Queijo de Ovelha Curado Serra da Estrela aus Portugal

Nach dreißig bis vierzig Tagen regelmäßigen Wendens und Wischens sind die Käse großartig cremig, was manche zum Löffel greifen lässt wie beim Vacherin aus dem Jura, während Kenner den Queso lieber vier Monate, gerne auch ein Jahr reifen lassen (ab hundertzwanzig Tagen darf er velho, alt, heißen). Hart und bröckelig ist er dann, aber schmilzt doch weiterhin auf der Zunge, und erst jetzt kommt die raue, beeindruckende Landschaft so richtig zum Ausdruck, die komplexe Würze der Milch … in dünnen Spänen entfaltet sich ein ganzes Panorama.

Die Straße steigt immer weiter an. Blühende Obstbäume weichen erst Kiefern und Eukalyptus, dann Ginster und Gras, wortwörtlich gebrandmarkt von den verheerenden Feuersbrünsten des letzten Sommers. Schließlich nur noch Felsen und Steine, wie in einem Science-Fiction-Film. Dies ist Beira an der Westseite der Serra da Estrela im Zentrum von Portugal, deren Spitze mit dem 1993 Meter hohen Torre den höchsten Punkt des Landes bildet. Es ist Anfang Mai, die Sonne brennt, doch hier liegt immer noch Schnee. Es fällt mir schwer, diese Landschaft mit dem gleichnamigen, üppig cremigen Schafskäse zusammenzubringen. Doch dann schlängelt sich die Straße nach Manteigas das Gletschertal des Zêzere-Flusses hinunter, leuchten erste rosaviolette Heideblüten, zartes Birkengrün neben Kiefern, rauschen Wasserfälle. Eine Idylle, mit Steinhütten, Wiesen – und Schafen!

Sie sind es, die diese Landschaft überhaupt erst nutzbar gemacht haben, und das schon vor sehr langer Zeit. Aus vielen Regionen der Halbinsel, von Madrid im Osten bis zum Alentejo im Süden wie auch vom Atlantik zogen die Hirten mit ihren Herden im Sommer auf die Gebirgsweiden. »Ich bin in Sabugueiro geboren [einem der kleinen Orte in der Ginster- und Graszone auf der Westseite], die Schafe waren unten im Haus, und wir lebten oben. Im Sommer sind wir weiter hinaufgezogen mit ihnen, wie die Nomaden. Als ich mit zwanzig geheiratet habe, habe ich meinem Mann als erstes gesagt, dass ich ab sofort nur noch an einem Ort leben möchte.«

»Und wenn ich heute eine Million im Lotto gewinnen würde, würde ich trotzdem weiter Käse machen«

Maria Natália Lopes ist heute vierundfünfzig, und sie erzählt mir ihre Geschichte, während sie Käse macht. »Wir haben hier in Santiago zuerst die Käserei gebaut und dann das Haus drumherum. Alles, was wir haben, verdanken wir den Schafen und dem Käse.« Ihr Mann melkt die dreihundertsiebzig Tiere mit der Hand, wie alle hier in der Gegend, und abgesehen von der dreimonatigen Sommerpause macht sie täglich zweimal Käse, seit vierzig Jahren, wie vor ihr ihre Mutter und so wie er schon immer gemacht wurde. »Und wenn ich heute eine Million im Lotto gewinnen würde, würde ich trotzdem weiter Käse machen«, sagt sie, während ihre braunen, kräftigen Hände die frische weiche Käsemasse in den Tüchern kneten und massieren, um so viel Molke wie möglich hinauszudrücken.

Ich habe dieselben Bewegungen schon am Vortag beobachtet, in der Käserei der Casa da Ínsua, eine knappe Autostunde nördlich von hier. Die Casa da Ínsua ist ein alter Herrschaftssitz, heute aber vor allem ein Hotel und Weingut. Doch die alten feudalen Strukturen sind noch deutlich erkennbar: Das Gut produziert nicht nur Wein, sondern auch Olivenöl, Honig Fruchtkonserven – und es hat eine eigene, hundertzwanzigköpfige Schafherde.
Wie bei den Lopes’ sind es die robusten Bordaleira-Schafe, eine alte lokale Rasse, die sich auf den Wiesen und Weiden der Serra da Estrela auch im Winter noch wohlfühlen, während die Schäfer sich mit Decken und Lodenmänteln aus ihrer Wolle wärmen. Die wurde ursprünglich mit den getrockneten, stacheligen Blütenständen von Karden bearbeitet, einer Distelart – und den Begriff kardieren gibt es bis heute (ab Ende des 18. Jahrhunderts bis weit ins 20. hinein war die Serra da Estrela für ihre Wollfabriken bekannt, heute erlebt diese Webekunst ein Revival mit der Burel Factory).

Was uns zurück zum Käse bringt: Die unbehandelte, rohe Milch wird direkt nach dem Melken mithilfe einer anderen Distelart dickgelegt, Cynara cardunculus, wilde Artischocken, die ähnlich wirkende Enzyme enthalten wie tierisches Lab. Bei Maria Natália Lopes wachsen die großen Pflanzen mit den silbergrün geschweiften Blättern direkt hinter dem Haus, José Matias, der dynamische Produktionsleiter der Casa Ínsua, baut sie für ein wissenschaftliches Forschungsprojekt in elf verschiedenen Sorten an, um deren unterschiedliche Wirkung genauer zu untersuchen. »Wir müssen noch viel lernen beim Käse«, sagt er, »beim Wein sind wir viel weiter.« Die Blütenblätter (was wir Artischocken-Esser als Heu entsorgen) werden getrocknet, mit Salz gemahlen und in einem Stoffbeutel in die Milch gehängt. Ihre anklingende Bitterkeit bringt die süße, volle Üppigkeit der Schafsmilch so richtig zum Singen. Und weil die Frauen den weichen, groben Bruch zwar gehörig kneten, drücken und massieren, aber trotzdem noch viel Molke drinbleibt, wenn er dann in kleinen runden Formen kurz gepresst und bandagiert wird, bildet sich viel Säure, die zu diesem Singen tanzt.

Nach dreißig bis vierzig Tagen regelmäßigen Wendens und Wischens sind die Käse großartig cremig, was manche zum Löffel greifen lässt wie beim Vacherin aus dem Jura, während Kenner den Queso lieber vier Monate, gerne auch ein Jahr reifen lassen (ab hundertzwanzig Tagen darf er velho, alt, heißen). Hart und bröckelig ist er dann, aber schmilzt doch weiterhin auf der Zunge, und erst jetzt kommt die raue, beeindruckende Landschaft so richtig zum Ausdruck, die komplexe Würze der Milch … in dünnen Spänen entfaltet sich ein ganzes Panorama.

José Matias plädiert dafür, die jungen Käse ebenfalls nicht zu löffeln, sondern ganz normal anzuschneiden, um Aromen und Textur wirklich wahrzunehmen. So wird er auch abends auf elegantem Porzellan im Restaurant der Casa Ínsua serviert. Im Glas dazu hauseigener Wein, holzfassgereifter Encruzado Reserva, eine Rebsorte, die im Dão ebenso heimisch ist wie die Schafe in der Serra da Estrela, mit eindrucksvollen harzig-zitronigen Aromen. Alles zusammen leuchtet wie der Schnee auf dem Torre.

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Aus Effilee #45, Sommer 2018
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