Die Schulter ist eh das beste Teil vom Lamm, was gibt es denn dazu?
Diesmal machen wir Bohnen mit Artischocken. Gestern hatte ich einen Couscous gemacht, mit Paprika und etwas Schafskäse und Tomaten. Mit Kartoffeln, Spinatgemüse oder Tomatenpolenta oder auch gebackene Tascherl oder solche Sachen.
Ist das ein Gang aus dem Menü?
Die Schulter vom Milchlamm so im Ganzen eigentlich nicht. Ich habe aber viele Gäste, die mehrmals kommen und die sagen oft, sie hätten gern was im Ganzen, weil sie wissen, dass ich so was auch kann. Da bereite ich gern solche Sachen zu. Vom Lamm, vom Kalb oder vom Rind oder auch einmal einen Steinbutt im Ganzen. Das kommt sehr gut an.
Das findet man nicht mehr oft.
Ja, das ist ein bisschen in Vergessenheit geraten. Man muss es ja auch können. Schließlich ist es viel Aufwand, viel Arbeit. Ein Steinbuttfilet korrekt zu garen ist wahrscheinlich einfacher, als den ganzen Fisch auf dem Punkt zu erwischen, das muss man können.
Wie wird denn das Lamm zubereitet?
Das Lamm kommt zu uns im Ganzen. Ich löse das selbst aus, die Schultern, die Keulen, den Rücken und den Bauch. Den Bauch fülle ich zum Beispiel mit Gemüse oder mit einer Semmelfülle oder dem Bries. Die Keule confieren wir erst und braten sie dann kurz im Rohr rosa. Und die Schulter mache ich gern mit einem Kartoffelgemüse und Zwiebeln im Rohr, schön langsam, zwei Stunden bei etwa hundertzwanzig Grad, immer wieder übergießen, damit es schön saftig wird. Dann kommt es im Ganzen zum Gast, mit viel brauner Butter und Kräutern, und wird am Tisch tranchiert.
Wo kommt das Lamm her?
Das habe ich vom Herrn Riederer vom Gutshof Polting. Von dort haben wir schon früher im Tantris Tiere bekommen. Das ist eine Wahnsinnsqualität, da weiß ich, wo es herkommt, wie es gewachsen ist, wie es gefüttert wurde … Das ist schon toll. Manchmal bekomme ich auch Lämmer von zu Hause, von meinem Bruder, der hat einen kleinen Bauernhof. Das sind aber nicht viele, aber ich nehme sie gern, weil sie immer sehr gut sind. Die werden auch draußen auf der Weide groß. Das ist mir sehr wichtig.
Wie alt sind die Lämmer?
Acht, neun Wochen. Sie dürfen auch nicht zu klein sein, sonst ist gar nichts daran. So ist die Fleischqualität genau richtig und es ist auch noch schön mild und riecht nicht so extrem nach Lamm. Mit Kräutern, Artischocken und einer leichten Jus dazu, das finde ich schon toll.
Das ist eigentlich auch Wirtshausküche, oder?
Ja, wir sind ja auch ein Gasthaus …
Ich meine das auch gar nicht abfällig. Im Gegenteil, ich schätze das sehr, wenn man noch was Richtiges zum Essen bekommt …
Das habe ich im Tantris durch und durch gelernt, wie man das ordentlich schmort und zubereitet. Und das möchte ich auch beibehalten. Ich spüre auch, dass die Gäste das noch suchen. Auch das Tranchieren am Tisch, das geht ja auch verloren. Mir ist wichtig, den jungen Leuten auch beizubringen, wie man etwas auslöst und zubereitet, wie man es lagern muss und wie lange. Das sind ja die Basics.
Sind Sie vom Elternhaus her gastronomisch vorbelastet?
Nein, eigentlich nicht. Nur die Schwestern meines Vaters, die waren schon immer in der Gastronomie tätig gewesen, als Kellnerinnen und so. Aber professionell gekocht hat keiner aus unserer Familie. Aber den Trubel zu Hause in der Küche, das habe ich schon immer irgendwie geliebt.
Wo kommen Sie denn ursprünglich her?
Ich komme aus dem Bregenzerwald in Vorarlberg in Österreich. Da bin ich auf einem Bauernhof aufgewachsen. Bei uns war immer wichtig, frisch zu kochen, da wurde alles selber gemacht. Wir hatten natürlich auch eigenes Obst und Gemüse, alles.
Die eigenen Produkte …
Genau. Man hat dann auch so eine Nähe zu den Sachen, wenn man die Äpfel hat, und macht einen eigenen Apfelstrudel. So etwas habe ich schon immer geliebt. Wir waren ja eine Großfamilie und in meiner Kindheit habe ich fast jeden Tag gebacken. Da habe ich gemerkt, dass ich den Menschen damit eine Freude mache, und dann bin ich da so hineingerutscht. Da musste ich nicht lange nachdenken, ich habe gewusst, ich will kochen. Es gibt ja viele, die da lange überlegen müssen, aber ich wusste schon immer, dass ich was mit Backen oder Kochen machen möchte.
Dann haben Sie dort die Lehre gemacht?
In einem Gasthaus dort habe ich die Lehre gemacht und bin dann zum Thomas Scheucher ins Restaurant Guth in Lauterach. Dann habe ich verschiedene Stages, also Praktika, gemacht, bei Dieter Koschina, bei der Lisl Wagner-Bacher, auch bei Santi Santamaria war ich mal, in Barcelona, der hatte damals drei Sterne. Da habe ich mich überall ein bisschen weitergebildet. Und dann war ich auch einmal für sechs Wochen im Tantris bei Hans Haas, das war 2000. Da wusste ich sofort, da will ich hin!
Aber die Ambition haben Sie schon mitgebracht? Das ist ja nicht selbstverständlich für ein Mädchen vom Bauernhof.
Nein, aber wissen Sie, uns hat man ja zu Hause zum Arbeiten erzogen. Wir mussten schon als Kinder mithelfen, bevor wir ins Schwimmbad durften, mussten zu Hause Sachen erledigt werden.
Ich wollte auch in die Führung, das war mir auch wichtig. Uns wurde auch zu Hause schon früh Verantwortung übergeben, und dann hat man auch gemerkt, dass man das gerne mag
Aber zum Arbeiten müssen Sie ja nicht in die Sterneküche, das können Sie woanders auch?
Schon, aber ich wollte immer schon mehr. Ich wollte das richtig gut lernen. Als ich in der Lehre war, hatte ich das Kochbuch von Hans Haas bekommen und da war es dann um mich geschehen … Genau so wollte ich kochen, so super zu kochen wollte ich lernen. Einfach nur irgendwo Koch sein und etwas runterkochen, das war mir immer schon zu langweilig. Ich wollte auch in die Führung, das war mir auch wichtig. Uns wurde auch zu Hause schon früh Verantwortung übergeben, und dann hat man auch gemerkt, dass man das gerne mag. Ich hatte fünf Geschwister, heute noch vier, und die sind alle selbständig in ihren Berufen und führen ihre eigenen Geschäfte. Ich habe immer das Bestreben gehabt, weiterzukommen. Als ich im Tantris war, habe ich am Garde-Manger angefangen, bei den kalten Speisen, aber das war mir auch irgendwie … Nun ja, ich wollte halt mehr!
Das hat Herr Haas aber auch gleich gemerkt.
Ja, Gott sei Dank! Ich habe dann sehr schnell verschiedene andere Posten gekocht. Irgendwann bin ich auf den Poissonier gekommen, auf den Fischposten, und nach einem Jahr war ich Sous-Chef.
Das heißt, nach den Stages haben Sie direkt im Tantris angefangen?
Ja, im Tantris, das war schon richtig gut. In der Lehre musste ich mich auch durchkämpfen, das war nicht einfach, mit lauter Jungs. Auch im Tantris war ich oft die einzige Frau. Aber Hans Haas hat mir immer den Rücken gestärkt. Das war schon richtig gut. Ich habe viel gelernt und er hat mir auch die Freiheiten gelassen. Er hat mich als Küchenchef herangezogen. Und ich habe so viel gelernt bei ihm. Später war er jede Woche zwei Tage in der Kochschule und dann habe ich den Laden geschmissen. Und ja, ich habe das schon geliebt.
Wie lange ging das?
Vierzehn Jahre. Ich durfte von Anfang an gleich am Menü mitarbeiten, kreativ sein. Er hat gesagt: Morgen machen wir Gerichte und dann haben wir Sachen probiert. Wir mussten schon Leistung bringen, aber dazu gehörte auch, mit ihm zusammen kreativ zu sein. Als wir das Kochbuch gemacht haben, durfte ich die Sachen vorbereiten und die Rezepte aufschreiben. Das hat mich natürlich extrem weitergebracht. Und heute merke ich, bei all diesen Sachen, die ich machen musste, auch bei den Bürosachen und Bestellungen, da habe ich schon sehr viel gelernt. Und mit den Jahren ist das in Fleisch und Blut übergegangen, dass es heute richtig gut funktioniert. Er hat mich immer neben sich laufen lassen, und so konnte ich auch wachsen.
Er hat tatsächlich in jedem Gespräch großen Wert darauf gelegt, Ihren Anteil zu betonen.
Na ja, mir war es schon wichtig, dass es tausendprozentig gepasst hat, wenn Hans Haas nicht im Haus war. Leicht war das nicht, wir waren sechzehn Köche und hatten manchmal mittags sechzig und abends hundert Gäste. Das war eigentlich schon Leistungssport.
Ist hier im Werneckhof auch mittags geöffnet?
Ja, wir haben von Mittwoch bis Samstag geöffnet, jeweils mittags und abends.
Wie wird das angenommen?
Unterschiedlich. Heute Mittag hatten wir zehn Gäste, morgen ist ausgebucht. Aber ich bin eigentlich zufrieden, ich möchte den Mittag nicht missen.
Fergus Henderson hat den schönen Satz gesagt: lunch has potential …
Ich habe viele Gäste, die kommen mittags und essen hier fünf, sechs Gänge oder mehr. Weil sie sagen, dann habe ich am Abend zu Hause meine Ruhe und kann das genießen. Sie sagen, es bekommt ihnen besser. Samstagmittag sind wir zum Beispiel fast immer ausgebucht.
Die Tage sind dann aber lang …
Ja, das sind vier lange Tage. Da bin ich wieder froh, dass ich das im Tantris hatte. Sonst könnte ich das nicht schaffen. Wenn man im Tantris gekocht hat, dann hat man keine Angst mehr, wenn viele Gäste kommen. Und ich habe auch gelernt, dass ich am Samstag weiß, wie viele Fische ich brauche, damit ich nichts wegwerfen muss. Man muss schon immer eigentlich überall sein, und da bin ich froh, dass ich das bei Hans Haas alles lernen durfte.
Man hat mir gesagt, dass Sie genauso viel Wert auf gutes Personalessen legen wie er?
Ah ja, da kocht die Chefin oft selber. Das ist mir wichtig. Und da kann man ja auch viele Sachen noch verwenden, die man dann nicht wegwerfen muss. Dann koche ich eine Bolognese oder eine Lasagne. Hans Haas hat immer gesagt: Ihr müsst euch eins merken, wer das Mitarbeiteressen nicht gut macht, der kann auch sonst nicht gut kochen. Und die Mitarbeiter machen gute Arbeit, dann sollen sie auch gut essen, finde ich. Jetzt habe ich gerade ein Rind dagehabt, von meinem Bruder, dann gibt es auch mal einen Rinderbraten als Mitarbeiteressen. Wer macht das heute noch?
Sie sind jetzt seit drei Jahren hier, es hat sich schon alles gut eingespielt, finden Sie nicht?
Ja, man muss sich auch weiterentwickeln. Am Anfang, das gebe ich ehrlich zu, hatte ich auch ein bisschen Scheuklappen auf. Wenn man so etwas vierzehn Jahre lang gemacht hat, im Tantris. Aber irgendwann sagt man sich, so, jetzt muss es auch weitergehen. Aber ich liebe natürlich diese Art zu kochen, sonst hätte ich dort ja auch schon viel früher weggehen können. Aber ich entwickle mich auch weiter. Es gibt viele Sachen, die will ich anders, die will ich noch besser machen.
Geschmorte Schulter vom bayerischen Milchlamm mit Kartoffel-Spinatgemüse und Artischockenpüree
Für 4 Personen
Milchlammschulter
- 1 Milchlammschulter
- 50 ml Olivenöl
- 50 ml Weißwein
- 2 Knoblauchzehen, fein gewürfelt
- 1 EL Petersilie, gehackt
- 1 TL Thymian, gehackt
- 1 TL Rosmarin, gehackt
- 6 Kartoffeln, festkochend
- 2 weiße Zwiebeln
- Meersalz, Pfeffer
- weißer Pfeffer aus der Mühle
- 1 Knolle junger Knoblauch
- ½ l Wasser
- Das Olivenöl mit dem Wein, dem gewürfelten Knoblauch und den Kräutern verrühren. Die Milchlammschulter rundherum mit dieser Marinade einreiben und 2-3 Stunden ziehen lassen.
- Kartoffeln und Zwiebeln schälen und in nicht zu dünne Scheiben schneiden.
- Die Kartoffeln mit Zwiebeln in einen flachen Bräter geben und leicht mit Meersalz und Pfeffer würzen.
- Die ungeschälte Knoblauchknolle in Scheiben schneiden und diese auf dem Gemüse verteilen.
- Die Milchlammschulter rundherum mit Salz und Pfeffer würzen und auf das Gemüse legen. Das Wasser angießen und das Milchlamm in etwa 2 Stunden bei 120 Grad im Ofen garen. Das Fleisch dabei immer mal wieder mit dem Garfond überschöpfen.
Milchlammjus
- 300 g Milchlammknochen
- Öl, Butter
- 1 Zwiebel
- 2 Schalotten
- 1 Stange engl. Sellerie
- 80 g Knollensellerie
- 2 frische Tomaten
- ¼ l Rotwein
- Eis
- Kalbsfond oder Brühe
- Rosmarin, Thymian
- Lorbeer, Pfefferkörner
- 1 Knoblauchzehe
- 1 kleine geriebene Kartoffel
- Salz
- Die klein gehackten Knochen in etwas Öl und Butter gut anbraten, das geschnittene Gemüse dazugeben und gut mitrösten.
- Das Fett abschütten, etwas frische Butter dazugeben und die geschnittenen Tomaten. Dann mit etwas Rotwein ablöschen, mit wenig Eis auffüllen und kurz am Rand stehen lassen, sodass sich alles von der Pfanne löst.
- Mit etwas Kalbsfond oder Brühe auffüllen, sodass die Knochen bedeckt sind. Dann die Gewürze, Kräuter und den Knoblauch dazugeben.
- Die kleine Kartoffel mit einer feinen Reibe reiben und dazugeben, salzen und ca. 1-1 ½ Stunden langsam köcheln lassen.
- Abpassieren und zum Schluss ganz wenig Butter einschwenken.
Lammrücken
- 1 Milchlammrücken, ausgelöst und pariert
- Salz, Pfeffer
- Öl zum Braten
- Den Lammrücken mit Salz und Pfeffer würzen, in der heißen Pfanne auf beiden Seiten kurz anbraten, herausnehmen, auf ein Gitter legen (mit einem Blech darunter) und bei ca. 160-180 Grad ungefähr 8-10 Minuten im Ofen lassen.
- Dann herausnehmen und ein paar Minuten ruhen lassen. Vor dem Servieren noch mal 4-5 Minuten in den Ofen stellen, dann ist es beim Anschneiden wunderbar rosa.
Artischockenpüree
- 1 Schalotte, fein gewürfelt
- 300 g Artischocken, geschält und geputzt
- Salz
- Cayennepfeffer
- 1/8 l Weißwein
- 1 Schuss Noilly Prat
- ¼ l Geflügelfond oder Tomatenessenz
- ¼ l Sahne
- Die Schalotte in etwas Butter angehen lassen, die geputzten, klein geschnittenen Artischocken zugeben, mit Salz und Cayennepfeffer würzen, mit etwas Weißwein und Noilly Prat ablöschen und mit dem Fond und der flüssigen Sahne aufgießen.
- Das Ganze sehr weichkochen lassen. Anschließend die Masse in einer Moulinette sehr fein pürieren. Und nochmals nachschmecken.
Fertigstellung
- Butter
- 1 Schalotte, klein geschnitten
- 2-3 Handvoll geputzten jungen Spinat
- Salz, Muskat
- Etwas Butter in der Pfanne erhitzen, die Schalotte dazugeben, den Spinat nach und nach dazugeben mit etwas Salz und Muskat würzen, unter das Kartoffelgemüse geben und mit dem Artischockenpüree anrichten.
- Die Lammschulter auslösen und je eine Scheibe auf das Kartoffelgemüse geben. Dazu ein Stück vom Rücken. Mit der Sauce umgießen und servieren.
Aus Effilee #70 / 71 , Herbst, Winter 24 / 25