La Mian – handgezogene Nudeln

Auf YouTube findet man Hunderte Videos chinesischer Köche, die einen dicken Kloß Teig nehmen, den mehrmals auf die Tischplatte schlagen und ihn dann auseinanderziehen, immer und immer wieder, wobei sich jedes Mal die Zahl der Stränge verdoppelt, bis unzählbar viele gleichmäßig dünne Nudeln entstanden sind.

Wenn man in Deutschland jemanden sucht, der Nudeln ziehen kann, wird die Luft allerdings schnell dünn. Wir hatten das Glück, auf Heike zu stoßen.

Heike zieht Nudeln normalerweise im Rahmen einer Kunstperformance, die sie als Diplomarbeit für ihr Studium als Industriedesignerin entwickelt hat. Sie hatte mehrere Jahre in China gelebt und dort bei Wang Shu, einem international renommierten Architekten, studiert. Dort lernte sie auch die Garküchen kennen, in denen die spektakulär von Hand gezogenen Nudeln ein einfaches Alltagsessen sind, das vor allem von den armen Wanderarbeitern gegessen wird, die zum Volk der Hui, einer muslimischen Minderheit, gehören.

Da sie wissen wollte, wie es geht, verbrachte sie zwei Wochen jeden Morgen ab 5 Uhr in einer Garküche, um den Nudelmeister beim Zubereiten des Teigs und beim Nudelziehen zu beobachten.

Mindestens ein halbes Jahr lang habe ich jeden Tag versucht, einen Teig zu kneten und Nudeln zu ziehen

Zurück in Deutschland hat sie die Sache nicht losgelassen und auf Vermittlung eines Freundes, der Kellner in einem chinesischen Restaurant in Berlin war, erklärte sich der dortige Koch bereit, ihr noch einmal eine Einweisung zu geben. Der Rest war Übung. »Mindestens ein halbes Jahr lang habe ich jeden Tag versucht, einen Teig zu kneten und Nudeln zu ziehen. Die armen Leute, mit denen ich zusammengewohnt hatte, mussten das immer essen«, schildert sie die praktischen Probleme, die sich ergaben. Denn den Teig kann man nicht aufbewahren, er muss jedes Mal frisch geknetet werden. Dabei hatte sie immer ihre Diplomprüfung vor Augen, bei der das Nudelziehen denn auch prompt schiefging. Die Prüfer waren trotzdem begeistert.

Heikes Idee ist, den alltäglichen Vorgang, eine einfache schnelle Mahlzeit zuzubereiten, in die weißgestrichenen Räume zu verpflanzen, in denen bei uns Kunst zelebriert wird. Ihre Garküche besteht aus quadratischen Kunststoffkisten und bei der Performance trägt sie Einmalhandschuhe, Mundschutz, Haarnetz und einen Arztkittel. »Ich wollte, dass mein Publikum sich so fühlt, wie sich ein Chinese fühlen muss, dem man einen Currywurstzerhacker vorführt.«

La Mian – handgezogene Nudeln

Für 8–12 Personen

Für die Brühe:

  • 4 kg Rinderknochen
  • 3 Bund Suppengrün
  • 4 Zwiebeln
  • 50 g Ingwerknolle
  • 6 getrocknete Shiitakepilze
  • 4 Stangen Zitronengras
  • 1 Chilischote
  • 3 Knoblauchzehen
  • 1–2 Anissterne
  • dunkler chinesischer Essig

Für die Nudeln:

  • 1 kg Mehl (Typ 405)
  • 2 EL flüssiges chinesisches Natron (Lye Water, Asialaden)
  • Mehl für die Arbeitsfläche
  1. Ofen auf maximale Hitze schalten, Rinderknochen auf ein Blech geben und sehr dunkel rösten. Einen Topf mit 6 Liter kaltem Wasser füllen. Suppengrün, Zwiebeln mit Schale und Ingwer grobwürfeln und mit Shiitakepilzen, Zitronengras, Chili, ganzen Knoblauchzehen und Anis in den Topf geben. Die gebrannten Knochen in den Topf geben. Langsam aufkochen und offen bei milder Hitze siedend 3 Stunden einkochen. Schaum abschöpfen.
  2. Mehl auf eine Arbeitsfläche geben. 600 ml Wasser und chinesisches Natron mischen und unterarbeiten. Den Teig mit den Händen geschmeidigkneten, dann auf der Arbeitsfläche mit den Knöcheln geballter Fäuste in Drehbewegungen noch geschmeidiger kneten. Den Teig mit streichenden Bewegungen dehnen, dann zu einer Rolle formen und ziehen. Die Enden in der Luft zusammenführen, den Teig zopfförmig eindrehen und erneut langziehen. Die Enden zusammenlegen und erneut langziehen. Insgesamt muss der Teig 15–20 Minuten geknetet werden.
  3. Teig mit Klarsichtfolie bedeckt in einer Schüssel bei Zimmertemperatur 20 Minuten ruhen lassen. Rinderbrühe durch ein Sieb mit einem sauberen Küchentuch passieren. Brühe in einen Topf geben. Mit Salz und chinesischem Essig abschmecken und aufkochen.
  4. Reichlich Wasser aufkochen. Teig zur Rolle formen, von der Teigrolle ca. 10 cm lange Stücke abtrennen, die Stücke auf einer leicht bemehlten Fläche Mehl gleichmäßig rollen. Die Nudeln in geschmeidigen Bewegungen langziehen, die Enden zusammenführen und erneut langziehen. Wiederholen, bis dünne Nudeln entstanden sind. Nudeln sofort ins kochende Wasser geben und garen, bis sie oben schwimmen. Absieben, abtropfen und in der heißen Brühe servieren.
Tipp: Die Nudeln in Brühe werden in China mit allerlei Einlage angereichert: gebratenes Wokgemüse, Frühlingszwiebeln, frisch geschnittener Koriander oder Schnittlauch, wahlweise gekochter Schweinebauch, Hühnerfleisch oder Garnelen.
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1 Kommentar

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  1. La Mian Nudeln, bzw. Handgozogene Nudeln können mit keinen deutschen Weizenmehl (zuviel Gluten, Eiweiß, Kleber) hergestellt werden. Alle versuche die ich in dieser Richtung bis jetzt unternommen habe scheiterten immer. Wahrscheinlich ist niemand bereit ein wirklich gutes und funktionierendes Rezept zum Handziehen preiszugeben.

Aus Effilee #24, Frühling 2013
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