Herr Haas, wie lange sind Sie jetzt Chefkoch im Tantris?
Jetzt bin ich neunundzwanzig Jahre hier. Bald wird das Tantris fünfzig, Dann wären es dreißig Jahre … Das ist schon eine Zeit.
Das ist eine Ära …
Na ja. Eckart Witzigmann war sieben Jahre da, Heinz Winkler dann dreizehn. Und ich bin jetzt bald im dreißigsten treu. Dass das mal so kommt, hätte wahrscheinlich keiner gedacht.
Apropos Treue: Die Art und Weise, wie Sie Ihrer Handschrift treu bleiben, ist schon einzigartig in Deutschland. Sehr selten findet man eine so klare, wiedererkennbare Handschrift wie die Ihre …
Danke. Die molekulare Küche war für mich ja nie ein Thema. Es ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, gerade wenn es einer gut macht. Aber ich wollte nie so kochen. Das ist nicht meine Art. Ich glaube, dass es darauf ankommt, dass man aus dem Herzen und aus dem Bauch heraus das macht, was man selbst gut findet. Schauen Sie, wie viele Stammgäste wir haben, ob aus Österreich oder der Schweiz, aus München oder dem Umland. Darauf bin ich stolz. Zu uns kommen manche Gäste zehn, zwanzig Mal im Jahr. Das muss man erstmal schaffen. Manche haben hier noch nicht einmal die Speisekarte angeschaut. Sie sagen, der Chef soll einfach machen. Inzwischen weiß ich auch, was der ein oder andere mag. Und wenn einer irgendetwas vielleicht nicht so mag, dann kriegt er das eben nicht. Das ist, was der Gast schätzt. Selbst wenn er zwanzig Mal bei uns ist, bekommt er jedes Mal ein anderes Menü. Immer anders, aber immer in meiner Handschrift.
Die übrigens bei dem Menü gestern Abend deutlich zu spüren war … Ich fand das war ein gewaltiges, ein wirklich ganz gewaltiges Spektrum des Kochens in einem einzigen Menü. Die ganz intensiven, dichten Geschmäcker, dann die wunderbare Leichtigkeit …
Das freut mich. Ich versuche eigentlich, einfach zu kochen. Mit einfachen Produkten in sehr guter Qualität. Es wird immer schwieriger, solche guten Produkte zu bekommen wie zum Beispiel diese Kalbsschulter, die Sie gestern hatten. Das ist ja wirklich noch der helle Wahnsinn.
Es gibt ja mittlerweile viele, die das Regionale auf ihre Fahnen geschrieben haben. Das Absurde dabei ist, dass es meist die sind, zu denen die Leute dann mit dem Flugzeug anreisen. Ich glaube, dass es nicht reicht, regional einzukaufen, sondern man muss gleichzeitig lernen, auch wieder regional zu verkaufen. Und das haben Sie eigentlich immer schon gemacht. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum das Tantris schon immer ein Stammgäste-Restaurant gewesen ist, oder?
Heute wird viel über Regionalität geredet. Ich habe das schon immer so gemacht. Ohne dass ich einmal darüber nachgedacht habe. Weil es für mich immer wichtig war, einen Produzenten zu haben, den ich kenne und auf den ich mich verlassen kann. Schauen Sie, ich koche seit dreißig Jahren mit dem Riederer Lamm. Ich habe noch nicht einmal ein anderes Lamm gehabt. Warum auch? Vom Gutshof Polting kommt immer die perfekte Ware. Und das hat seinen Preis. Aber nur so funktioniert es. Es gibt einen Rentner, der für mich Pilze sammelt, und eine Frau, die Gemüse aus ihrem eigenen Garten bringt. Das Gemüse, das gestern beim Kalb dabei war, das stammt aus dem Garten. Sie kommt oft erst nachts um elf, dann hat sie drei, vier, fünf Kisten dabei.
Viel regionaler geht es nicht …
Das stimmt. Trotzdem bin ich bestimmt nie stehengeblieben. Allein schon weil ich immer Wert aufs Produkt gelegt hab: Schauen Sie sich einfach diese ganze Geschichte mit dem Lachs und dem Lauchpüree und der warmen Butter an.
Der Lachs wird bei 80 Grad im Ofen in Butter konfiert. Das Gericht steht seit Jahren immer wieder auf Ihrer Karte.
Es ist ein Klassiker geworden. Heute macht jeder so den Lachs. Weil das einfach so schonend ist. Wichtig ist, dass man ein Produkt unterstützt. Das ist meine Philosphie. Und nicht, dass man noch hunderterlei Sachen drauf packt. Wenn ich etwas Gutes habe, dann brauche ich eigentlich gar nicht mehr viel dran machen.
Lassen Sie uns über die Seppioline sprechen. Wie kriegt man die Tintenfischtuben so hin?
(Lacht) Ja, die haben Sie noch nie so gekriegt, gell?
Noch nie!
Ja, das sind eben diese Dinge. Ja, also ich würze alles in einer Lake. Auch den Lachs, den Steinbutt und andere Fische. Ich nehme hundert Gramm Salz auf einen Liter Wasser. Da lege ich die Sachen fünf, sechs Minuten hinein, dann sind sie perfekt gewürzt. Das Lake zieht ein, das ist besser als wenn man so draufsalzt. Und die Seppioline sind so zart, die lege ich nur ganz kurz rein, da reichen zwei Minuten, das braucht nicht lange. Trockentupfen und dann konfiere ich sie in geklärter Butter oder in Öl und in zwei, drei Minuten werden die Wahnsinn. Geben Sie die Seppioline in die Pfanne, dann werden sie fest, das ist zu heiß. Auf meine Art garen sie perfekt, bekommen Schmelz - und behalten trotzdem noch ein bisschen Biss.
Und das geht dann auch wunderbar mit dem Kaviar zusammen.
Ja. Und mit dem Eigelb. Eigentlich ist das ja ein Spiegelei. Das ist alles ganz einfach.
Die Kunst des Einfachen muss man aber eben auch können …
Ja. gerade diese Dinge, die jeder kennt, die jeder schon hundertmal gegessen hat und deswegen sagt: Das muss ich jetzt nicht noch mal haben. Aber dann isst er das auf einmal richtig gemacht und sagt: Prima, so geht es also auch! Das schätzen die Gäste und offensichtlich vor allem die Stammgäste. Manche sagen, sie haben ganze Ordner von Menükarten zu Hause. Und viele wollen sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, jetzt noch mal hier her zu kommen. Das empfinde ich dann schon auch als eine Ehre.
Ja, das war für uns eine große Ehre, dass es noch geklappt hat.
Ja, so in der Art gibt es das bald nicht mehr. Es wird eine neue Linie geben. Aber das wird schon gut, die Familie Eichbauer hat es immer gut gemacht. Da habe ich überhaupt keine Bedenken.
Und bei Ihnen, wie geht es bei Ihnen weiter?
Ja, bei mir … am 31. Dezember ist Schluss und dann …
… wird gefeiert?
Ja auch. Aber dann lasse ich es mal kommen, wie es kommt. Einfach was machen, ohne dass einer »Chef« schreit. Ich werde wieder mehr Sport treiben und mich um meine Kunst kümmern.
Sie machen Objekte aus Knochen und Gräten …
Dafür werde ich jetzt mehr Zeit haben. Bei einem Freund gibt es so einen Keller, wo ich das machen kann! Wenn ich da rein gehe, würde ich am liebsten gar nicht mehr raus kommen. Darauf freue ich mich wahnsinnig.
Und wie sieht es mit dem Kochen aus?
Professionell kochen will ich nicht mehr. Auch nicht in der Kochschule. Sie wissen selber, wie viel Arbeit das ist, mit der ganzen Vorbereitung. Aber vielleicht schreibe ich nochmal ein Buch. Ich habe meiner Frau vorgeschlagen, vielleicht mal eines zusammen machen. Mit den Sachen, die sie zuhause kocht, mit einfachen Sachen und doch ein bisschen raffiniert. Mal schauen.
Ihre Frau ist wahrscheinlich eh zu beneiden, oder?
Haja! Aber meine Frau kocht auch sehr gut. Und wir werden auch mal ein bisschen öfter essen gehen, es ist mir nämlich viel entgangen, muss ich ehrlich sagen. Ich konnte ja selten. Und wenn ich mal wollte, ging es nicht, weil die meisten am Sonntag auch zu haben. Ich sag mal: Ab dem 1. Januar kann alles, aber es muss nichts mehr. Ich lasse es einfach auf mich zukommen. Und ich bin ganz entspannt dabei.
Was würden Sie einem jungen Koch, der gerade seine Ausbildung fertig hat, gerne mitgeben als väterlichen Rat?
Als väterlichen Rat? Dass er sich einen kleinen Betrieb, wo er wirklich noch kochen lernt, wo er an alles dran muss, wo er einfach eine gute Basis bekommt. Denn in der Lehre bekommt man häufig zu wenig mit. Das ist einfach so. Und dann: Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, sich von unten langsam und geduldig hochzuarbeiten. Als Koch wird man heute ganz schnell hoch geschrieben, weil man ein tolles Gericht gemacht hat. Aber in zwei Jahren ist man wieder von der Bildfläche verschwunden. Und drittens: Durchhalten, dabei bleiben und nicht gleich wegen jedem Ding aufgeben. Das ist immer wichtig im Leben …
Seppioline mit lauwarmen Eigelb und Sauce Mignonette
Muschelfond:
- 500 g Bouchotmuscheln
- 3 Schalotten
- ½ l Weißwein
- Etwas Thymian
- 1 EL Öl
Sauce Mignonette:
- 200 g Muschelfond
- 300 g Geflügelfond
- 2 EL Mignonette-Pfeffer
- 1 EL Öl
- 1 EL Essig
- Meersalz, Zucker
- 50 g geriebene Kartoffel
- 2 EL fein geschnittene Schalotten
- 150 g Butter
Kartoffelpürreé:
- 350 g Kartoffeln
- Salz
- 20 g Butter
- Muskatnuss
- 100 ml heiße Milch
- 1-2 EL geschlagene Sahne
Seppioline mit Eigelb:
- 4 Stück Seppioline, geputzt
- 4 Eigelb, lauwarm
- Salz
- Pfeffer
- Öl, bzw. geklärte Butter
- Kaviar
Muschelfond
- Öl in einem Topf erhitzen, Schalotten zugeben, kurz anschwitzen, die gut gewaschenen frischen Bouchotmuscheln dazugeben, Wein zugießen, etwas Salzen, dann bedecken und ca. 3 Minuten gut durchkochen lassen.
- Durch ein Sieb passieren und erkalten lassen. Wird der Muschelfond nicht gleich ganz verwendet, kann er eingefroren werden.
Sauce Mignonette
- Öl und Schalotten anschwitzen. Essig, Pfeffer, Muschelfond und Geflügelfond zugeben und auf ca. ein Drittel reduzieren.
- Etwas Butter einmontieren und mit der restlichen Butter im Mixer zu einer cremigen Sauce aufmontieren. Wenn nötig noch etwas mit Salz und Zitronensaft abschmecken.
Kartoffelpüree
- Kartoffeln in Salzwasser weich kochen, durchpressen, Butter und Milch zugeben mit Salz, Muskat würzen, verrühren und zum Schluss die geschlagene Sahne unterheben.
Seppioline
- Die geputzten, gut gewaschenen Seppioline 3 Min. in eine zehnprozentige Salzlake legen, trockentupfen und anschließend in 65° heißer geklärter Butter 2-3 Min. pochieren.
- In einem tiefen Teller 1 EL Kartoffelpürée anrichten, die Seppioline darauf legen, das lauwarme Eigelb in die Seppioline füllen.
- Die Sauce Mignonette aufschäumen und um die Seppioline gießen, eine Nocke Kaviar aufsetzen.