Vicki Scholefield wurde in Glasgow geboren und ist seitdem unterwegs. Als sie ein Jahr alt war, zog sie mit ihren Eltern in das damalige Rhodesien, das jetzige Simbabwe. Andere Menschen werden spätestens dann sesshaft, wenn sie heiraten, doch für Vicki ging das unstete Leben danach erst richtig los: Mit ihrem Mann, der rund um die Welt für Caterpillar arbeitet, lebte sie in den vergangenen elf Jahren in fünf verschiedenen Ländern: Finnland, Spanien, Griechenland, Singapur und nun Deutschland. Sie kocht heute die schottische Hühnersuppe Cock-a-Leekie, was bedenklich klingt, aber nichts weiter heißt als Hähnchen mit Lauch.
Die erste Station ihres berufsbedingten Nomadendaseins war Finnland. »Das war natürlich bescheuert. Alle, die aus Schottland weggehen, ziehen in den Süden, wo es wärmer ist. Nur wir mussten unbedingt irgendwo hinziehen, wo es noch kälter ist. Ich habe versucht, Finnisch zu lernen, aber das ist eine verdammt schwierige Sprache. Ich konnte irgendwann ‚bitte‘, ‚danke‘ und ‚hallo‘ sagen, doch selbst ‚ja‘ und ‚nein‘ ist ein Problem. ‚Ei‘ heißt ‚nein‘, aber wir Schotten sagen ‚aye‘, wenn wir ‚ja‘ meinen. Da habe ich beschlossen, lieber langsamer Englisch zu sprechen. Damit kommt man auch überall durch.« Bevor Vicki mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern Haley und Phoebe nach Deutschland kam, lebte sie in Singapur. »Das ist ein strenges Land. Jeder, der auf die Straße spuckt, wird hart bestraft. Andererseits ist es dort natürlich schön sauber.«
Während sie erzählt, versucht Vicki die Küchenwaage mit der Batterie aus dem Rauchmelder zu bestücken. »Ich kann nicht gut schätzen, also muss ich zusehen, dass ich das Ding in Gang kriege. Für die Suppe brauche ich das nicht, aber ich backe auch noch ein paar Scones. Und das kann ich nicht ohne Waage.«
»Cock-a-Leekie ist ein ganz traditionelles schottisches Gericht, das heute allerdings kaum noch gekocht wird.« Ursprünglich war Cock-a-Leekie ein kostengünstiger Weg, eine ganze Familie sattzumachen. »Das war ein echtes Arme-Leute-Essen, eine richtig dicke Suppe mit Kartoffeln und allem drum und dran. Ich koche heute aber eine nicht ganz so reichhaltige Variante.«
Demnächst fährt Vicki zu einer Hochzeit in Schottland, erzählt sie, während sie den Speck mit einer Küchenschere in schmale Streifen schneidet. »Aber es ist nur eine kleine Feier. Keine dieser schottischen Hochzeiten, bei denen man drei Tage lang trinkt und dann zwei Wochen verkatert ist.« Der Bräutigam kommt aus Glasgow, die Braut aus Edinburgh. »In Schottland nennen wir das eine Mischehe. Es gibt immer noch eine Menge Rivalität zwischen den beiden Städten. Glasgow ist nur deshalb nicht Schottlands Hauptstadt geworden, weil es dort kein Schloss auf einem Hügel gibt.«
Vicki halbiert und hackt vier Lauchstangen. »Das wirkt, als wäre es relativ viel Lauch, aber es ist wichtig, dass es eine dicke, nahrhafte Suppe wird.« Zuerst brät sie die Hühnerbeine in etwas Butter an. »Man kann auch ein ganzes Huhn nehmen. Früher hat man genommen, was man bekam, je günstiger desto besser. Innereien geben natürlich viel Geschmack. Ich habe mich aber für eine saubere Lösung entschieden und nehme nur ein paar Hühnerbeine. Damit es kräftiger wird, gebe ich noch etwas fertige Hühnerbrühe dazu.« Wenn das Huhn leicht gebräunt ist, kommt der Speck dazu. Dann folgt der Lauch und schließlich die Hühnerbrühe.
»Wichtig sind die Backpflaumen, die hätte ich jetzt fast vergessen«, sagt Vicki und gibt eine handvoll Früchte in den Topf. »Ich mag die zwar nicht, aber sie gehören unbedingt dazu. Die könnt ihr dann essen.« Aus einer Plastikdose holt sie einen kleinen Stoffbeutel: »In den meisten Rezepten heißt es, man soll für das Bouquet Garni die Gewürze in eines der äußeren Lauchblätter legen und es zubinden. Das klappt aber nie. Ich hab mir fertige Bouquet Garni aus Singapur mitgebracht, die hübsch und ordentlich abgepackt sind.«
Während die Suppe vor sich hin köchelt, widmet sich Vicki den Scones. Sie mischt 225 g Mehl mit einem Päckchen Backpulver, etwas Salz und 50 g Margarine ganz langsam mit den Händen, bis die Mischung an feine Brotkrümel erinnert. Danach werden 25 g Zucker eingearbeitet, zuletzt kommen 150 ml Buttermilch hinzu. »Buttermilch funktioniert besser als Milch. Der Teig wird damit lockerer und geht besser auf.« Der Teig wird zu einer langen Rolle geformt, von der knapp 3 cm dicke Scheiben abgeschnitten werden. Die kommen dann für etwa 10 bis 15 Minuten auf einem Blech in den Ofen. »Das Backen habe ich von meiner Großmutter gelernt. Ich musste auch schon relativ früh für meine Schwester und mich kochen, weil meine Mutter gearbeitet hat.«
Während die Scones im Ofen langsam goldbraun werden, nimmt Vicki die Hühnerbeine aus dem Topf und lässt sie abkühlen. Das Fleisch pult sie ab und gibt es zurück in den Topf. Der fruchtige Geschmack der Backpflaumen bildet einen schönen Kontrast zu dem Huhn und dem Lauch. Und die Suppe gibt Kraft für kalte Wintertage. Wenn dann noch Platz im Magen ist, lässt der sich trefflich mit warmen Scones mit Butter und Marmelade füllen.
Cock-a-Leekie
- 25 g Butter
- 6 Hühnerunterschenkel
- 6 Stangen Lauch (gewaschen, der Länge nach halbiert und gehackt)
- 4 Scheiben durchwachsener Speck
- 2 l Hühnerbrühe
- 1 Bouquet Garni (Thymian, Lorbeerblatt, Petersilie)
- 8 Backpflaumen
- Salz, Pfeffer, frische Petersilie
- Butter in einem großen Topf bei moderater Hitze schmelzen lassen. Anschließend die Hühnerschenkel anbraten, bis sie anfangen, braun zu werden. Speck dazugeben, für einige Minuten mitbraten, dann den Lauch dazugeben. Wenn der Lauch weich wird, die Hühnerbrühe angießen und zum Kochen bringen. Wenn die Suppe einige Minuten gekocht hat, die Hitze herunterdrehen. Den Schaum abschöpfen.
- Backpflaumen, Bouquet Garni, Salz und Pfeffer hinzufügen. Etwa eine Stunde sanft vor sich hin köcheln lassen, gelegentlich umrühren. Nach einer Stunde die Hühnerbeine aus der Suppe nehmen und abkühlen lassen. Das Bouquet Garni entfernen. Hühnerfleisch von Knochen und Haut trennen und zurück in die Suppe geben. Mit frischer Petersilie servieren.