Herrn Paulsens Deutschstunde: Fürst-Pückler-Eis

Das Fürst-Pückler-Eis gilt bis heute als einer der geheimnisvollsten Klassiker der deutschen Küche. Es ranken sich zahlreiche Legenden um den Namenspatron, die möglichen Erfinder der dreistöckigen Sahneeis-Bombe und deren korrekte Herstellung und Schichtung […]

Der Schriftsteller und Kulturhistoriker Bernd-Ingo Friedrich veröffentlichte sie 2010 in einem Buch. Keiner hat sich intensiver mit der Geschichte der berühmten Eiskreation befasst, und es gelingt Friedrich in Fürst Pücklers Eis (Regia Verlag, Cottbus), so ziemlich jede bislang als gesichert geltende Geschichte rund um das fürstliche Sahneeis zu widerlegen. Im Internet findet sich nach kurzer Stichwortsuche eine längere wie launig geschriebene Zusammenfassung der Recherchen des Pückler-Kenners, die erahnen lässt, dass dieses Eis zu allen Zeiten beliebt und dementsprechend bis heute Moden unterworfen war, was Herstellung, Schichtung und Dekoration betraf. Zudem brüsten sich viele Väter mit der Erfindung: Da gibt es den Konditormeister Schulz, Schulze oder Schultz, ein Zeitgenosse Pücklers, der wahlweise in Berlin, Bad Muskau oder Cottbus ansässig gewesen sein soll – gesichert nachweisen lässt sich nichts. Erstmals schriftlich Erwähnung findet die Rezeptur 1839 im 3. Band der Kochbuchreihe Vollständige und umfassende theoretisch-praktische Anweisung der gesammten Kochkunst, zusammengestellt und bearbeitet von L. F. Jungius, dem Mundkoch des Königs von Preußen. Pückler könnte den Verfasser zumindest gekannt haben. Ein verwandtes Rezept findet sich 1872 in Conditor Karl Krackharts Buch Neues illustrirtes Conditoreibuch. Ein praktisches Hand- und Nachschlagebuch für Conditoren, Fein- und Pastetenbäcker, Lebküchner, Chocolade- und Liqueurfabrikanten, Köche, Gasthofbesitzer, sowie für jede Hausfrau, darin ein dreifarbiges Blanc Manger, also Mandelsulz. Doch erst 1903 findet sich in der 7., vom Münchner Hofkonditor Max Bernhard bearbeiteten und vermehrten Auflage des Standardwerks der Konditoreikunst ein Rezept für dreifarbiges Fürst-Pückler-Eis. Zuvor aber präsentiert auch noch Emma Allestein 1876 in ihrem Kochbuch Das beste bürgerliche Kochbuch vorzüglich für das Haus berechnet. Ein Handbuch für jede Hausfrau und Köchin, unentbehrlich für Anfängerinnen in der Kochkunst eine weitere, frühe Version des Eises unter dem Namen Fürst Pückler. Einer hat nachweislich selbst nichts mit der Kreation des Klassikers zu tun – der Namenspatron Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau (1785–1871). Die Bücher des preußischen Generalleutnants und Schriftstellers, Gartengestalters und Weltreisenden wurden sowohl in Europa und England als auch in den USA veröffentlicht.

Pückler war ein scharfzüngiger Beobachter, ein Chronist seiner Zeit, ein Gourmet aus bester Gesellschaft, der zu allen großen Adelshäusern Zugang hatte.

Ein Zeitgenosse Pücklers, der Meisterkoch Auguste Escoffier, machte zu jener Zeit die Namensgebung für Zubereitungsarten und Garnituren populär, daher liegt es nahe, dass mit Fürst Pückler eine der schillerndsten und beliebtesten Persönlichkeiten seiner Zeit zum Patron für das dreistöckige Eis wurde. Basis ist in allen Rezepten immer eine Grundmasse aus Sahne und Zucker, die mit Makronen aus Eiweiß und Mandeln oder Biskuit, gehackten Früchten oder Konfitüren und Schokolade angerührt, geschichtet und gefroren wird. Bei Farbgebung und Schichtungsreihenfolge wird es erneut unübersichtlich. In der bislang ältesten Rezeptur von Jungius sind es grüne Pflaumen (Reineclauden), Kirschen und Aprikosen, später setzen sich Erdbeere, Schokolade und eine weiße, mit Maraschino-Likör (Krackhart/Bernhard) oder Vanille (Allestein) aromatisierte Schicht durch. Eine Erkenntnis darf als gesichert gelten: Schulz, Schultz oder Schulze, Knackhart, Bernhard, Allestein und Pückler dürften Tränen der Bitternis vergießen, angesichts der industriell gefertigten Pückler-Eis-Klone wie der Königsrolle oder dem Happen in Eiswaffel-Pappe. Denn wer einmal das Original probiert (hier in einer gemischten Krackhart-Bernhard-Jungius-Version) hat, wird staunen: Fürst-Pückler-Eis ist vornehm und doch deutlich, nur mit natürlichen Aromen verfeinert, zartschmelzend zergeht es im Mund. (Darum ist es auch in den Farbtönen zurückhaltender als Fürst-Pückler-Art-Eiskreationen der Industrie.) Wem auch immer wir es zuschreiben können danke sehr!

Fürst-Pückler-Eis

für 4–6 Personen
  • 300 g Schlagsahne
  • 70 g gesiebter Puderzucker
  • 50 g Mandel-Baiser (wahlweise Baiser oder Mandelmakronen)
  • 1 EL Maraschino-Kirschlikör
  • 1 EL feine Erdbeermarmelade
  • 1 EL gesiebtes Kakaopulver

Dekorieren:

  • 1 kleines Stück Vollmilchkuvertüre (ca. 20 g)
  • 50 g Schlagsahne
  • 1 TL Zucker
  • 150 g Erdbeeren
Zubereitungszeit: 33 Stunden, 55 Minuten
  1. Die Sahne cremig-steif schlagen, dabei nach und nach den Puderzucker einrieseln lassen. Baiser fein zerbröseln und unter die Sahne heben.
  2. Die Masse in gleiche Teile auf drei Schüsseln verteilen. Einen Teil der Masse mit Maraschino-Likör verrühren, den zweiten Teil mit Erdbeermarmelade, den letzten Teil mit Kakaopulver glattrühren.
  3. Die Masse in eine gerippte Eisform von ¾ Liter schichten (das geht auch in einer einfachen Kugel- oder Kastenform): zuerst die Maraschino-Masse einfüllen, dann die Erdbeermasse und mit der Kakaomasse schließen. Im Tiefkühler mindestens 3–5 Stunden frieren. Den Servierteller fürs Eis ebenfalls einfrieren.
  4. Von der Kuvertüre mit dem Sparschäler feine Locken auf einen Teller abschälen und in den Tiefkühler stellen. Sahne steif schlagen, dabei den Zucker einrieseln lassen. Sahne in einen Spritzbeutel mit Sterntülle füllen. Erdbeeren waschen, größere Beeren halbieren.
  5. Eis aus dem Tiefkühler nehmen, die Form kurz unter heißes Wasser halten, dann das Eis auf den gefrorenen Servierteller stürzen. Erdbeeren rundherum anrichten. Sahne in Tupfen aufspritzen und mit den gefrorenen Schokolocken bestreuen. Sofort servieren.
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Aus Effilee #29, Sommer 2014
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