Herr Sackmann, Sie hatten eine nette Anekdote zu diesem Gericht …
Der Fisch wird ja in die Eukalyptusrinde eingepackt und dann mit dem Gasbrenner bearbeitet, bis er pechschwarz ist. Herr Dollase hat in der FAZ geschrieben, das sehe aus, wie ein Küchenunglück, wo aber ein ganz tolles Ergebnis dabei herauskommt. Und dann kamen gleich am nächsten Tag Gäste und wollten unbedingt das Küchenunglück bestellen, und wir hatten es an dem Tag gar nicht auf der Karte. Das war aber kein Problem, wir haben es trotzdem gekocht.
Wir haben für dieses Gericht fünf bis sechs Kohlsorten probiert
Wie kamen Sie auf die Idee?
Nun, ich habe das Gericht für eine Veranstaltung im Jahr 2008 entwickelt, die Vive las Verduras. Das ist der Internationale Gemüsekongress in Pamplona. Da war ich zusammen mit Joachim Wissler und Christian Lohse der dritte deutsche Koch. Und mein Thema war Kohl, Interpretation eines einfachen Gemüses. Für mich war eine ganz wichtige Frage, welcher Kohl geeignet wäre. Bei der Veranstaltung waren auch Leute wie Ferran Adrià und Martín Berasategui, da war es mir schon wichtig, dass alles richtig funktioniert. So habe ich dann tatsächlich alle Kohlsorten mal getestet. Ich habe meinem Lieferanten, dem Rungis Express, Bescheid gesagt, und kurz darauf habe ich fünf bis sechs Sorten Kohl auf dem Tisch gehabt.
Die haben Sie dann alle durchprobiert?
Ja, wir wollten ja den Lachs damit einwickeln, und bei manchen Sorten sind die Blätter so dick, die wickeln sich von selber wieder auf. Das ging alles nicht so richtig. Dann kam jemand und sagte: »In der Pfalz, da gibt es einen Jaromakohl«, da hab ich in der Literatur nachgeschaut und gesehen, ja, das ist eine alte Kohlsorte, die wurde erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt.
Wodurch zeichnet der sich aus?
Der hat eine milde, aromatische Struktur, also die Blätter sind aromatisch, aber eben auch zart.
Noch zarter als ein Spitzkohl?
Ja, und er verkocht nicht. Normalerweise kocht man Kohl und kocht ihn und irgendwann wird er total weich. Der Jaromakohl hat eine ganz kurze Garzeit und behält einen leichten Biss, ist aber gleichzeitig sehr zart. Dann haben wir noch eine Kohlpaste hergestellt, in die wird der Lachs eingehüllt, und dann kommt der Jaromakohl drum und der wird dann eingepackt in die Eukalyptusrinde, die setzt ätherische Öle frei beim Anbrennen.
Beim Eukalyptus kommt dann schon eine, wie ich finde, Sackmann-typische Verspieltheit zum Tragen …
Zuerst hatte ich daran gedacht, den Kohl einfach zu räuchern, aber das war mir zu intensiv, selbst wenn man kalt räuchert, bei drei Grad oder so. Dann habe ich bei einem gesehen, der hat die Pinienzapfen genommen, das, was übrigbleibt, wenn man die Pinienkerne rausnimmt. Der nimmt die ganzen Zapfen, kocht sie aus, trocknet sie und stellt daraus eine Räuchersubstanz her, um seinen Lachs zu räuchern. Das hat mich fasziniert, und ich habe überlegt, was ich wohl nehmen könnte, um dem Lachs noch so ein Aroma mitzugeben.
Und dann sind Sie auf den Eukalyptus gekommen?
Zunächst war ich eher skeptisch, denn Eukalyptus riecht für mich ehrlich gesagt furchtbar, nach Hustenbonbon halt. Diese Technik mit der Rinde hat damit aber nicht viel zu tun. Die glimmt nur und hinterlässt ein ganz leichtes, zartes Aroma, genau richtig für dieses Gericht. Mir geht es dabei gar nicht darum, das im Restaurant mit viel Effekt zu präsentieren, sondern wichtig ist, wie es auf dem Teller wirkt: Wie erreiche ich bei diesem Gang das beste Aroma? Der Sud – wir bereiten da einen richtigen Auszug – ist sehr mild gehalten, schmeckt aber deutlich nach Kohl. Die Berberitzen bringen Säure mit rein, das ist wie Zitrone, knusprige Kartoffeln und dazu der Fisch mit dem Kohl und dem interessanten Aroma von der Eukalyptusrinde.
Der Fisch ist auch nur durch die glimmende Rinde gegart?
Man versucht natürlich, die neuen Techniken alle auszuprobieren, aber ich bin nicht nur ein Fan vom Niedertemperaturgaren. Beim Garen entsteht ja auch Aroma, und wenn alles nur niedrig gegart ist, dann ist es irgendwie schlabbrig und weich, und das muss nicht sein. Der Lachs ist relativ schnell und kurz gegart, durch den Brenner, mit dem die Rinde entzündet wird, und dann zieht er noch ein bisschen nach.
Wichtig ist mir nur, dass er die richtige Temperatur hat, wenn er beim Gast auf dem Tisch ist
Ich lasse ihn relativ roh und schneide ihn auf dem Teller. Wichtig ist mir nur, dass er die richtige Temperatur hat, wenn er beim Gast auf dem Tisch ist. 25 Grad soll er haben. Auf dem Weg von der Küche zum Gast bekommt er exakt die richtige Konsistenz.
Sockeye Wildlachs mit Jaromakohl in Eukalyptusrinde gebraten auf Berberitzen-Kartoffelsud
Für 4 Personen
Berberitzen-Kartoffelsud
- 100 ml Weißwein
- 100 ml Portwein
- 1 EL Zucker
- 20 g Berberitzen
- 700 g Jaromakohl
- 600 ml Geflügelfond
- 600 ml Wasser
- 3 Zweige Thymian
- 1 Messerspitze Melange blanc
- 1/3 TL Panch phoron
- 1 TL Koriandersamen
- 1 Messerspitze Kümmel
- 1 Messerspitze Anis
- 250 g Kartoffeln
- 1 EL schwarzer Sesam
- Meersalz, Pfeffer
- 100 ml Olivenöl
- Weißwein mit Portwein und Zucker erwärmen und die Berberitzen darin über Nacht einweichen.
- 600 g Jaromakohl putzen und den Strunk entfernen. Zusammen mit dem Geflügelfond, Wasser, dem Thymian und den Gewürzen zum Kochen bringen. Von der Kochstelle nehmen und mindestens 6 Stunden ziehen lassen. Den so erhaltenen kräftigen Kohlfond passieren, 800 ml abmessen und auf die Hälfte reduzieren.
- Die Kartoffeln schälen, in Scheiben hobeln und in sehr feine Würfel schneiden. Den restlichen Jaromakohl putzen und ebenfalls in feine Würfel schneiden. Zum Schluss erst die Kartoffeln, danach die Kohlwürfel in den Fond geben. Die eingeweichten Berberitzen und schwarzen Sesam einrühren, mit etwas Salz und Pfeffer abschmecken und mit Olivenöl binden.
Sockeye Wildlachs
- 600 g Wildlachsfilet (aus dem Mittelstück)
- 1 EL Olivenöl
- 1 EL violetter Senf
- Meersalz, weißer Pfeffer
- Das Wildlachsfilet in 2 Teile schneiden.
- Olivenöl mit Senf, Salz und Pfeffer mischen und den Fisch damit 15 Minuten marinieren.
Jaromakohlpaste
- 430 g Jaromakohl
- 60 g Zwiebel
- 2 EL Öl
- 4 EL Estragonessig
- 1 Messerspitze Garam masala
- 1 Messerspitze Raz el hanout
- 1 Messerspitze Piment d’Espelette
- 20 ml Olivenöl
- 50 ml Rapsöl
- Meersalz, Melange blanc (Gewürzmischung)
- 300 g Jaromakohl putzen, entsaften und 100 ml Saft abmessen. Den restlichen Jaromakohl putzen und in feine Würfel schneiden.
- Die Zwiebel schälen, in feine Würfel schneiden und in Öl glasig anschwitzen. Die Kohlwürfel zugeben, mit Essig sowie dem Kohlsaft ablöschen und weich dünsten. Die Flüssigkeit nahezu vollständig reduzieren.
- Die Gewürze zugeben und mit den Ölen in einer Küchenmaschine fein mixen, bis eine homogene Masse mit schönem Glanz entsteht. Mit Salz und Melange blanc abschmecken.
Jaromakohl in Eukalyptusrinde
- 1 bis 2 Jaromakohlköpfe
- Meersalz
- Jaromakohlpaste
- 2 Blätter Eukalyptusrinde
- 2 EL Öl
- Die Kohlköpfe putzen. Die Außenblätter in reichlich Salzwasser blanchieren, in Eiswasser abschrecken und zum Trocknen auf Küchentüchern ausbreiten. Den Strunkansatz herausschneiden und würzen.
- Mit der aromatischen Jaromakohlpaste einstreichen, den marinierten Lachs auflegen und gleichmäßig einrollen. Jetzt die Kohlrouladen in die Eukalyptusrinde einschlagen und seitlich verschließen. Die Eukalyptusrolle in eine aufgeheizte Pfanne mit Öl geben und von allen Seiten anbraten.
- Mit einem Gasbrenner das Eukalyptusholz von allen Seiten anbrennen, so dass eine Glut entsteht. Im vorgeheizten Backofen bei ca. 200 Grad Ober- und Unterhitze ca. 3-5 Minuten garen. Der Wildlachs darf nur 25 Grad warm werden.
Anrichten
- Die Rinde aufrollen, die Kohlroulade herausnehmen, aufschneiden und mit dem heißen Kohl-Kartoffelsud anrichten.
Aus Effilee #5, Jul/Aug 2009