Errötendes Mädchen

Eine beinahe schon vergessene, klassische Nachspeise aus Norddeutschland, eine Kindheitserinnerung in Zartrosa ist Errötendes Mädchen. Diese Buttermilchspeise zog uns Kinder farblich durchaus an, sie wabbelte und schwabbelte auch ganz vorzüglich in der Schüssel

Ist das etwa Sprühsahne? Ich kann das erklären. Eine beinahe schon vergessene, klassische Nachspeise aus Norddeutschland, eine Kindheitserinnerung in Zartrosa ist Errötendes Mädchen. Diese Buttermilchspeise zog uns Kinder farblich durchaus an, sie wabbelte und schwabbelte auch ganz vorzüglich in der Schüssel, und wenn sich die Speise von Form und Schöpflöffel löste, gab es, wenn man Glück hatte, Pupsgeräusche (kicher). Dann aber war Schluss mit lustig, die Speise schmeckte jedes Mal von Neuem wieder überraschend säuerlich. Darum bestanden wir auch immer auf extra viel von der zuckersüßen Industrie-Sprühsahne, die zwingend dazugehörte, damit dieses Spiel zwischen mundwässernder Säure und süßer Seligkeit gelingen konnte. Und da war noch etwas, eine herbe Note, die ich erst heute einzuordnen weiß. Jahrelang hatte ich geglaubt, es wären Johannisbeeren verwendet worden. Zwar wurde die Speise auch mit diesen dekoriert, tatsächlich aber waren und sind Preiselbeeren die Fruchtbasis für Errötendes Mädchen. Und um es noch ein bisschen komplizierter zu machen: Es existiert auch eine Preiselbeer-Creme-Schichtspeise mit Pumpernickel gleichen Namens, die aber eher in Westfalen zu verorten ist. Diese wiederum ist verwandt mit der Westfälischen Götterspeise, allerdings werden dabei Kirschen und Pumpernickel mit Sahne geschichtet. Aus dem höheren Norden kommt dann wieder die Mädchenröte oder auch Errötende Jungfrau, hier sorgen tatsächlich Johannisbeersaft und /oder pürierte Himbeeren für die namentliche Färbung. Beide Speisen sind in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und angrenzenden Regionen beheimatet. Und tatsächlich sind dort auch immer schon Preiselbeeren zu Hause. Das wild wachsende, immergrüne Heidekrautgewächs findet sich in norddeutschen Feuchtgebieten und Kiefernwäldern.

Die Preiselbeere ist ein Superfood der Natur, pur, aber fordernd im Geschmack

Im niedersächsischen Aller-Leine-Tal kultiviert die Obstbauern-Familie Dierking von der Moosbeerhütte in Gilten-Nienhagen sogar Cranberrys! Die etwas weniger herbe und deutlich größere Schwester der Preiselbeere ist in Nordamerika beheimatet. Sie findet hier aber perfekte klimatische Bedingungen und gedeiht gut auf dem sandigen Heideboden. Oft erkennen Besucher oder Wanderer die Anbauflächen der Cranberrys nicht, obwohl sich zwischen mächtigen Kiefern ein mehrere Fußballfelder breiter Streifen Heidelandschaft auftut. Erst beim näheren Hinsehen erkennt man die dunkelroten Früchte an den geduckten Bodengewächsen. Von Mitte September bis in den November hinein wird geerntet. Diese Handarbeit am Boden ist mühsam, entsprechend wertvoll war auch die heimische Wildpreiselbeere immer schon und geschätzt ob ihrer antibiotischen Wirkung und dem hohen Vitamin-C-Gehalt der kleinen Früchte. Anregend wirken auch die antioxidativen Gerbstoffe der Preiselbeere. Ein Superfood der Natur also, pur, jedoch fordernd im Geschmack. So erklärt es sich auch, dass Preiselbeeren immer schon mit Zucker eingekocht und haltbar gemacht wurden – und es ist jene herbe Süße, die uns die Buttermilchspeise Errötendes Mädchen schenkte. Weil aber Kulinarik nicht von der Anbetung der Asche, sondern von der Weiterreichung flammender Ideen lebt und wir gerade Sommer haben, der uns mit wunderbaren Beeren beschenkt, habe ich Buttermilch mit frischen Früchten vermählt. Die herbe Süße stammt von Preiselbeerkonfitüre. Die gesamte errötende Damenwelt Norddeutschlands in einem Rezept versammelt sozusagen. Die Sprühsahne bleibt aber Pflicht!

Errötendes Mädchen

Für 4–6 Personen
  • 250 g rote Johannisbeeren
  • 5 Blatt Gelatine (siehe Tipp)
  • 200 g Himbeeren
  • 2–3 EL Zitronensaft
  • 500 ml Buttermilch
  • 80 g Preiselbeerkonfitüre
  • 200 ml Schlagsahne
  • süße Sprühsahne
  1. Die Johannisbeeren waschen. Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Von den Johannisbeeren ca. 100 g besonders schöne Fruchtrispen für die Dekoration auf einem Teller mit Küchenpapier beiseitestellen. Dann die übrigen 150 g Johannisbeeren von den Rispen zupfen, waschen und mit Himbeeren und Zitronensaft zu einer Fruchtsauce pürieren. Die Sauce durch ein Sieb in einen Topf passieren. Buttermilch und Preiselbeerkonfitüre in einer Schüssel glattrühren.
  2. Fruchtsauce im Topf erwärmen, die Gelatine ausdrücken und darin auflösen. Im dünnen Strahl mit einem Schneebesen unter die Preiselbeer-Buttermilch rühren. Ca. 20 Minuten kalt stellen, bis die Creme leicht zu gelieren beginnt. Die Sahne steifschlagen und unterheben. Die Creme im Kühlschrank mindestens 5 Stunden zugedeckt stocken lassen.
  3. Die Creme aus der Form auf Teller oder eine Platte stürzen, dazu die Form kurz in heißes Wasser tauchen. Mit den übrigen Johannisbeeren und Sprühsahne dekorieren.
  4. Tipp: Die junge Dame errötet noch deutlicher, wenn Sie rote Blattgelatine verwenden.
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Aus Effilee #45, Sommer 2018
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