Okonomiyaki

Mit der elektrischen Okonomiyaki-Pfanne kann man auch im Wohnzimmer kochen

Wenige Meter entfernt von einer der großen Verkehrsadern Hamburgs liegt die Wohnung von Hidemi Shikata-Kohl und ihrem Mann Christoph. Der Militaria-Laden an der Straßenecke wirkt etwas zwielichtig, aber das ist wohl eine grundsätzliche Eigenschaft von Militaria-Läden. Ein kleines Stück die Straße hinauf befindet sich der Hinterhof, in dem das Paar mit ihrem Sohn Kotaro lebt. »Weil er mit Nachnamen Kohl heißt, sollte er einen japanischen Vornamen haben«, erklärt Hidemi. »Taro bedeutet traditionell erster Sohn, mit der zusätzlichen Silbe heißt er jetzt ›Bernstein erster Sohn‹.«

Während ihr Mann und ihr Sohn noch unten im Hof spielen, fängt Hidemi in der Küche schon mal mit den Vorbereitungen an. »Okonomiyaki heißt: nach Belieben Gebratenes. Man kann also alles verwenden, was in der Küche übrig ist. Kohl gehört aber auf jeden Fall dazu. Ich benutze immer Spitzkohl, weil der weicher ist als Weißkohl, er ähnelt eher dem japanischen weißen Kohl. Weißkohl muss man vorkochen, sonst ist er zu hart.«

Die Deutschen sind zwar nicht unbedingt weltweit für ihre Freundlichkeit bekannt, aber Hidemi war es einen Versuch wert.

Hidemi erzählt lebhaft und gestikulierend von dem Weg, der sie vor dreieinhalb Jahren nach Deutschland führte. Ihr war klar, dass sie eine Weile aus Japan weg wollte. Zuerst hat sie in England studiert. »Aber dort ist es so kalt und die Menschen sind immer böse. Nach dem Studium habe ich dann Deutsch gelernt.« Die Deutschen sind zwar nicht unbedingt weltweit für ihre Freundlichkeit bekannt, aber Hidemi war es einen Versuch wert. Kurz nachdem sie nach Deutschland gezogen war, sah sie einen Zettel im Hausflur, in dem ein Sommerfest in der Nachbarschaft angekündigt wurde. Dort lernte sie Christoph kennen.

Hidemi holt leicht angefrorenen Schweinebauch aus dem Gefrierfach. »Wenn das Fleisch angefroren ist, lassen sich viel besser dünne Scheiben abschneiden. In Japan gibt es Schweinebauch in ganz dünnen Scheiben, aber hier muss ich alles selber schneiden. Ich hab es mal mit einer Brotschneidemaschine versucht, aber danach muss man so viel saubermachen. Seitdem schneide ich alles immer mit dem scharfen Sushimesser.«

Sushimesser dürfen übrigens nur mit kaltem Wasser abgewaschen werden

Nach dem Fleisch schneidet sie den Kohl ebenfalls in dünne Streifen. Danach wäscht sie das Messer gleich ab und verstaut es kindersicher. »Sushimesser sind sehr scharf. Und sie dürfen übrigens nur mit kaltem Wasser abgewaschen werden«, erklärt sie. In Japan hat Hidemi als Kauffrau gearbeitet, in Europa zwischendurch auch schon mal als Sushiköchin. Jetzt, nach der Geburt von Kotaro, ist sie wieder als Kauffrau tätig.

»Als ich meinen Mann kennenlernte, mochte er gar keinen Fisch. Ich dagegen wollte mindestens einmal die Woche welchen essen. Das musste er dann üben.« Hidemi schneidet vier Lauchzwiebeln und schält eine Yamswurzel. »Viele Deutsche finden Yamswurzel schwierig, weil sie so klebrig ist. Aber sie ist wichtig, weil sie den Teig weicher macht.«

Pro Person schlägt sie ein Ei auf, anschließend mischt sie die Eier mit Mehl und Wasser. Hidemi rührt den Teig und prüft die Konsistenz. Dann gibt sie noch etwas mehr Wasser hinzu und Dashi, japanische Fischbrühe. »Dashi muss man nicht ranmachen, man kann es aber. Der Teig schmeckt damit etwas würziger.« Sie mischt Kohl und Lauchzwiebeln in den Teig. »Mein Mann sagt: Wenn in einem Supermarkt Asiaten sind, die ganz viele Lauchzwiebeln im Einkaufswagen haben, sind es garantiert Japaner.« In der Schale ist jetzt fast mehr Gemüse als Teig, der eher als Bindemittel zwischen den Gemüsestreifen zu dienen scheint.

Hidemi trägt die Schüssel mit dem Teig und die übrigen Zutaten ins Wohnzimmer, wo wir ein paar zusätzliche Stühle um den großen Glastisch stellen. Neben jeden Teller legt sie ein paar Stäbchen – womit auch die Frage geklärt ist, ob Japaner sogar Pfannkuchen mit Stäbchen essen. An der Wand neben dem Fenster hängen Blätter mit Kalligrafien. »Die habe ich selbst gemacht. Da hat man natürlich immer ein gutes Gesprächsthema, wenn deutsche Gäste zum ersten Mal zu Besuch sind. Für die sieht das ja eher aus wie abstrakte Gemälde.«

Hidemi stellt eine große japanische Okonomiyaki-Pfanne auf den Wohnzimmertisch und gießt ein wenig neutrales Pflanzenöl an. Wir setzen uns an den Tisch und schauen zu, wie die Schweinebauchscheiben anbrutzeln. Hidemi gibt die Pfannkuchenmasse über die gut angebratenen Scheiben. Der Geruch, der sich im Wohnzimmer ausbreitet, ist vielversprechend. Während das Essen gart, sitzen alle um die Pfanne und können sich schon mal die Münder wässrig schauen.

Die fertigen Pfannkuchen werden mit Mayonnaise und Otafuku, einer japanischen braunen Sauce, bestrichen. Darauf kommen dann noch Bonitoflocken aus getrocknetem Thunfisch, die sich auf dem heißen Pfannkuchen aufstellen, als seien sie statisch aufgeladen. »Ich brauche keinen Tanzfisch«, sagt Christoph, der seine Fisch-Aversion offenbar noch nicht vollständig überwunden hat. »Itadakimasu!« wünscht Hidemi. Das heißt »Guten Appetit!«, und den haben wir.

Obwohl schon ein Pfannkuchen für zwei vollständige Mahlzeiten reichen würde, müssen wir unbedingt noch eine zweite Variante mit Tintenfisch probieren. Die braune Sauce ist leicht süßlich und spielt besonders mit dem gebratenen Schweinebauch schön zusammen. Die fingerdicken Pfannkuchen mit Stäbchen zu essen gestaltet sich deutlich leichter als erwartet. Wir unterhalten uns angeregt über die kulturellen und kulinarischen Unterschiede der asiatischen Länder, während Kotaro von Christoph mit einem kleinen Okonomiyaki gefüttert wird.

Hidemi erzählt, dass es in Japan, im Gegensatz zu den meisten ostasiatischen Ländern, so gut wie keine scharf gewürzten Speisen gibt. Auch Knoblauch spielt in der japanischen Küche keine Rolle, was gut zu der japanischen Zurückhaltung passt, die Europäern manchmal etwas übertrieben vorkommt: Keinesfalls möchte man seinem Gegenüber zu nahe treten oder ihn belästigen – schon gar nicht mit den Ausdünstungen der letzten Mahlzeit.

Selbstverständlich gibt es aber auch Gerichte, die sich in Ostasien parallel entwickelt haben, was bei der räumlichen Nähe nicht groß Wunder nimmt. Yakiniku zum Beispiel ist die japanische Variante des bekannten koreanischen Bulgogi: Gegrillte dünne Fleischscheiben, die mit einer speziellen Sauce und verschiedenen Zutaten gegessen werden. In Japan ist – so sagen jedenfalls die Japaner – nur alles etwas zarter, feiner und aufgeräumter, sogar das Grillfleisch. Außerdem ist die weitgehend auf Fisch basierende Küche sehr gesund. Es gäbe wohl noch viel zu erzählen, aber eines wird mir schon beim Pfannkuchenessen klar: Mit dem kulinarischen Japan lohnt sich auf jeden Fall eine tiefer gehende Auseinandersetzung.

Okonomiyaki

  • 250 g Mehl
  • 300 ml Dashi oder 300 ml Wasser
  • 4 Eier
  • 400 g Spitzkohl
  • 1 Bund Lauchzwiebeln
  • 300 g geriebene Yamswurzel
  • 150–200 g Streifen Schweinebauch, fein geschnitten
  • 100 g Tintenfisch
  • etwas Pflanzenöl zum Braten
  • zum Servieren:
  • Okonomiyaki-Sauce (z.B. Otafuku)
  • Mayonnaise
  • Katsuobushi (Bonitoflocken)
  1. Dashi in eine Schüssel geben. Mehl und Eier dazugeben, verrühren.
  2. Den Kohl in feine Streifen schneiden, die Lauchzwiebeln hacken, Yams reiben. Zutaten zum Teig in die Schüssel geben und unterrühren.
  3. Die Pfanne vorheizen, etwas Öl hineingeben.
  4. Tintenfisch oder Schweinebauchscheiben braten. Wenn das Fleisch oder der Fisch halb durch ist, mit etwa einer Kelle Teig kreisförmig bedecken.
  5. Etwa 5–7 Minuten mit geschlossenem Deckel braten, wenden und ohne Deckel die andere Seite kross braten.
  6. Mit Okonomiyaki-Sauce und Mayonnaise dekorieren. Bonitoflocken drüberstreuen und servieren.
Meine Meinung …

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Aus Effilee #7, Nov/Dez 2009
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