Treffen sich zwei Weine – Chardonnay und Riesling

Ob jemand Riesling mag oder Chardonnay ist weit mehr als eine Geschmacksfrage, das geht schon in Richtung Glauben …

DNA-Analysen kennt man vor allem von Vaterschaftstests, aber auch Önologen, Weinwissenschaftler, nehmen solche Analysen vor. Und wie bei der Vaterschaft sind die Ergebnisse oft ganz anders als erwartet. So haben zum Beispiel die un- gleichen weißen Rebsorten Riesling und Chardonnay einen gemeinsamen Vorfahren, Gouais Blanc. Der ist heute unbedeutend, die Cousins jedoch spielen eine ganz wesentliche Rolle in der Welt des Weißweins.

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treffen sich zwei Weine

Chardonnay stammt, wie der Name andeutet, aus Frankreich. Seine große Stärke ist, dass er von Haus aus eher wenig eigenen Charakter mitbringt. In diesem speziellen Fall ist das kein Mangel, er ist ein fast perfektes Ausgangsmaterial, um Weine zu erzeugen, die den Charakter der Lage, des Bodens und somit die Vorstellungen des Winzers genau wiedergeben. Außerdem verträgt er sich besonders gut mit dem Holzfass. Entsprechend breit ist das Spektrum, von buttrig weicher vanilliger Supermarktware bis hin zu den eleganten funkelnden Weinen aus Burgund. Wo auf Masse produziert wird, kann der fehlende eigene Charakter zum Problem werden, bei hohen Erträgen in warmen Lagen fehlt dem Chardonnay die Säure, die das Rückgrat jedes Weins bildet. In den Händen eines guten Winzers, in der richtigen Lage und bei konsequenter Reduzierung der Erträge können aber Weine entstehen, die zum Edelsten und Teuersten gehören, was man überhaupt bekommen kann.

Beim Riesling wiederum ist alles anders und doch gleich: Er ist hervorragend geeignet, den Charakter der Lage, des Bodens und die Vorstellungen des Winzers genau wiederzugeben, allerdings aus einem ganz anderen Grund. Er ist nämlich von Haus aus so charakteristisch, dass er immer typisch Riesling bleibt, gleich, ob er zum Beispiel trocken oder edelsüß ausgebaut wird, dabei aber nie das Wesentliche des Terroirs überdeckt. Nur mit dem Holzfass verträgt er sich nicht so gut.

Riesling litt, wie deutscher Wein überhaupt, viele Jahre unter einem schlechten Ruf. Das hat damit zu tun, dass er neben anderen Rebsorten jahrelang auch in billigen Massenweinen – Stichwort Liebfrauenmilch – vermarktet wurde. Das andere Problem ist ein sprachliches: Riesling taucht als Namensbestandteil verschiedener anderer Reben auf, die nicht alle für die besten Weine stehen – vor allem Welschriesling bzw. Riesling Italico ist kein Verwandter und sollte mit dem Original nicht verwechselt werden.

Anders als Chardonnay hat Riesling eigentlich immer ausreichend Säure, die entsprechend große Mengen von Restzucker ausbalancieren kann. Das macht ihn besonders geeignet für die Herstellung von Süßweinen: Eiswein oder Trockenbeerenauslesen. Ganz trockene Rieslinge sind bis heute eher die Ausnahme.

Trinkt man eher einfachen Chardonnay und Riesling im Vergleich, so fällt der Unterschied sehr deutlich aus, die Riesling-Aromatik dringt durch »wie ein Degen« (Jancis Robinson), der Chardonnay zeichnet sich vermutlich eher durch den Alkoholgehalt von bis zu 14 Prozent aus. An der Spitze hingegen, bei gereiften, trockenen Weinen kann die Verwandtschaft markant hervortreten. Elegant können sie beide sein, der Riesling vielleicht etwas verspielter, der Chardonnay gediegener. Beide gleichermaßen großartig.

Text: Vijay Sapre

aus Effilee #15, März/April 2011

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2 Kommentare

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  1. Man sagt doch das ein Chardonnay das gleiche wie der Welschriesling ist. Darf man so eine Behauptung aufstellen?
    Gruß aus Voralberg

    1. Nein, Gerlinde, der Welschriesling ist weder mit dem Chardonnay noch mit dem Riesling verwandt. Er hat in Südeuropa und in Österreich eine gewisse Bedeutung im Bereich eher einfacher Weine, es gibt da aber Ausreißer nach oben.

Aus Effilee #15, Mär/Apr 2011
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