Lobiani und Chatschapuri

Ein Rezept für Teigtaschen aus Georgien von Thea Korol

Die Wände in der Wohnung von Thea und Mischa Korol sind über und über mit alten Bildern bedeckt: Fotos aus den frühen Tagen des vergangenen Jahrhunderts und Gemälde in allen Formen und Größen. »Die haben wir im Laufe der Jahre zusammengekauft, auf Flohmärkten oder wo immer wir welche gefunden haben«, erzählt Thea, während Mischa im Wohnzimmer versucht, ihre Tochter Sophie zu bewegen, ihr Mittagessen aufzuessen.

In der Küche steht eine Schüssel, die mit einem Handtuch bedeckt ist. »Den Hefeteig habe ich schon mal vorbereitet, das würde sonst zu lange dauern. Es ist ein ganz normaler Hefeteig, nur dass ich Buttermilch benutze statt normaler Milch. Dadurch wird er lockerer.« Thea wird uns heute georgische Teigtaschen backen, Lobiani und Chatschapuri, die eine mit Bohnenpaste, die andere mit einer Käsefüllung. »Dafür benutzt man eigentlich Sulguni, einen georgischen Käse, aber den gibt es hier nicht. Ich kaufe stattdessen Halloumi vom Türken und Mozzarella und mische beides zu etwa gleichen Teilen zusammen, je nachdem, wie salzig der Halloumi ist. Die Mischung sollte am Ende leicht salzig sein, aber der Käse sollte auch ordentlich ziehen, wenn man abbeißt.«

»Das Eigelb benutze ich nachher, um den Teig damit einzupinseln. Dadurch bekommt er eine schöne Farbe und wird weicher.«

Den Käse hat Thea mit den Händen zerbröselt beziehungsweise zerrupft und in eine Schüssel gelegt. Dazu gibt sie ein Eiweiß und salzt ein wenig nach. »Das Eigelb benutze ich nachher, um den Teig damit einzupinseln. Dadurch bekommt er eine schöne Farbe und wird weicher.« Die roten Bohnen für die Lobiani würzt Thea mit Chmeli Suneli. »Das ist eine georgische Würzmischung mit gemahlenen Koriandersamen, Dill, Basilikum, Estragon und anderen Gewürzen. Meine Großeltern haben auch noch zerlassenen weißen Speck zu den Bohnen getan, aber den lasse ich meist weg.« Sie zerreibt etwas Bohnenkraut zwischen ihren Handflächen und verteilt es in der Schüssel. »Zu Hause gab es meistens weiße Bohnen, aber ich mag die roten lieber.« Die Bohnen werden mit dem Pürierstab zu einer Paste zerkleinert. Sophie hilft beim Teigausrollen. »Sie macht das immer gerne. Ich glaube, sie wird mal eine bessere Bäckerin als ich.«

Vor gut 10 Jahren haben sich Thea und Mischa auf der Vernissage eines gemeinsamen Freundes kennengelernt. »Wir streiten uns immer, ob das im Dezember 98 oder im Januar 99 war. Aber ich weiß es besser: Es war 1998.« Thea ist in Tiflis aufgewachsen, der Hauptstadt Georgiens, Mischa kommt aus Moskau. Sie ist Diplom-Soziologin, arbeitet heute aber für eine Weinhandlung. »Das hat sich so ergeben, als Sophie geboren wurde. Ich wollte danach wieder arbeiten, aber nicht gleich den ganzen Tag.« Irgendwann möchte sie zurück in die Soziolgie, aber nicht sofort. Mischa ist Architekt und malt in seiner Freizeit.

»Da gibt es in Georgien ganz klare Regeln. Wenn man 28 Falten hinbekommt, ohne dass der Teig reißt, ist man ein Profi.«

Thea rollt den Teig aus und hält ihn gegen das Licht. »So kann man gut testen, ob er dünn genug ist – man muss ein wenig hindurchschauen können.« Auf dem einen Teigrund verteilt Thea die Käsemasse, auf dem anderen die Bohnenpaste so, dass jeweils noch ein paar Zentimeter Rand übrigbleiben. »Um die richtige Menge zu schätzen, braucht man Erfahrung. Etwa zwei Esslöffel sind gut, nein, das sind zu wenig. Drei.« Dann zieht sie eine Seite des Teigs nach oben und holt nach und nach die anderen Seiten hinzu, bis sie sozusagen ein Zelt hat, dass sie dann flachdrückt. »Da gibt es in Georgien ganz klare Regeln. Wenn man 28 Falten hinbekommt, ohne dass der Teig reißt, ist man ein Profi.«

Nach ihrem Studium kam Thea nach Deutschland. »Das klingt vielleicht kitschig, aber ich habe als junges Mädchen immer die Bücher von Hermann Hesse und Thomas Mann gemocht und wollte sie im Original lesen. Außerdem hat mein Großvater vor dem Krieg eine Weile in Deutschland gelebt. Und mein Vater hat Philosophie an der Universität in Tiflis gelehrt, da gab es auch immer wieder Verbindungen zu Deutschland.«

Der Ofen ist auf 190 Grad Ober- und Unterhitze vorgeheizt. Thea bestreicht die Taschen mit Eigelb und schiebt sie auf dem Blech auf der mittleren Schiene in den Ofen. »So, jetzt muss ich den Pinguin einstellen.« Der Pinguin ist eine antarktisbewohnerförmige Küchenuhr, die auf 15 Minuten gestellt wird.

Ein amerikanischer Soziologe, der bei meiner Familie zu Gast war, meinte: Ihr braucht keine Psychoanalytiker, ihr habt eure Tafel.

»Essen ist ganz wichtig in Georgien. Da sitzt immer die ganze Familie am Tisch, und es wird über alles geredet. Ein amerikanischer Soziologe, der bei meiner Familie zu Gast war, meinte: Ihr braucht keine Psychoanalytiker, ihr habt eure Tafel. Es ist auch völlig normal, abends bei Freunden vorbeizugehen. Deshalb haben alle immer genug zu Essen da. In Georgien heißt es: Ein Gast ist ein Geschenk Gottes. Wenn in Deutschland jemand unangemeldet zu Besuch kommt, fragt man dagegen: ‚Ist alles in Ordnung? Geht’s dir nicht gut?‘«

Der Pinguin bimmelt, Thea schaut in den Ofen. »Die braucht noch ein bisschen.« Sie reibt Mohrrüben für einen Salat und drückt Mischa einen Mörser mit Walnüssen in die Hand. »Das ist ein typischer georgischer Salat. Mit Mohrrüben, gemörserten Walnüssen, Knoblauch, scharfem Paprikapulver, Salz, Essig, Chmeli suneli und etwas zerstoßenen Koriandersamen. Koriander ist ein ganz wichtiges Gewürz in Georgien.«

Den Teigtaschen werden noch einige Minuten im Ofen gegönnt, dann landen sie auf dem Tisch. Mischa kehrt mit den Walnüssen in die Küche zurück. Thea schaut überrascht auf. »Was? Schon fertig?« Sie inspiziert den feingemahlenen Inhalt des Mörsers. »Und dann auch noch so gut! Toll, danke!«

Der Käse der Chatschapuri zieht wie versprochen leicht salzig zwischen Mund und Teig. »Die kann man gut als zweites Frühstück essen«, erzählt Thea. »Oder als warme Vorspeise. Beide Teigtaschen kann man übrigens auch mit Blätterteig backen, wenn man keine Lust oder keine Zeit für einen Hefeteig hat.« Die Bohnenfüllung der Lobiani bekommt durch die Koriandersamen und das Bohnenkraut einen frischen Gartengeschmack, genau wie der Karottensalat. Ein Geschmack, der einen in eine imaginierte Kindheit entführt, in der man von einer freundlichen georgischen Großmutter mit Teigtaschen gefüttert wurde.

Lobiani und Chatschapuri

für 4 Personen
  • 500 g Mehl
  • 1 Päckchen Trockenhefe
  • ca. 250 ml lauwarmes Wasser
  • 150 ml lauwarmen Kefir oder Buttermilch
  • 1 Prise Zucker
  • 100 g Halloumi
  • 100 g Mozzarella
  • 1 Ei
  • 2 Dosen rote Bohnen
  • Bohnenkraut
  • Chmeli Suneli (georgische Würzmischung mit Koriandersamen, Dill, Estragon, Thymian, Majoran, Lorbeer, Pfeffer und Bohnenkraut)
  • Salz
  • Koriander
  1. Das Mehl sieben und mit Zucker, Salz und Hefe vermischen, dann das Wasser und die Buttermilch dazugießen. Teig kneten und zugedeckt ungefähr 1 Stunde gehen lassen, bis sich das Volumen etwa verdoppelt hat. Teig noch einmal kurz durchkneten und etwa 20 Minuten gehen lassen.
  2. Währenddessen für die Chatschapuri den Käse sehr fein zerkrümeln und mit etwas Salz und dem Eiweiß verrühren.
  3. Für die Lobiani werden die roten Bohnen mit dem Bohnenkraut und dem Gewürzsalz vermischt und püriert.
  4. Hefeteig flach auf Esstellergröße ausrollen. Die Mischung darauf verteilen, dabei etwa 2 cm Rand lassen. Den Teig vom Rand her über die Füllung ziehen und zusammendrücken. Mit Eigelb bestreichen.
  5. Chatschapuri und Lobiani im vorgeheizten Ofen bei etwa 190 Grad rund 20 Minuten goldbraun backen.
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Aus Effilee #5, Jul/Aug 2009
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