Puchero de Gallina

Huhn, Kartoffeln, Mais, Lauch und Kürbis bilden die klassischen Zutaten für diese Hühnersuppe namens Puchero de Gallina aus Argentinien.

Martha Ergo de Michaelis ist mitten in der Pampa aufgewachsen – nicht in der sprichwörtlichen, sondern in der echten. Ihre Kindheit verbrachte die 45-Jährige in einem kleinen Dorf in der weiten argentinischen Ebene. Mit 15 sagte sie ihrer Mutter, dass sie mehr von der Welt sehen wolle als bis zum Horizont reichendes Grasland, dessen höchste Erhebungen die darauf weidenden Rinder sind. So kam sie 1979 als Austauschschülerin nach Eckernförde.

Martha Ergo de Michaelis, 45, aus Argentinien, kocht Puchero de Gallina

Eckernförde ist nicht der Ort, an den ein Deutscher als Erstes denkt, wenn er »weite Welt« hört. Es ist eher eine Ortschaft, die ihm bei dem Wort Pampa einfällt. Doch für Martha war die Kleinstadt im hohen Norden etwas vollkommen Neues. Und sie war Grund genug, während des Studiums nach Deutschland zurückzukommen, wo sie in ihrer damaligen Wohngemeinschaft ihren heutigen Mann Hago kennenlernte. »Eigentlich heißt er Hans-Gottfried. Aber der Name ist doch eine Strafe«, sagt Martha. Zum ersten Mal gesehen hat sie Hago beim Abwaschen, als er versuchte, das Chaos in der WG-Küche zu verringern. 21 Jahre ist das nun her. Ihr gemeinsamer Sohn Mathias ist inzwischen 14, die Tochter Valentina 16. Sie macht jetzt den gleichen Schüleraustausch, den Martha vor 30 Jahren gemacht hat. Allerdings in die andere Richtung.

Wie die meisten Argentinier ist Martha mediterraner Herkunft: mütterlicherseits italienisch, väterlicherseits spanisch. Die italienische Großmutter stand ab sieben Uhr morgens in der Küche. »Eine Frau, die um halb zwölf anfängt, eine Sauce zu kochen? Das kann doch nichts werden!«, pflegte sie zu sagen. »Essen war für uns immer etwas Großartiges«, sagt Martha. Die gemeinsamen Mahlzeiten standen im Mittelpunkt des Familienlebens und fanden nie unter Zeitdruck statt. Alle anderen Aktivitäten hatten sich unterzuordnen.

Im Kräutergarten findet sich alles Nötige. Nur die Lorbeerblätter bringt Martha immer aus Argentinien mit

Martha arbeitet bei der dpa und als Spanisch-Übersetzerin für ein LKW-Magazin. »Da hatte ich zuerst Bedenken. LKWs interessieren mich nicht wirklich, außerdem gibt es doch dieses Klischee über Frauen und Technik. Und dann ausgerechnet ein Magazin für LKW-Fahrer. Und für Spanier. Da kam eigentlich alles zusammen, was es für eine Frau schwer machen könnte. Aber ich arbeite dort jetzt schon viele Jahre und es macht mir Spaß.« Hago ist Pastor, die Wohnung befindet sich über dem Gemeindehaus und hat eine große, von außen nicht einsehbare Dachterrasse. Genug Platz für einen großen Tisch, einen echt männlichen Grill und einen Kräutergarten, in dem sich alles Nötige findet. Nur die Lorbeerblätter bringt Martha immer aus Argentinien mit: »Die wachsen hier einfach nicht so gut«, sagt sie und holt ein Glas mit beeindruckend großen Lorbeerblättern aus dem Küchenschrank. Puchero de Gallina, Hühnerfleisch mit Gemüse, steht auf dem Speiseplan.

Martha legt zwei Hühnerbrusthälften und zwei Keulen in einen großen Topf. »Normalerweise hätte ich vier Brusthälften genommen, aber ich habe keine mehr mit Haut bekommen. Und etwas Haut sollte dabei sein, wegen des Geschmacks.« Dann kommen Lorbeerblätter, frische Petersilie, Salz und ordentlich Pfeffer dazu. Martha gießt so viel Wasser in den Topf, dass die Zutaten gerade eben bedeckt sind. »Jetzt kann man noch etwas Instantbrühe für den Geschmack dazugeben«, sagt Martha. Während die Suppe kocht, bereitet sie die anderen Zutaten vor. »Eigentlich kann alles in die Suppe, was in der Küche ist. Aber ich mache heute die klassische Variante mit Kartoffeln, Mais, Lauch und Kürbis.«

Martha legt die geschälten Kartoffeln in die Suppe. »Ich finde, die Deutschen backen tolle Kuchen, die mag ich sehr!«, erzählt Martha, während sie die Maiskolben halbiert. »Aber ich bin beim Kochen eher der Typ für herzhafte Sachen.« Sie legt den Mais in die Suppe. »In ein paar Minuten kommt der Lauch dazu und ganz zum Schluss der Kürbis, der ist ohnehin recht weich.« Auf der Dachterrasse herrschen geradezu argentinische Temperaturen, allerdings bei norddeutscher Luftfeuchtigkeit. Der Schirm über dem Tisch schützt ebenso vor möglichem Regen wie vor der Sonne. Auf dem Tisch steht nach südamerikanischer Sitte eine Rotweinschorle. »In höheren Konzentrationen kann man den Alkohol bei den dortigen Temperaturen nicht gut vertragen.« Beim Essen fischt sich jeder aus dem Suppentopf, worauf er Lust hat. Die Suppe selbst bleibt übrig. Darin kocht man am nächsten Tag Reis, so wird die Familie nochmal satt. In der Mitte des Tisches stehen Essig, Öl, Salz, Pfeffer, Mayonnaise und Senf. Jeder nimmt sich, was ihm schmeckt. »Man kann Puchero de Gallina sowohl kalt als auch warm essen. Je nachdem, wie heiß es draußen ist.«

Inzwischen hat sich Hago mit an den Tisch gesetzt. »Die Argentinier«, erzählt er, »reden eigentlich immer übers Essen. Wir waren einmal in einem Naturpark mit einer beeindruckenden Landschaft und Tieren, die man sonst nie sieht. Wir standen vor einem Gürteltier, und alle waren vollkommen gebannt und sprachlos. Nur hinter uns standen zwei Männer, die sich über die besten Zubereitungsmethoden für Gürteltiere unterhielten. Das waren Argentinier.«

Puchero de Gallina

Für 4 Personen
  • 2 Hühnerbrüste mit Knochen
  • 8 mittelgroße Kartoffeln
  • 4 Maiskolben
  • 2 Lauchstangen
  • 4 Scheiben Hokkaido-Kürbis
  • 2 l Gemüsebrühe

zum Anrichten:

  • Olivenöl, Essig, Salz, Pfeffer,
  • Mayonnaise, Senf
  1. Das Fleisch in der Brühe etwa 20 Minuten kochen. Die ganzen, geschälten Kartoffeln dazugeben, 10 Minuten mitkochen. Den grob geschnittenen Lauch und die Kürbisstücke mit Schale hinzufügen. Weitere 10 Minuten kochen lassen. Anschließend das Fleisch vom Knochen lösen und in den Topf zurückgeben.
  2. Am Tisch nimmt sich jeder aus dem Topf Hühnerbrust und Gemüse ohne Brühe und dazu nach Belieben Essig, Öl, Salz, Pfeffer, Mayonnaise und Senf.
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Aus Effilee #20, Frühling 2012
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