Deutschstunde: Nudelsalat

Lust auf Rindercarpaccio und immer noch steht keine Aufschnittmaschine in der Küche? Zeit für zwei Bögen Backpapier und einen schweren Topf …

Jetzt, wo alle nur noch gesunde Getreidesalate zur Grillsause mitbringen, ist der Nudelsalat ein alter König. Die Legende ist hier, also hebt die Hände! Und die hat einiges mitgemacht in den letzten Jahrzehnten. Der Nudelsalat ist spätestens mit dem Beginn der Nullerjahre aus der Mode gekommen, galt plötzlich als altmodisch, stillos gar, der Prolet am Grillbuffet. Ich habe das nie verstanden und war ihm immer treu, denn er ist ein herrlich cremiges Vergnügen der alten Schule. Wenn er richtig gemacht ist: zwingend mit Spiralnudeln, in deren Windungen sich die samtige Sauce sammelt, Eiernudeln bitte schön, die keinesfalls al dente sein dürfen, das Gemüse dazu dafür knackig und nicht aus der Dose. So zubereitet ist der Nudelsalat der Chef im Ring. Das kann man jetzt auf Partys auch wieder beobachten, reuevoll kehren sie alle zurück, die Bulgur-Batzer und Couscous-Verkocher. Sie nehmen am Buffet erst nur ein bisschen vom Nudelsalat, kauen beschämt und murmeln dann: Oh, toll, ganz vergessen – und dann ist rubbeldikatz der ganze Nudelsalat als Erstes aufgegessen. Das mag auch daran liegen, dass die Liebe zum Nudelsalat in der deutschen Kulinarik-DNA fest verankert ist. Der vielfach ausgezeichnete Autor Rafik Schami hat das trefflich beobachtet, wie er in seinem Buch Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat * beschreibt. Es ist eine Sammlung launiger Deutschlandbetrachtungen des in Damaskus geborenen Autors, der seit über vierzig Jahren in Deutschland lebt. Kein Araber käme je auf die Idee, selbst zu kochen oder zu backen, wenn er eingeladen ist, erzählt Schami und schreibt: »Wenn man zehn Deutsche einlädt, sollte man aber mit drei Nudelsalaten rechnen.« Spoiler: Der Autor findet Nudelsalat auch nach all den Jahrzehnten in seiner Wahlheimat immer noch schrecklich und mutmaßt, der Salat sei wahrscheinlich deshalb so beliebt, weil man ihn mit einer Hand zubereiten könne, während man sich mit der anderen zurechtmache, um überpünktlich zum Fest zu erscheinen. Tatsächlich verlangt ein guter Nudelsalat schon nach beiden Händen, wenn aus dem Profanen das Besondere gelingen soll. Ursprünglich ist der Salat einfachste Großmutterküche. Aus Dosengemüse und Trockennudeln schnell gemacht, sättigte er im Wirtschaftswunderdeutschland günstig auch größere Gesellschaften, gereicht mit Würstchen, Senf und Bier zur Feierabendfeierei. Nie verstanden habe ich die Anreicherung des Originals mit Dosenananas und Schinkenwürfeln, eventuell sollte seinerzeit damit der Eindruck von Luxus und Exotik befeuert werden. Gesetzt sind heute neben den Spiralnudeln vor allem die Gemüsemischung aus Paprika, Möhre, Mais und Erbsen – und wenn die frisch zubereitet wird, fängt es an Spaß zu machen. An dieser Stelle verrate ich selbstlos auch meine zwei essenziellen Geheimtipps für vollendeten Nudelsalat: a) für eine feine Säure und Würze rühre ich das Dressing mit Essiggurkenwasser schlank, und b) Currypulver. Kein Witz, und wirklich nur ein Hauch Currypulver (es darf nicht vorschmecken!) am Dressing schafft eine besondere Vollmundigkeit, den speziellen Kick! So zubereitet passiert bestimmt, was Schami auch notierte: Und wenn es ihnen [den Deutschen] schmeckt, sagen sie nach genau neunzig Sekunden: ›Lecker, kannst du mir das Rezept geben?‹

* Rafik Schami, Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat, dtv Taschenbuch, S. 31 und 33

Nudelsalat

Für 4–6 Personen
  • 1 Maiskolben
  • Salz
  • 250 g Erbsen in der Schote
  • 1 rote Paprika
  • 1 dicke Möhre
  • 1 milde Zwiebel
  • 3 EL mildes Rapsöl
  • ca. 100 ml Gemüsebrühe
  • 250 g Spiral-Eiernudeln
  • 2 Gewürzgurken aus dem Gas
  • 100 g Mayonnaise
  • 150 g Sauerrahm
  • 1 EL scharfer Senf
  • 1–3 TL Weißweinessig oder Kräuteressig
  • ½ TL Paprikapulver, edelsüß
  • 1–2 Msp. mildes Currypulver
  1. Den Maiskolben in reichlich Salzwasser 10 Minuten kochen. Die Erbsen palen, aus den Schoten drücken. Die Paprika und Möhre mit dem Sparschäler schälen, fein würfeln und salzen. Die Zwiebel halbieren, pellen und fein würfeln, salzen.
  2. Die vorbereiteten Gemüse in einer Pfanne im Öl kurz glasig anschwitzen, die Erbsen zugeben, mit etwas Brühe bedecken und offen 3–4 Minuten knackig garen. Abgießen und mit kaltem Wasser abschrecken, im Sieb abtropfen lassen.
  3. Die Nudeln in reichlich Salzwasser nach Packungsanweisung kochen. Derweil die Gurken fein würfeln und mit Mayonnaise, Sauerrahm, Senf, Essig, Paprikapulver und Currypulver verrühren. Mit Essiggurkenwasser schlank rühren.
  4. Nudeln und Gemüse mit dem Dressing mischen, mit Salz abschmecken. Der Nudelsalat zieht mit der Zeit etwas an – er lässt sich mit noch etwas Gurkenwasser, Milch oder mehr Sauerrahm vor dem Servieren wieder schlank und cremig rühren.

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