Die Caldo Verde, erzählt Kristin, ist eine recht einfache, leichte Suppe - kein Gericht für kalte Tage, wie der deutsche Grünkohl. Die Zahl der wirklich kalten Tage in Portugal ist aber auch ziemlich begrenzt. »Ich hatte überlegt, noch ein Maisbrot zu backen. Aber erstens ist der Ofen kaputt und zweitens habe ich mir das Rezept auf einen Zettel geschrieben und dann vergessen, wo ich ihn hingelegt habe.«
Jonas ist Kirchenmusiker, Kristin studiert Musikpädagogik. Kennengelernt haben sie sich während des Studiums im Chor. Sie geht an die Spüle, um die Kartoffeln zu schälen. »Ich mache die Suppe etwas dünner, mit nicht so vielen Kartoffeln. Die kann sich dann noch jeder, wenn er möchte, auf den Teller tun. Wer die Suppe etwas dicker mag, nimmt eben mehr Gemüse.« Sie schneidet die Kartoffeln gleich in der Hand in kleine Würfel. »Ich habe mir angewöhnt alles in der Hand zu schneiden. Das sind nicht so viele Kartoffeln, und bevor ich jetzt noch das Brett raushole …«
Die Küche ist relativ groß, hell und erstaunlicherweise ein Durchgangszimmer. »Das ist ein altes Haus«, erklärt Kristin. »Früher war die Wohnung bestimmt anders geschnitten. Wenn man nicht auf die Feinheiten achtet, ist es eine recht schöne Küche. Aber der Ofen fällt auseinander und der Wasserhahn geht alle drei Wochen kaputt. Generell fällt das Haus langsam auseinander. Deshalb schauen wir uns auch nach einer neuen Wohnung um.«
Kristin schält zwei Zwiebeln. »Im Rezept steht eigentlich eine Zwiebel, aber ich nehme zwei, weil portugiesische Zwiebeln normalerweise sehr groß sind.« Dann zieht sie zwei Knoblauchzehen die Schale ab. »Ich schneide die Zehen etwas kleiner, damit sie mehr Aroma freisetzen.« Sie füllt etwas Wasser in einen Topf, legt das Gemüse ins kalte Wasser und stellt ihn auf den Herd. »Das ist typisch portugiesisch: In Deutschland würde man noch irgendetwas anbraten, aber in Portugal kommt einfach alles in einen Topf und wird gekocht.« Sie greift in eines der portugiesischen Tongefäße. »Und dazu kommt natürlich noch etwas Meersalz.«
»So, das war es jetzt fast schon. Der Kohl kommt erst kurz vor Schluss rein. Der macht die Suppe leider etwas schwierig zu essen, denn portugiesischer Grünkohl besteht eigentlich nur aus langen Fäden, die vom Löffel hängen.« Den Couve Galega hat Kristin tiefgekühlt in einem portugiesischen Laden gekauft. »Das Zeug gibt es in Deutschland sonst nicht.« Sie schneidet den Grünkohlblock durch und legt ihn in ein Sieb. »Im Alltag merke ich gar nicht, dass ich in Deutschland nur mein halbes Leben lebe. Dabei blühe ich erst in Portugal wirklich auf. Das liegt einmal an der Sprache und außerdem fühlt man sich dort immer gleich zwei Zentimeter größer.« Die Portugiesen sind tendenziell eher klein.
Kristin füllt den Wasserkocher und knipst ihn an. »Meine Mutter ist früher immer mit uns zwei Kindern über Frankfurt nach Portugal geflogen. Das war kein Spaß für sie. Heute ist es viel einfacher, von Hamburg nach Lissabon zu kommen.« Sie übergießt den gefrorenen Grünkohl mit kochendem Wasser. Als Kristin klein war, fuhr ihr Vater immer drei Monate zur See und hatte dann sechs Wochen Landurlaub. »Aber als ich zur Schule kam, hat er sich Arbeit in Hamburg gesucht. Wir hatten gemerkt, dass unser Vater uns fremd wurde, obwohl wir ihn sehr gern hatten. Und er hatte selber Angst, uns noch fremder zu werden. Da hat er sich eine feste Arbeit an Land gesucht. Das war für ihn sicherlich ein ganz großer Schritt.«
Der Grünkohl riecht nach Garten. Kristin holt den Pürierstab aus dem Schrank. »So, jetzt kommt Schritt zwei. Früher hat man das mit einem Stampfer gemacht, aber mit dem Pürierstab wird es etwas feiner. Man kann auch einfach eine Gabel nehmen, um die Kartoffeln zu zerdrücken, je nachdem, ob man die Suppe klarer oder dicker haben möchte.« Kristin lässt den Stab kurz durch den Topf kreisen, um das Gemüse zu pürieren, und dann den Grünkohl aus dem Sieb in den Topf gleiten. »Jetzt kocht alles noch mal kurz auf. So wird die Suppe schön grün.«
Aus dem Kühlschrank holt sie eine Wurst. »Ich habe extra frische Chouriço gekauft. Frische Wurst ist besser, weil sie ihr Aroma schneller abgibt. Die Chouriço wird nicht mitgekocht, sondern auf den Teller gelegt und mit der Suppe übergossen. Die portugiesische Chouriço ist nicht so scharf wie die spanische, sie schmeckt mehr nach Rauch und weniger nach Paprika.« Kristin greift in das Küchenregal. »Und nun noch das Olivenöl, das ist ganz wichtig, damit die Suppe ihr Aroma behält. Ich habe drei Olivenöle: eines von Aldi, das ist okay, eines direkt vom Erzeuger und ein kalt gepresstes, das nicht den EU-Normen entspricht. Heutzutage kann sich kaum noch ein Bauer leisten, so ein Öl zu produzieren, weil es sehr aufwendig ist und nicht regulär verkauft werden kann.« Sie gibt einen ordentlichen Schuss des kalt gepressten dazu.
Die Wohnungssuche wird Jonas und Kristin noch Probleme bereiten. Zum einen ist der Hamburger Wohnungsmarkt schwierig, zum anderen ist die Lage der jetzigen Wohnung optimal: Es ist ruhig, und trotzdem lässt sich alles, was man benötigt, gut zu Fuß erreichen. »Wir haben zwar ein Auto, aber das braucht Jonas meistens, weil er ständig auf irgendeiner Beerdigung spielen muss«, erzählt Kristin, während sie drei Scheiben Wurst auf jeden Teller legt und die Suppe auffüllt.
Der leichte, sommerliche Geschmack der Caldo Verde vermischt sich schön mit einem Hauch der rauchigen Wurst. »Im Norden Portugals«, erzählt Kristin, »macht man meist mehr Öl ran und mehr Kartoffeln, denn der Norden ist recht arm und die Familie muss satt werden.« Häufig wird Caldo Verde als Vorsuppe serviert. Doch diese schmeckt so gut, dass man sich problemlos an ihr satt essen kann.
Caldo Verde
- 2 l Wasser
- 500 g Kartoffeln, grob gewürfelt
- 2 Zwiebeln, grob gewürfelt
- 2 Knoblauchzehen, gewürfelt
- 2 EL grobes Meersalz
- 250 g Cuovo Galega
- 5 EL Ölivenöl
- Chouriço, in Scheiben geschnitten
- Kartoffeln, Zwiebeln, Knoblauch und Salz in einen Topf mit dem Wasser geben und etwa 30 Minuten kochen. Das Gemüse stampfen oder pürieren.
- Den Grünkohl hacken, abbrühen und in die Suppe geben. Aufkochen und das Olivenöl dazugeben.
- Auf jeden Teller 3-4 Scheiben Chouriço legen, mit Suppe auffüllen und servieren. Dazu wird ein Korb mit kräftigem Brot auf den Tisch gestellt.
Frische Blätter von Kohlrabi sind auch ein guter Ersatz.
Statt Grünkohl, der recht herb ist, nimmt man für diesen portugiesischen Eintopf besser Markstammkohl (Brassica oleracea var. medullosa) oder Staudenkohl (Brassica oleracea var. viridis). Der entspricht im Geschmack am ehesten dem Couve galega