Max Natmessnig, was haben wir denn auf dem Teller?
Also, wir haben einen Saibling vom Nikolai Birnbaum. Den haben wir etwas angebeizt, um die Textur zu verändern und dann mit der glühenden japanischen Binchotan-Kohle abgeflämmt. Dadurch bekommt der Fisch eine weitere Dimension, diese leichten cleanen Raucharomen, die ich sehr gern habe. Wir versuchen, nicht nur bei diesem Gang, alles von dem Tier zu verwenden, die Haut wird ganz klassisch dehydriert und dann frittiert. Aus den Karkassen kochen wir eine Saiblingsconsommé und machen daraus eine Buttermilchessenz. Die brechen wir aromatisch mit etwas Schnittlauchöl. Am Tisch geben wir noch einen Buttermilchschaum dazu, um noch diese Frische zu bekommen. Der Crunch kommt durch den Kohlrabi und Finger Lime. Was ich auch hervorheben möchte, ist das schwarze Limettenpulver. Das ist aus selbst fermentierten, getrockneten schwarzen Limetten, die sind hocharomatisch. Die Idee stammt aus dem arabischen Raum, da nimmt man die Limetten für Schmorgerichte, Lammschulter oder Lammkeule. Wir fanden, das passt gut dazu, weil es so eine schöne tiefe Frische gibt. Und natürlich darf der Saiblingskaviar nicht fehlen, dann schließt sich der Kreis.
Wie geht das mit dem Beizen des Fisches?
Die Technik kommt eigentlich aus Japan. Dort nehmen sie den Fisch, nehmen die Kiemen und die Augen raus, putzen ihn richtig durch, reiben ihn mit Salz ab und hängen ihn auf. Sie lassen ihn wirklich zwei bis drei Tage abhängen, bis er völlig entspannt ist. Dann wird er filetiert und anschließend gebeizt, damit die Struktur noch etwas fester wird. Wir beizen nicht aggressiv mit reinem Salz, sondern in einer Wasserlake. Das habe ich in Amerika gelernt, dort wird eigentlich alles gebeizt, vom Huhn über den Turkey und den Fisch bis zum Fleisch.
Wie habt ihr den Kohlrabi zubereitet?
Der ist einfach nur roh mariniert, mit einer Yuzu-Vinaigrette, fast schon à la minute. Damit wir den schönen Crunch von dem Gemüse dabeihaben. Dann kommen noch verschiedene Kräuter drauf, Zitronentagetes, da wird das Zitrusthema wieder unterstrichen. Es ist ein schönes Frühlingsgericht.
Ich versuche in meiner Küche diese Internationalität mit der Regionalität zu paaren, einerseits haben wir den Saibling, andererseits arbeiten wir auch gerade an einem Abalone-Gericht.
Was ist denn dein Ziel, wenn du an so einem Gang arbeitest?
Auf jeden Fall, das Tier zu respektieren und verschiedenste Sachen daraus zu machen. Ich versuche in meiner Küche diese Internationalität mit der Regionalität zu paaren, einerseits haben wir den Saibling, andererseits arbeiten wir auch gerade an einem Abalone-Gericht. Oder wir verarbeiten Kaisergranat aus Frankreich. Ich mag diesen Spannungsbogen zwischen den Produkten.
Wie lange bist du jetzt im Alois?
Seit Oktober. Davor waren wir in Lech am Arlberg, in der Roten Wand.
Wie lange warst du da?
Fünfeinhalb Jahre. Das war eine tolle Zeit. Im Winter war es immer rappelvoll, aber sonst ist es dort eher abgeschieden. Da konnten wir uns sehr auf die eigene Linie fokussieren, mussten uns nicht an andere Einflüsse anpassen.
Das war ein Tresenrestaurant …
Ja, wir hatten da viel Gästekontakt, es war sehr direkt.
Mir schien, dass du das auch hier versuchst umzusetzen?
Genau. Ich lasse es mir nicht nehmen, nah am Gast zu sein. Ich möchte das spüren, mit dem Gast kommunizieren, das finde ich sehr wichtig. Nicht nur für mich, auch für das ganze Team. Peter Urban-Leibetseder geht vor dem Essen mit einem Wagen raus und präsentiert den Gästen die Produkte, die wir verarbeiten; ich glaube, da sind wir gut aufgestellt.
Mir ist positiv aufgefallen, dass diese Produktpräsentation bei euch eher reduziert ausfällt.
Ja, oft ist das zu lang.
Und ihr präsentiert nicht jeden rohen Fisch oder Kaisergranat. Wenn der bei manchen Kollegen drei Mal rausgeholt wird, ist mir eher etwas unwohl dabei.
Ja, das verstehe ich. Das hat dann mit Respekt vor dem Produkt auch nicht mehr viel zu tun. Wir machen es kurz und prägnant. Aber es ist schon wichtig, den Gast mitzunehmen, damit er auch versteht, was am Ende auf dem Teller ist, wie viele Menschen daran beteiligt waren, dieses Produkt ins Haus zu holen.
Wir können hier sehr viele Synergien nutzen, mit dem Rest des Hauses. Das erweitert auch den Horizont, meinen, und auch den des ganzen Teams
Wenn du vergleichst, wie du in Lech eingekauft hast und wie es hier in München geht, ist das ein großer Unterschied?
Absolut. Wir können hier sehr viele Synergien nutzen, mit dem Rest des Hauses. Das erweitert auch den Horizont, meinen, und auch den des ganzen Teams. Das ist schon sehr speziell. Der Chefeinkäufer, Herr Weiß, ist in ganz Europa unterwegs. Der macht das schon sein Leben lang und kennt sich richtig aus bei den Top-Produkten. Davon profitiert das ganze Haus und wir natürlich auch.
Bist du denn familiär vorbelastet, was die Gastronomie betrifft?
Überhaupt nicht. Ich bin das schwarze Schaf der Familie! Mein Vater ist Arzt, ich komme aus einer Ärztefamilie. Die Mama hat dem Papa geholfen in der Praxis. Meine Schwester ist Ärztin, mein Opa war Arzt. Also es waren alles Ärzte. Aber ich wollte eigentlich schon immer Koch werden. Das war ein Kindheitstraum muss ich sagen.
Weißt du wieso?
Das werde ich oft gefragt, aber es gibt eigentlich keinen Grund. Ich fand es schon immer spannend, in der Küche zu arbeiten, mit einem Team. Das war einfach immer ein Traum von mir.
Den du verwirklicht hast?
Erst hab ich die Matura gemacht, das Abitur. Die Eltern hatten natürlich gesagt, es ist erstmal gescheiter, wenn ich das Abitur mache und dann erst die Lehre. Dann habe ich die Lehre ausgelassen und gleich begonnen, ein zweijähriges Tourismuskolleg in Wien zu machen. Da war die Gastronomie eher peripher ein Thema, es ging um Rechnungswesen - und Sprachen. Aber am Ende habe ich dann ein dreimonatiges Praktikum, eine Stage, gemacht, in der Auberge de l’Île in Lyon. Nicht zu verwechseln mit der Auberge de l’Ill im Elsass. Da hat es mich dann gepackt und ich wollte nur noch in die Küche. Danach habe ich zum Glück eine Stelle bei Heinz Reitbauer bekommen, im Steirereck und konnte dort mitarbeiten.
Das war dann auch gleich die oberste Schublade, oder?
Ja, das hat mich eigentlich immer gereizt, die obere Schublade. Ich fand es spannend, was man aus Essen alles machen kann, aus den Produkten. Die Kreativität und die langen Arbeitsstunden, wo man in der Küche steht und im Team gemeinsam etwas Schönes schafft.
Nach zwei Jahren habe ich mir gedacht, jetzt wäre es vielleicht interessant, ins Ausland zu gehen. Da habe ich verschiedenste Stellen angeschrieben, eigentlich wäre ich gern nach Frankreich gegangen. Aber da hat sich nichts bewegt, ich kann mir vorstellen, dass die in erster Linie ihre eigenen Köche pushen. Und sprachlich wäre es auch ein bisschen schwierig gewesen. Dann ist eine Stelle frei geworden in den Niederlanden bei Sergio Herman im Oud Sluis. Da habe ich erst drei Monate unbezahlt gearbeitet und danach eine Stelle als Chef de Partie bekommen.
Das klingt spannend.
Unfassbar! Das Tempo in der Küche, die Mentalität! Es gab ein kleines Menü, ein großes Menü und à la carte gab es auch noch. Das wurde zum Lunch und zum Dinner serviert. Wir waren acht Leute in der Küche und haben das abgeliefert. Das war schon eine ganz andere Pace. Aber es war toll. Ich habe sehr viel gelernt, vor allem vom Technischen her. Und die Produktqualität dort an der Küste war auch etwas Besonderes. Wir haben Steinbutt gehabt, Glattbutt, Kaisergranat, flache Auster - verschiedenste Produkte, die ich aus Wien nicht kannte. Damals gab es noch nicht diese Lieferkette, wie man sie heute kennt, im deutschsprachigen Raum. Sergio Herman war berühmt dafür, wie er die Produkte kombiniert hat, zum Beispiel hat er ein Stück Steinbutt genommen und darauf eine pochierte Auster gelegt.
Das war auf jeden Fall eine tolle Zeit. Da war ich zweieinhalb, drei Jahre. Ein Freund von mir hat damals eine Stage im Eleven Madison Park in New York gemacht. Da gab es nicht viele Plätze für Stagiaires, anders als in Holland. Ich dachte, okay, Amerika wäre auch spannend. Dann habe ich mich um das Visum gekümmert und bin nach New York gegangen, ins Nomad, das war ein Riesenhotel. Es ging auch darum, in die Stadt erstmal reinzukommen. Es war irre schwierig, am Anfang überhaupt eine Wohnung zu finden. Auch die Energie dieser Stadt, das ist schon was ganz anderes. Dann habe ich gedacht, jetzt hier auch noch drei Sterne, das wird schon tricky.
Man hat dort kaum ein Restaurant, das nicht mindestens zwei Seatings am Abend macht …
Das ist absolut eine andere Nummer als bei uns. Viel schneller, diese europäische Gemütlichkeit, die gibt es nicht. Ein Kollege hat im Chef’s Table at Brooklyn Fare eine Stelle bekommen und als dort nochmal was frei wurde, habe ich das sofort genommen. Es war eigentlich sehr schwierig, da was zu bekommen. Dort hatten sie bei der Produktqualität nochmal ein Schippchen draufgelegt im Vergleich zu Europa. Zweimal in der Woche kam ein Flugzeug mit Ware aus Japan und es war faszinierend, nur zu sehen, wie diese Fische eingepackt waren. Diese Perfektion! Und man hat bei César Ramirez diese Simplicity gelernt, diese Klarheit im Umgang mit den Produkten.
Von dort bist du direkt nach Lech gegangen?
Ich dachte mir, ich gehe wieder zurück in die Heimat. Witzigerweise war ich als Österreicher bis dahin noch nie am Arlberg gewesen. Aber ich hatte mir gedacht, das ist eine tolle Gelegenheit, die erste Stelle als Chefkoch. Meine Frau ist Amerikanerin, aber sie ist zum Glück mitgekommen und dann haben wir gemeinsam mit dem Team etwas Schönes aufgestellt. Wir haben versucht, meine ganze kulinarische Reise widerzuspiegeln, von den internationalen Produkten und der Technik, die ich gelernt habe, bis zu der österreichischen Bodenständigkeit. Das sieht man jetzt auch hier in München, mit dem Saibling, den Forellen, mit dem Aal und dem Stör.
Ich finde ja, viel mehr junge Köche müssten eigentlich viel mehr rauskommen, in die Welt.
Absolut. Man erweitert ja wirklich seinen Horizont mit neuen Produkten und neuen Techniken. Es war natürlich nicht einfach, allein schon eine Wohnung zu finden und die intensive Arbeitszeit. Aber wenn man es wirklich liebt, ist es der schönste Beruf der Welt.
Alois – Dallmayr Fine Dining
Dienerstraße 14-15
80331 München
alois@dallmayr.de
Dienerstraße 14-15
80331 München
alois@dallmayr.de
Gebeizter Saibling mit Buttermilch-Schnittlauch-Vinaigrette und Saiblingskaviar
Für 4 Personen
Gebeizter Saibling
- 1 Saiblingsfilet auf der Haut
- 50 g Salz
- 40 g Zucker
- 1 l Wasser
- 1 Zitrone, in Scheiben geschnitten
- Saiblingsfilet waschen, trockentupfen und die Gräten entfernen.
- Salz und Zucker im Wasser auflösen, die Zitronenscheiben zugeben. Den Fisch 2 Stunden in diese Beize einlegen.
- Den Saibling trockentupfen und die Haut abziehen.
- Die Haut über Nacht bei 50 Grad trocknen und am nächsten Tag bei 160 Grad frittieren.
Buttermilch-Schnittlauch-Vinaigrette
- 500 ml Buttermilch
- 500 ml Saiblingsconsommé
- 20 ml Weißweinessig
- Zesten von 1 Zitrone
- Salz, Pfeffer
- 100 ml Sahne
- 2 Bund Schnittlauch
- 100 ml Rapsöl
- 250 ml Buttermilch in einem Topf erwärmen, bis sich die Molke trennt. Das Ganze abseihen und die Molke auf die Hälfte reduzieren.
- Die restlichen 250 ml Buttermilch mit Weißweinessig, Zitronenzesten, Salz und Pfeffer abschmecken. Danach die reduzierte Molke, die Consommé und die Sahne dazugeben und verrühren.
- Den Schnittlauch mit dem Rapsöl glattpürieren und durch ein Spitzsieb passieren. Zur Buttermilch-Vinaigrette geben und verrühren.
Anrichten
- Kohlrabi
- Yuzusaft
- Pulver von getrockneten schwarzen Limetten
- 4 Portionsstücke vom Saiblingsfilet
- knusprige Saiblingshaut
- 100 g Saiblingskaviar
- diverse Blüten, Kräuter, Finger Lime
- Schnittlauchspitzen
- Vom Kohlrabi ein dünnes Band abschälen und kurz in Yuzu marinieren.
- Den Teller mit etwas Limettenpulver einstäuben.
- Den Saibling mit glühender Binchotan-Kohle kurz abflämmen und auf den Teller geben.
- Mit Kohlrabi, Fischhaut, Saiblingskaviar, Blüten, Finger Lime und Kräutern garnieren.
- Die Buttermilch-Schnittlauch-Vinaigrette angießen, bei Tisch mit etwas Schaum von dieser Vinaigrette vollenden.
Aus Effilee #65, Sommer 2023