Deutschstunde: Wurstsalat

Die Wahrheit ist, dass wir Schwaben den Wurstsalat nicht erfunden haben. Wir haben selbstverständlich die Maultaschen erfunden, aus denen die Italiener später Ravioli machten und die Chinesen Wan Tans. Den Wurstsalat können wir uns aber nicht alleinig auf die Fahne schreiben – er ist wahrscheinlich eine frühe Idee der umsichtigen Resteverwertung.

Einige Hundert Kilo Wurstsalat habe ich wohl in meinem Leben geschnitten, und den Großteil davon sicherlich im Sommer 1988, meinem ersten Lehrjahr als Koch. Mein Lehrherr Albert Bouley, ausgezeichnet mit einem Michelin-Stern, war ein herausragender Koch seiner Generation. Das Terrassengeschäft vor seinem Restaurant Waldhorn am Ravensburger Marienplatz folgte aber eigenen Regeln.

Köstlichkeiten standen auf der Karte, die wir Lehrlinge in der Mittagspause zwischen 14 und 17 Uhr zu schicken hatten: Galantine von der Bresse-Poularde mit Ebereschen-Gelee, Salat mit gebratenem Felchen- und Egli-Filet vom nahen Bodensee mit Sauce grelette, Champagner-Sorbet. Nur bestellten die Gäste überwiegend: Wurstsalat.

Der bestand bei Monsieur aus beinahe haarfein in dünne Streifen geschnittener Lyoner, was deutlich positiv aufs Mundgefühl einzahlte und uns optisch auch von den übrigen Wurstsalaten der umgebenden Gasthäusern abhob. Die Marinade dagegen war klassisch, da macht man im Oberschwäbischen besser keine Experimente: guter Essig, Senf, rohe (!) Zwiebeln, Gewürzgurkenstreifen, ein entscheidender Schwupps Gurkenwasser und etwas Öl zum Schluss. Salz, Pfeffer, fertig.

Dies ist jedoch, und hier beginnen die kleinen Details von größter Wirkung, tatsächlich kein schwäbischer Wurstsalat, sondern in Wurstwahl und Schnittart eher ein bayerischer Wurstsalat. Kommt Käse hinzu, etwa Emmentaler, geht er als Schwarzwälder oder Elsässer Wurstsalat ins Rennen. (Auf der Terrasse gab’s Käsestreifen damals übrigens nur gegen Aufpreis.) Der Schweizer Wurstsalat benötigt neben regionalem Greyerzer oder Appenzeller Käse auch noch die nationalheilige Cervelatwurst, alles andere ist eine Fälschung.

Die Wahrheit ist, dass wir Schwaben den Wurstsalat nicht erfunden haben. Wir haben selbstverständlich die Maultaschen erfunden, aus denen die Italiener später Ravioli machten und die Chinesen Wan Tans. Den Wurstsalat können wir uns aber nicht alleinig auf die Fahne schreiben – er ist wahrscheinlich eine frühe Idee der umsichtigen Resteverwertung.

Diese Idee hat viele Mütter und Väter: der Regensburger Wurstsalat kommt in Scheiben und mit der stolzen Stadtwurst daher, eine dicke Handwurst, mit ordentlich Fleischwürfeleinlage, gebrüht und über Buchenholz geräuchert. Der Wurstsalat unserer Nachbarn in Österreich listet noch frische Paprikawürfel in den Zutaten. Da ist sich die übrige Wurstsalatwelt allerdings einig: Viel mehr als die oben beschriebenen Ingredienzien darf nicht hinein. Schon Radieschen gelten als schmückender Tand, frische Gurken sind albern und verwässern die Pracht.

Schwäbischer, Elsässer, Regensburger, Schweizer oder österreichischer Wurstsalat?

Der schwäbische Wurstsalat ist unter allen Mitbewerbern rasch zu erkennen und schmeckt natürlich am allerbesten. Denn er besteht zu einem Drittel bis zur Hälfte nicht nur aus Fleischwurst – Blutwurst ist das Geheimnis! Sie bringt viel zusätzliche Würze mit, macht den Wurstsalat vielschichtiger und erdet.Der folgende Wurstsalat kann trotzdem, Sie ahnen es, nur (m)eine Auslegung des schwäbischen Wurstsalats sein: Die Schnittform der Würste in Halbmonde ist unüblich, ich mag das aber. Wurstsalat bitte prinzipiell frisch schneiden, anmachen und direkt servieren. Steht er, wird er nicht besser. Das Schnippeln macht der Lehrling gern!

Einigermaßen schwäbischer Wurstsalat

Zubereitungszeit: 15 Minuten
  • 200 g Lyoner Wurst
  • 100 g schnittfeste Blutwurst
  • 2–3 Gewürzgurken aus dem Glas
  • 1 kleine weiße Zwiebel
  • 3 EL Gewürzgurkenwasser
  • 3–4 EL Weißweinessig oder Kräuteressig
  • 2 TL Dijonsenf
  • 3 EL Sonnenblumenöl
  • Salz
  • Pfeffer
  1. Die Würste längs halbieren und in dünne Scheiben schneiden. Die Gewürzgurken in dünne Scheiben schneiden. Die Zwiebel pellen, halbieren, in feine Ringe schneiden und mit dem Gewürzgurkenwasser in eine Schüssel geben.
  2. Essig und Senf zugeben, glattrühren, das Öl zugeben. Die Wurst untermengen und den Salat mit Salz und Pfeffer würzen.
P. S.: Gutes gebuttertes Brot ist ein Segen dazu!

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Aus Effilee #68, Frühjahr / Sommer 2024
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