Treffen sich zwei Weine: Burgund und Bordeaux

Wenn man beim Wein mal über das Stadium hinaus ist, dass man ihn trinkt, weil kein Bier mehr im Kühlschrank ist, braucht man ein wenig Orientierung. Ein gesundes Schubladendenken ist da gar nicht verkehrt: Man legt seine Eindrücke ab und kann sie wieder hervorziehen, um zu vergleichen, wenn man etwas Neues entdeckt.

Die wichtigsten Schubladen beim Rotwein heißen Burgund und Bordeaux. Im Spannungsfeld zwischen diesen beiden Anbaugebieten und ihrer Tradition spielt sich alles ab, was es in Sachen Rotwein Erwähnenswertes gibt. Das soll auf keinen Fall heißen, dass nicht anderswo auch hervorragende rote Weine produziert werden, aber sie lassen sich alle einer dieser beiden Stilistiken zuordnen. Hier die Wucht der Bordeaux, die ihre Finesse oft erst beim zweiten Hinschmecken offenbaren, dort die Eleganz der Burgunder, denen man gelegentlich erst beim Aufstehen anmerkt, wieviel Kraft auch in ihnen steckt.

Im Burgund kommt es vor, dass sehr namhafte Winzer ihre Besucher in geflicktem Pullover, staubiger Hose und Gummistiefeln empfangen

Das Burgund ist eher bäuerlich. Es kommt durchaus vor, dass sehr namhafte Winzer ihre Besucher in geflicktem Pullover, staubiger Hose und Gummistiefeln empfangen. In Zeiten, als der Wein noch längst nicht so haltbar war wie heute, war die Entfernung nach Paris optimal, dort ging der größte Teil der Produktion hin. Diese Nähe zu Paris und zu den Handelswegen war übrigens mindestens genauso wichtig für die Entwicklung wie das viel gelobte Terroir, also die Bodenverhältnisse. Man baute, um die Nachfrage zu befriedigen, eben die Sorte an, die unter den gegebenen Umständen die besten Erträge brachte – und das war der Pinot noir. Das alles geschah unter dem Schutz und unter Kontrolle der Kirche. In der Gegend um Bordeaux war die Entwicklung noch prosaischer. Der dortige Hafen spielte ohnehin eine wichtige Rolle im Handel mit England, gerade Wein wurde über diesen Weg viel verschifft. Irgendwann kamen die Händler auf die Idee, dass sie mehr Geld verdienen könnten, wenn sie den Wein selbst anbauten. Dabei spielte die Haltbarkeit natürlich eine große Rolle. Das war ein guter Grund, Rebsorten mit dicken Schalen zu bevorzugen, in denen mehr Tannin enthalten ist, das als natürliches Konservierungsmittel wirkt.

Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Tatsache, dass viele der Händler aus den Niederlanden oder aus England zugewandert waren und dem protestantischen Glauben anhingen. Auch deshalb entstanden im Lauf der Zeit zwei völlig verschiedene Weinkonzepte: im katholischen Burgund die eher leichten Weine zum Selbertrinken, in Bordeaux die (protestantisch-) intellektuellen Weine für den Export. Beide Konzepte wurden stetig optimiert und mit der Zeit zum Vorbild für jeden, der später anderswo anfing, Wein zu machen.

Die meisten folgen dabei übrigens dem Bordeaux-Vorbild. Das hat viel mit den persönlichen Vorlieben der sogenannten Weinpäpste zu tun, die alljährlich die Weine der Welt nach Punkten bewerten.

Für jeden persönlich ist das ein bisschen wie mit dem Fußballverein: Man kann andere Mannschaften durchaus respektieren und achten, lieben tut man immer nur das eigene Team. Welches das ist, spürt man schnell. Das sagt einem nämlich das Herz.

Meine Meinung …

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Aus Effilee #13, Nov/Dez 2010
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