähntes gibt ?

    1. Bei der pâte 2 Gr. Salz auf 60 G Mehl ? Das ist laut meiner Küchenwaage ca. ½ Teelöffel. Habe ich genommen und fand den Teig nachher viel zu salzig.

    2.“Masse in die Küchenmaschine geben….nicht zu flüssiger Teig entstanden ist. Er soll ein Band bilden, wenn man den Rühreinsatz aus der Schüssel zieht“ . Brandteig ist ein fester Teig, und so war der entstandene Teil auch ein fester und keiner, „der ein Band bildete…“Ich hätte auch nicht gewußt, wie man einen Teig, der so flüssig ist, das er ein Band bildet, mittels einer Spritztülle in Bällchen auf ein Backblech setzt.

    3. Craquelin hat funktioniert, nur daß der Teig für die mindestens doppelte Anzahl choux gereicht hätte.

    4. Bei der crème patissière wird auf alles auf das Gramm genau angegeben, aber „Puddingpulver ODER Stärke ? Schmeckt es nicht anders, wenn man wirklich Puddingpulver (und da gibt es ja eine große Auswahl) nimmt. Hat ein Profi wie Frau Dauplay das wirklich so gemeint ?

    5. Beim Pistazien-Praliné ( das andere habe ich gar nicht erst versucht): ein langer Satz, der nur sagt: “ im Mixer zerkleinern, bis eine Paste entsteht“ Ich habe Zucker, ich habe Nüsse – beides Zutaten ohne Flüssigkeit/Feuchtigkeit. Die karamellisierten Nüsse habe ich im Blitzhacker zerkleinert (ist übrigens grenzwertig für die Messer) – nur wurden daraus Brösel und keine Paste. Das Ergebnis hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Foto auf Seite 48. Was ist falsch gelaufen?

    Daß meine choux nicht richtig aufgingen, kann alle möglichen Gründe haben, das möchte ich dem Rezept nicht anlasten. Aber sollten sie wirklich nicht angeschnitten oder angestochen werden, so wie das sonst beim /nach dem Backen beim Brandteig der Fall ist ?

    Für eine Rückmeldung wäre ich Ihnen dankbar.
    Mit freundlichen, aber frustrierten Grüssen
    Almuth Starke-Duncker

Aus Effilee #58, Herbst 2021
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