Pancakes

Für die Pancakes sollte man eine gusseiserne Pfanne benutzen, je älter, umso besser.

Emily Southerland steht barfuß im Flur und bietet uns Plätze im Wohnzimmer an. »Entschuldigung, aber ich brauche noch fünf Minuten, um die Küche ein wenig aufzuräumen.Wir hatten gestern eine kleine Party und ich muss noch ein paar Reste entsorgen.« Dann schaut sie das Rezept für die Pfannkuchen ihrer Mutter im Internet nach. »Kochen war immer sehr wichtig in unserer Familie, die Küche war immer der Mittelpunkt des Hauses. Meine Mutter hat jetzt eine Website, auf der wir alle Familienrezepte sammeln. Und jeder von uns kann neue hochladen, wenn er möchte.«

Ich kenne wenige Menschen, die so schnell reden können wie Emily. Sie ist in Oklahoma auf einer Weizenfarm groß geworden. Als sie zehn Jahre alt war, zog sie mit ihrer Mutter nach Norman, ebenfalls in Oklahoma, wo sie später International & European Studies studierte. »Es ist ganz wichtig, für die Pancakes Vollkornmehl zu verwenden. Meine Mutter hat immer den Weizen meines Vaters mit einem alten Mühlstein gemahlen, den schon mein Großvater benutzt hat.«

Das, was ich heute mache, reicht für eine ganze Woche.

Emily stellt eine Schüssel neben den Herd. »Soooo.« Sie schaut sich um. »Jetzt mische ich erst mal die trockenen Zutaten und danach kommen die nassen Zutaten in einer anderen Schüssel dazu. Meine Mutter hat immer große Mengen Pfannkuchenteig gemischt, den sie nach und nach verwendet hat. Wenn man die trockenen Bestandteile gesondert mischt, kann man schon etwas vorbereiten, ohne dass es schlecht wird. Das, was ich heute mache, reicht für eine ganze Woche.«

»Meine Mutter hatte sechs Kinder. Sie hat also immer für viele Leute gekocht und wurde deshalb ziemlich gut darin.« Emily mischt das Mehl mit Haferflocken und gibt eine Prise Salz hinzu. »Ich bin immer gerne gereist. Und ich habe auch ein Jahr in Frankreich studiert.« In dieser Zeit hat Sie ihren Freund getroffen, der dann nach Hamburg gezogen ist. »Ich will irgendwann wieder nach Hause, aber ich weiß noch nicht wann. Spätestens im Herbst 2010 will ich die Law School besuchen. Eigentlich wollte ich jetzt im Herbst fahren, aber nun habe ich mit meinem Freund Adrian gerade diese Wohnung gefunden und möchte erst mal hier wohnen.« Adrian kommt aus Liverpool. Er hat in Hamburg studiert, arbeitet als Sprachlehrer und singt in der Band Tripping the Lights Fantastic.

Emily schüttet eine halbe Tasse Zucker zum Mehl und den Haferflocken in der weißen Rührschüssel. »Dann rühre ich noch etwas Milchpulver in den Trockenmix. Wenn man von der Mischung etwas aufbewahren möchte, füllt man sie am besten in einen verschließbaren Plastikbeutel.« Sie misst eine Tasse Milch ab, füllt sie in eine neue Schale und rührt zwei Tassen der Trockenmischung ein.

»Zuhause kamen alle Zutaten bis auf die Milch von der Farm – wir hatten nur Fleischkühe, keine Milchkühe.« Essen, erzählt Emily, sei einer der wichtigsten Bestandteile der Landeskultur in Oklahoma. »Das ist indianisches Gebiet, da ist Essen fast so etwas wie eine Religion. Man isst nur, was man auch gepflanzt hat und so weiter.« Viele Indianerstämme wurden damals aus ihren ehemaligen Gebieten vertrieben und nach Oklahoma umgesiedelt, mitten ins Nichts. »Das Land wollte niemand haben, bis man entdeckte, dass es sehr fruchtbar ist und es riesige Ölvorkommen gibt. Als die Weißen merkten, dass die Indianer damit Geld verdienten, wollten sie das Land zurück.« Auch in Emilys Stammbaum finden sich amerikanische Ureinwohner.

»Auf der Farm aufzuwachsen war sehr schön für mich, es ist ein ganz anderes Leben. Und es gab jeden Tag frische Eier. It was a charmed childhood.« Auf Deutsch ließe sich das nicht schöner sagen, also versuche ich es gar nicht. Emily rührt den Teig mit einem alten, kaputten Löffel durch. „Das ist erstens der beste und zweitens kann ich ohnehin nichts wegwerfen.“

Sie mischt noch etwas von dem Trockenmix in den Teig, damit er etwas mehr chunky wird. »Ich habe Pekannüsse besorgt, das war gar nicht so einfach. Auf dem Hof hatten wir einen Pekanbaum, deshalb hat meine Mutter an alle möglichen Gerichte Pekannüsse gemacht. Ich könnte die auch mahlen, aber ich mag es sehr gerne, wenn in den Pancakes auch etwas zu beißen ist.«

Emily gibt einen ordentlichen Schuss neutrales Öl in die Pfanne. »Ich weiß, das ist viel Öl, aber das brauchen die Pancakes. Das ist kein Essen für Leute auf Diät. Das Öl muss sehr heiß sein, dann werden die Pancakes außen schön knusprig und bleiben innen weich.« Eigentlich wollte sie noch eine neue Pfanne kaufen. »Man sollte dafür eine gusseiserne Pfanne benutzen, je älter, desto besser. Die Pfanne meiner Großmutter mit dem abgebrochenen Griff ist eines der wertvollsten Familienbesitztümer.«

Die Herdplatte befindet sich in einer Höhe, die für Leute gemacht scheint, die mindestens zwei Meter zehn groß sind. Emily ist fast einen halben Meter kleiner. »Diese Küche ist nicht für mich gemacht. Ich muss hier wirklich immer auf Zehenspitzen stehen. Und an die oberen Schränke komme ich gar nicht ran.«

Sie zieht einen Tritt heran, steigt drauf und streckt sich nach der obersten Schrankreihe. »Seht ihr, es hätte für mich keinen Sinn, etwas dort oben zu lagern – ich könnte es sowieso nicht benutzen. Oder nur, wenn Adrian da ist und ich immer sagen würde: Gib mir dies, gib mir das.« Emily steigt herunter und wendet die Pfannkuchen. »Wenn der Teig anfängt, Blasen zu werfen, ist er gut–dann musst du den Pancake umdrehen.«

»Das ist ein echtes ›Farmers Breakfast‹: Viele Kalorien, viel Zucker. Als Farmer verbrennst du das aber auch schnell wieder. Heute wird zwar nicht mehr so viel auf dem Feld gearbeitet, aber immer noch so gegessen.« Oklahoma gehört zum so genannten Bible-Belt, einem sehr religiösen und konservativen Gebiet im Herzen der USA. Emilys Familie war aber stets sehr liberal. So liberal sogar, dass es manchen Nachbarn suspekt war. »Für einige war meine Mutter eine ›ultraliberale Frau, die man besser im Auge behält‹. Dabei ist sie völlig normal, nur eben nicht so konservativ, wie die meisten dort.«

Emily richtet den ersten Teller mit Pfannkuchen an. »Gute Präsentation ist auch beim Essen wichtig. Während ich an der Uni war, habe ich nebenbei in einem Restaurant gearbeitet und viele kleine Tricks gelernt, wie man Essen besser aussehen lassen kann.« Sie bestäubt die Pfannkuchen mit Puderzucker, schneidet eine Erdbeere auf und gießt Ahornsirup drüber. Dann nochmal etwas Puderzucker. Das Vollkornmehl und die Haferflocken geben den Pancakes eine ungewöhnlich solide Qualität, die Süße kommt vom Ahornsirup und dem Puderzucker. Pekannüsse, Erdbeeren und Sirup ergänzen sich perfekt, sie scheinen füreinander gemacht zu sein. Und der Knusper der Nüsse bringt Abwechslung in der Textur.

Ich esse meine erste Portion im Flur vor der Küche, während Emily weitere Pfannkuchen zubereitet, die wir später alle zusammen auf der Wohnzimmercouch essen. Dann erzählt Emily von dem seltsam fremd anmutenden Leben in der amerikanischen Provinz, während ich dank der Pancakes immer tiefer und zufriedener im Sofa versinke.


Pancakes

  • 4 Tassen Vollkornmehl, frisch gemahlen
  • 1 1⁄2 EL Backpulver
  • 1⁄2 Tasse Zucker
  • 1 Tasse Milchpulver
  • 2 TL Salz
  • 1 1⁄2 Tassen Haferflocken
  • 1 Handvoll Pekannüsse, grob gehackt
  • 1 Tasse Milch
  • 2 Eier
  • 2 EL neutrales Öl
  • Erdbeeren
  • Puderzucker
  • Ahornsirup
  1. Mehl, Haferflocken, Backpulver, Zucker, Milchpulver, Pekannüsse und Salz in einer großen Schüssel vermischen. Wenn man mehr vorbereitet als man braucht, kann man den Rest gut in verschließbaren Plastikbeuteln aufbewahren.
  2. Zwei Tassen der trockenen Mischung mit einer Tasse Milch, 2 Eiern und Öl vermischen. In eine sehr heißen Pfanne geben und von beiden Seiten gut anbraten.
  3. Mit Puderzucker, Ahornsirup und Erdbeeren servieren.

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Aus Effilee #7, Nov/Dez 2009
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