Ein Teller von Patrick Bittner: Geangelter Saint-Pierre mit Blumenkohl, Butterbröseln und Périgordtrüffel

In einer Zeit, in der die kulinarische Diskussion von Begriffen wie Strukturalismus und Nova Regio geprägt wird, kommt einem ein Restaurant Français wie ein Anachronismus vor. Patrick Bittner beweist aber, dass man auch in einem Hotelrestaurant mit zeitgemäßer Küche überraschen kann, ohne dabei den Gast zu vergessen

Ich würde gerne mit Ihnen über den Saint-Pierre mit den Trüffeln sprechen. Das war eine schöne Überraschung, gestern Abend. Wollen Sie kurz erzählen, was auf dem Teller drauf ist?
Das Grundprodukt ist der Saint- Pierre, aber es ging für uns auch um das Thema Blumenkohl. Wir hatten sogar überlegt, ob wir das Gericht Blumenkohl polnisch nennen, wegen der Kombination mit Ei. Die Idee war, den Blumenkohl in drei Kategorien zu zerlegen: als Püree, roh gebraten und als Flan, also eine Art Riegel mit gestockter Crème fraîche. Dabei ging es darum, Texturen zu schaffen, und natürlich auch um die Optik.
Ich richte sonst eher kompakt an, aber es gibt Gäste, die lieben es, wenn alles auf dem Teller zerlegt ist. Man hat die verschiedenen Geschmackskomponenten, die Crème fraîche mit einem sehr hohen Fettanteil, das Püree, das ein bisschen dieses Schlotzige mitbringt, und für den Biss das Gebratene. Dann noch die Butterbrösel, die leicht salzig sind, um ein wenig Kontrast zu schaffen. Ich finde, das passt zum Trüffel, das ist immer eine ganz gute Kombination. Dann haben wir noch Trüffeljus, um den Bogen zu schlagen zum Trüffel und ein bisschen Beurre Blanc.
Das ist ein sehr klarer Teller.
Da ist nicht viel Bohei, von den Komponenten her eigentlich nur hell und dunkel
Da ist nicht viel Bohei, von den Komponenten her eigentlich nur hell und dunkel. Ich mag das, wenn es ganz schlicht und gerade ist und die Teller für sich sprechen. Ich finde es gerade bei Trüffelgerichten wichtig, dass sie nicht so ausufern. Die Komponenten sind klar erkennbar, sodass sich der Gast auf das Produkt konzentrieren kann.
Sie sind also mehr vom Blumenkohl ausgegangen als vom Fisch?
Der Blumenkohl ist der Aufhänger gewesen und dann habe ich überlegt, was für einen Fisch ich dazu nehme. Er darf nicht zu dominant sein, er soll das Ganze nur unterstreichen. Der Saint-Pierre ist ein sehr dankbarer Fisch, nicht zu kräftig im Eigengeschmack, er hat einen sehr feinen Ton und ist auch von der Textur her nicht zu fest. Das ist einer meiner Lieblingsfische. Man kann ihn für dieses Gericht gut portionieren, auch das ist gut, sonst habe ich ohne Ende Abschnitte.
Wie viel kriegen Sie da raus?
Aus einem Fisch? Die Saint- Pierres, die wir verarbeiten, wiegen etwa drei Kilo, was zehn bis zwölf Portionen ergibt. Manchmal ist Rogen drin, manchmal sind die Randstücke etwas schmaler, wenn man den Fisch filetiert, die schneidet man dann weg und nimmt sie für Farce. Man kann leider nicht für jeden Gast das Mittelstück nehmen, aber es sollte so aussehen. Da ist der Schnittverlust relativ hoch, deshalb haben wir in der Spitzengastronomie auch so hohe Wareneinsätze. Die Optik spielt eine große Rolle. Ich habe hier im Haus den Vorteil, dass ich vieles in eine andere Abteilung transferieren kann.

Das funktioniert?
Durchaus. Das Restaurant Français läuft zwar als eigene Kostenstelle mit eigenem Service und eigener Küche, aber mit Herrn Wamhof, dem anderen Küchenchef, kann ich ganz gut. Was bei uns am Wochenende übrig bleibt, packen wir dann in einen Wagen. Von den Mengen her sind das für die natürlich Peanuts, aber die verarbeiten die Gemüse im à la carte, Fisch geht auf die Buffets raus. Eigentlich können die mit den kleinen Mengen nichts anfangen. Aber wir müssen nichts einfrieren. Wir kaufen jeden Tag ein, just in time. Ich bestelle jede Nacht und mittags ist die Ware da. In der Woche geht das gut, aber freitags bleibt gezwungenermaßen immer etwas übrig, und das geht dann rüber, das lasse ich mir gutschreiben. Das ist einer der Vorteile in so einem Hotel.
Wie ist denn Ihr Spielraum?
Wir haben schon einen großen Spielraum. Ich kann mehr oder weniger schalten und walten, wie ich will, solange ich nicht ausflippe. Das Restaurant ist das Schaufenster des Hotels. Und das nutzt dem gesamten Unternehmen, nicht nur dem Frankfurter Hof. Deshalb lässt man mir hier einige Freiheiten.
Das ist Teil des Spiels …
Dafür habe ich aber auch gewisse Vorgaben, wo ich am Jahresende zu landen habe. Mancher denkt, unsereiner lebt wie im Schlaraffenland, aber so ist es nicht. Das ist schon ein hartes Geschäft. Stagnation wird, wie überall, nicht gerne gesehen. Man muss jedes Jahr weiterkommen. Bislang ist uns das immer gelungen, aber man merkt auch, dass die Schritte kleiner werden, dass man nicht mehr Riesenschritte macht.

Wie lange sind Sie schon hier?
Elf Jahre, man soll’s nicht glauben. Ich bin 39. Als ich hier mit 28 angefangen habe, war das schon ungewöhnlich. Mit den langen Haaren war ich der Exot. Das bin ich immer noch. Es war gar nicht geplant, dass ich so lange bleibe. Aber ich hatte hier von vornherein sehr gute Möglichkeiten, etwas zu verändern. Das hat sich dann zwar ein bisschen gezogen, aber wenn man merkt, es läuft immer besser … Wir sind erfolgreicher denn je, das sag ich meinen Jungs immer. Man hat fast Geschichte geschrieben in diesem Haus. Das freut mich natürlich. Eine bessere Plattform muss man erst mal finden.
Restaurant Français ist ein programmatischer Name, der viel vorwegnimmt. Waren Sie an der Namensfindung beteiligt, oder hieß das schon vorher so?
Der Name besteht, glaube ich, schon seit mehr als 30 Jahren.
Das heißt, Sie wussten schon, worauf Sie sich einlassen?
Bevor ich hier angefangen habe, habe ich mich natürlich ein bisschen schlaugemacht. Das war hier wirklich in einem desolaten Zustand, mit Fine Dining hatte das nichts mehr zu tun. Der Stern war weg und alle Bewertungen auch. Die Einrichtung war in British Green gehalten, dazu ein schwarzer Versace-Teppich, auf dem wahrscheinlich schon Hunderte Liter Rotwein vergossen waren …
Das ist hier doch das Stammhaus der Steigenberger Gruppe?
Ja, die Immobilie befindet sich immer noch im Besitz der Familie. Alles andere gehört einem Investor, auch die Brands. Die Familie war damals beteiligt, als ich eingestellt wurde. Das spielte auch für mich eine Rolle: Die Familie war bereit, zu investieren und meinen Vorstellungen zu folgen. Auf der Speisekarte standen damals so Sachen wie Ochsenbacke en Daube oder Boeuf Bourgignon, alles gute Gerichte, aber uninspiriert und routiniert gekocht. Ich habe gesagt: Sie müssen sich entscheiden, wenn ich komme, schneide ich alle Zöpfe ab, wirklich alle. Da haben sie gesagt: Okay, wir gucken uns das ein halbes Jahr an, wenn Sie an die Wand fahren, ist Feierabend, und wenn nicht, geht’s weiter.
Eine Woche habe ich parallel mitgearbeitet, habe mir angeguckt, was die Köche so machen. Dann war klar, dass ich mich damit nicht identifizieren kann. Ich habe das ganze System geändert, Kartensystem, Lunchsystem. Das war ein längerer Weg, als ich dachte. Wir haben uns nicht immer in der jetzigen Form präsentiert.
Wenn man heute halbwegs oben steht, mit dem Stern und den Bewertungen, finden alle toll, was man gemacht hat. Aber das kam nicht von einem Tag auf den anderen
Wenn man heute halbwegs oben steht, mit dem Stern und den Bewertungen, finden alle toll, was man gemacht hat. Aber das kam nicht von einem Tag auf den anderen. Wenn man da andere sieht, die machen auf und nach einem halben Jahr ist der erste Stern da. Die Sterneköche werden immer jünger. Wir haben ein paar Jahre gebraucht. Und es war schon schwierig. Aber jetzt gibt uns der Erfolg recht. Ich habe keinen, der das absegnet, der sagt, ob man das so macht oder anders. Ich führe das Restaurant, als wäre ich selbständig.
Sie waren vorher bei Dieter Müller.
Das war eine der prägenden Stationen. Da war ich ein Jahr lang, bevor ich hier angefangen habe. Ich wollte noch mal drei Sterne mitnehmen. Bei Dieter Müller ging’s mir gar nicht mehr ums Kochen, wobei ich natürlich sehr, sehr viel von ihm gelernt habe – er ist sehr detailverliebt, sehr farbenfroh auf dem Teller. Interessant war aber vor allem, wie er seine Brigade führte, das Zwischenmenschliche. Da muss man sagen: Chapeau! Er hat eine Gabe, die Leute nicht streng anzufassen, aber trotzdem laufen alle in der Spur. Das ist eine Kunst.
Ist das auch Ihre Philosophie?
Ich denke schon. Ich kann die Leute motivieren, ohne dass sie viel arbeiten müssen. Ich verfalle nicht in Schreierei oder Fäkalsprache, sondern bleibe ruhig und sachlich. Ich bin auch mal aufbrausend, aber die Kunst ist, Tempo zu nehmen und Tempo zu geben. Das bringt einen zum Ziel. Dieter Müller konnte das wirklich perfekt.
Der Name Restaurant Français beinhaltet auch eine gewisse Erdung …
Ich muss zugeben, der Name spielt mir schon in die Karten. Für das ganz Moderne bin ich der falsche Koch. Wir versuchen, einen Bogen zu schlagen. Für mich ist es wichtig, dass ein oder zwei Gerichte am Tisch tranchiert werden. Das muss sein. Auch solche Sachen wie Dessert- und Käsewagen gehören dazu. Da verpflichtet auch der Name. Man kann nicht zu exotisch kochen oder zu modern, sondern muss den Spagat schaffen. Wir haben manche Gerichte wie jetzt den Saint-Pierre, der vielleicht etwas moderner wirkt, aber auf klassischer Basis gekocht wird. Das macht die Küche aus. Und wir haben immer etwas Geschmortes auf der Karte.
Und Ihre Gäste gehen mit?
Na ja, es gibt auch Gäste, die tun sich schwer. Ich habe oft Leute, die Filetsteak oder gemischte Salate bestellen. Salzkartoffeln und Rahmspinat. Das gehört in so einem Haus dazu, dem darf man sich nicht verschließen.
Man muss hier immer sehen, dass ein Gast, der mittags kommt und ein Schnitzel will, vielleicht zwei Tage später abends mit sechs Personen kommt und ein großes Menü isst. Ich will auch nicht erhaben sein, als wäre ich der große Zampano, und sagen: Ich koche das Gericht nur so, wie es da steht. Wenn der Gast das nicht mag … Klar stört mich das – aber was soll ich machen? Er soll zufrieden rausgehen. Die Speisekarte heißt bei uns trotzdem La Carte Humeur du Chef, also nach meiner Laune!

Geangelter Saint-Pierre mit Blumenkohl, salzigen Butterstreuseln und Périgord-Trüffel

Für 4 Personen

Blumenkohlpüree

  • 300 g Blumenkohl, roh
  • 200 ml Sahne
  • 80 g Butter
  • etwas Salz, Pfeffer

Gestockter Blumenkohl

  • 300 g Blumenkohl, gekocht
  • 300 g Crème fraîche
  • 120 g Eigelb
  • 20 g Mondamin
  • etwas Salz, Pfeffer, Zitrone

Gebratener Blumenkohl

  • 150 g Blumenkohl, roh
  • 3 EL Olivenöl
  • 1 EL glatte Petersilie, gehackt
  • etwas Salz, Pfeffer, Muskat

Saint-Pierre

  • 1 Filet vom Saint-Pierre
  • 4 EL Olivenöl
  • etwas Salz, Pfeffer
  • 1 kleiner Thymianzweig

Garnitur

  • gehacktes Eigelb
  • Kresse
  • Périgordtrüffel
  • Butterbrösel
  • Trüffeljus und Fischsauce zum Anrichten

Blumenkohlpüree

  1. Blumenkohl in Salzwasser blanchieren. Mit der Sahne den Kohl weich kochen.
  2. Im Mixer mit der Butter fein pürieren.
  3. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Gestockter Blumenkohl

  1. Blumenkohl, Crème fraîche, Eigelb und Mondamin im Mixer fein pürieren, mit Salz, Pfeffer sowie Zitrone abschmecken.
  2. Durch ein Sieb passieren.
  3. Masse in ein mit Klarsichtfolie ausgelegtes Gefäß füllen.
  4. Im Ofen bei 90 Grad im Dampfgarer ca. 1 Stunde garen.

Gebratener Blumenkohl

  1. Blumenkohl in Olivenöl goldbraun anbraten.
  2. Kohl mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken. Petersilie hinzufügen.

Saint-Pierre

  1. Filet in 4 Stücke teilen.
  2. Fischfilet mit Salz und Pfeffer würzen. In einer Pfanne von beiden Seiten anbraten.
  3. Thymian zugeben und im Salamander zu Ende garen.

Anrichten

  1. Das Dreierlei vom Blumenkohl auf einen länglichen Teller punktuell verteilen.
  2. Fischfilet ansetzen und mit gehobeltem Trüffel garnieren. Das Eigelb, die Kresse und Butterbrösel darauf verteilen.
  3. Alles mit Trüffeljus und Fischsauce beträufeln.
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Aus Effilee #16, Mai/Jun 2011
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