Riblja Juha

Diese kroatische Fischsuppe aus unserer Serie „Drei Töpfe“ stammt von Marijana Parat-Wilhelms und wird „Riblja Juha“ genannt.

An diesem verregneten, grauen Morgen mag ich mich kaum aus dem Bett quälen. In soziophober Abscheu gegen öffentliche Verkehrsmittel schleiche ich schirmlos durch den Nieselregen – Straßen können sich dabei mächtig in die Länge ziehen. Vor der Tür warte ich auf Andrea, unseren Fotografen, und werde gänzlich durchnässt. Doch jeglicher Anflug von Muffeligkeit verfliegt, als uns Marijana und Markus in ihrer Wohnung empfangen. Von freundlichen Menschen in ihre Wohnung gebeten und bekocht zu werden – das ist Glück.

Wir setzen uns an den Küchentisch und Marijana holt den Fisch aus dem Kühlschrank. »Das sind Drachenkopf und Dorsch. Die habe ich aus Kroatien mitgebracht«, erzählt sie und legt die Fische auf den Tisch. Markus steht im Türrahmen, schaut zu und unterhält sich mit uns, während uns Marijana ihr Sortiment an Olivenölen vorführt. »Wenn das Olivenöl nicht gut ist, kannst du die Suppe vergessen. Egal, welches Olivenöl ich in Deutschland gekauft habe, es hat mir nicht geschmeckt. Ganz gleich, ob es fünf oder 25 Euro gekostet hat, es fehlt immer dieser Olivengeschmack. Kroatisches Öl ist sehr mild, schmeckt aber deutlich nach Oliven.«

Drei Töpfe Kroatien

In Kroatien ist Fischsuppe eigentlich eine Vorspeise. Danach gibt es Fisch vom Grill oder irgendwas anderes

Sie erzählt: »In Kroatien ist Fischsuppe eigentlich eine Vorspeise. Danach gibt es Fisch vom Grill oder irgendwas anderes. Als ich mit meinem Vater telefonierte und ihm erzählte, dass ich diese Suppe für euch koche, meinte er: ›Und was machst du noch?‹ Ich sagte: ›Nein, es geht nur um die Suppe.‹ Und er sagte: ›Ja, schon klar, aber was machst du dazu?‹ Er konnte nicht verstehen, dass ich nur Suppe koche.«

Marijana nimmt eine Knolle Sellerie. »Davon nehme ich etwa 300 Gramm. Man kann aber auch Stangensellerie benutzen.« Sie hackt die Knolle grob und lässt die gleiche Behandlung Petersilienknolle, Möhren, Kartoffeln, Tomaten und der Petersilie angedeihen. »Meine Mutter verwendet auch die Blätter vom Sellerie.« Sie schält drei Zehen Knoblauch, hackt eine Zwiebel und legt das gesamte Gemüse in einen Topf. »Markus, setz dich doch zu uns, anstatt in der Tür zu stehen.« Markus überlegt kurz und zieht sich dann einen Stuhl an den Tisch.

Beide haben Freude am Essen und sind neugierig auf Dinge, die sie nicht kennen. Markus erzählt: »Vor ein paar Jahren waren wir mal in Indien, da haben wir ein traditionelles Frühstück gegessen. Als wir in den Laden kamen, waren wir erst mal verunsichert: Neonlicht, eigentlich recht ungastlich. Wir sind dann trotzdem rein und haben uns was bestellt. Wir wissen bis heute nicht, was wir da gegessen haben. Aber es war sehr lecker, was immer es war.«

Ich habe das Essen zu Hause früher gar nicht richtig geschätzt. Meine Mutter hat gekocht und es hat immer geschmeckt, aber das habe ich einfach so hingenommen

Marijana gießt etwas Olivenöl und etwa anderthalb Liter Wasser in einen Topf. »Ich habe das Essen zu Hause früher gar nicht richtig geschätzt. Meine Mutter hat gekocht und es hat immer geschmeckt, aber das habe ich einfach so hingenommen. Meine Eltern kochen beide gut. Sie sind jetzt Rentner und unterhalten sich, glaube ich, über nichts anderes. Sogar wenn sie mit mir sprechen.« Sie dreht die Hitze der Herdplatte etwas höher. »Aber in meiner Studentenzeit habe ich das Essen meiner Eltern sehr vermisst. Da fing ich dann an, selbst zu kochen.«

Marijana ist sehr vom heimatlichen Essen geprägt. »Viele Sachen haben in Deutschland nicht dieselbe Qualität. Ich kaufe hier keinen Fisch. Ich weiß nicht, ob ich übertreibe …« Marijana reicht uns einen Kuchen. »Der ist von meinem Geburtstag am Wochenende übrig. Meine Schwester hat sich das Rezept ausgedacht. Schokolade, Rosinen, Datteln, Butterkeks.« Und alles in eine Waffel eingewickelt. Sehr lecker.

Marijana ist in Split im früheren Jugoslawien groß geworden. »Aber Markus habe ich in Ostfriesland kennengelernt, in Emden.« Sie hat dort in einem Restaurant gearbeitet, das Verwandte in einem alten Feuerschiff betrieben. Markus ist in Emden aufgewachsen. Die Firma, in der er seine Tischlerlehre absolviert hat, richtete damals das Restaurant ein. »So habe ich sie bei der Arbeit häufig gesehen. Dann ging sie erst mal zurück, um in Zagreb zu studieren«, erzählt Markus. »Aber wir sind seit 1994 zusammen. Auch die sieben Jahre, die wir getrennt gelebt haben.« Marijana dreht sich zu ihm um. »Nicht sieben Jahre, Markus. Fünf.«

Marijana hat Lebensmitteltechnologie studiert, über den Geruch des Kaffees promoviert und arbeitet heute in der Qualitätskontrolle eines Pharmaunternehmens. Markus ist immer noch Tischler und betreibt nebenbei eine Plattenfirma. Früher hieß sein Label Aufgeladen und Bereit, da veröffentlichte er vorwiegend Musik britischer Bands, vor allem aus Schottland. »Aber das war nicht mein Konzept. Das war eben das, was mir gefiel.« Nun heißt das Label Aktion und Spaß und er will nur noch Vinylplatten mit handgemachten Covern rausbringen. Als eine der ersten LPs plant er ein neues Album des alten schottischen Post-Punk-Helden Vic Godard.

Das Wasser kocht, Marijana gibt etwas Salz und fünf Pfefferkörner hinzu. Als sie merkt, dass Markus das gleiche T-Shirt wie sie trägt, knöpft sie ihre Strickjacke zu, damit die beiden nicht nach Partnerlook aussehen. Dann legt sie die Fische so in den Topf, dass sie gerade eben mit Wasser bedeckt sind. »Nach zehn Minuten kommen sie raus und ich pule das Fleisch von den Gräten.« Als das Gemüse eine halbe Stunde gekocht hat, probiert sie von der Suppe. »Schmeckt ganz gut. Ich lasse etwas Fisch übrig, so könnt ihr später etwas mit Brot essen. Dann kann ich auch meinem Vater erzählen, dass wir nicht nur die Suppe gegessen haben.«

Markus sagt: »Ich kann gar nicht kochen. Ich habe es mit Marijana einfach goldrichtig getroffen. Manchmal fühle ich mich deswegen etwas schuldig. Aber so ist es halt.« Als Marijana den Fisch auseinandernimmt, muss ich daran denken, dass mein Vater immer sagt: Bäckchen und Augen sind das Beste am Fisch. Marijana schaut kurz auf, sagt »Ja« und zupft konzentriert weiter. Etwas Fisch richtet sie mit Gemüse und Olivenöl an. »Für später.«

Den Rest des Gemüses drückt sie durch ein Sieb in die Suppe. »Manche nehmen gar kein Gemüse, nur Knoblauch und Zwiebeln. Andere kochen Kartoffeln mit, nehmen sie aber raus, um sie später zu essen.« Sie probiert noch mal. »Ich finde, das schmeckt gut. Es ist ganz einfach, wenn man die richtigen Zutaten hat.« Sie nimmt eine halbe Handvoll Risottoreis und lässt ihn in die Suppe gleiten. »Nicht zu viel, es soll kein Risotto werden.« Nach etwa einer Viertelstunde darf sich der Fisch auch noch kurz in der Suppe aufwärmen.

Wir sitzen am Tisch. Marijana füllt uns Suppe auf und garniert sie mit Petersilie. Auf dem Tisch stehen Brot und Olivenöl. Die Suppe ist leicht, man schmeckt die einzelnen Zutaten schön heraus. Ich kann sie mir als anregende Vorsuppe vorstellen, aber mit dem Brot ist sie auch eine gute Hauptmahlzeit. Außerdem haben wir noch den Fisch und die Kartoffeln, die wir mit Olivenöl übergießen.

Das kroatische Olivenöl, das der Suppe eine feine Note verleiht, ist tatsächlich etwas Besonderes. Ein kräftiges Öl würde wahrscheinlich die feine Balance zerstören und die Suppe verderben. Die Ölreste auf den Tellern saugen wir mit Brot auf. Es wäre schade, auch nur einen Tropfen zu vergeuden.


Riblja Juha

Für 4 Personen
  • 1 Drachenkopf, ca. 200 g
  • 1 Hechtdorsch, ca. 200 g
  • 300 g Sellerie, grob gehackt
  • 4 Mohrrüben, im Stück
  • 3 mittlere Kartoffeln, im Stück
  • 1 Tomate, grob gehackt
  • ½ Petersilienwurzel, grob gehackt
  • 1 Bund Petersilie, gehackt
  • 3–4 Knoblauchzehen
  • 1 kleine Zwiebel
  • 1 ½ l Wasser
  • 1 EL sehr mildes Olivenöl
  • ½ Tasse Risottoreis
  • Salz, Pfefferkörner
  1. Das Gemüse (bis auf etwas Petersilie) mit dem Wasser und dem Olivenöl in einen Topf geben und kochen, bis die Kartoffeln fast gar sind. Danach den Fisch, etwas Salz (1–2 Teelöffel) und 5 Pfefferkörner hinzugeben. Der Fisch soll knapp vom Wasser bedeckt sein.
  2. Den Fisch nach etwa 10 Minuten herausnehmen und von den Gräten befreien, während das Gemüse weiter kocht.
  3. Wenn das Gemüse und die Kartoffeln gar sind, zwei Kartoffeln und zwei Mohrrüben herausnehmen. Die kann man später mit Olivenöl, etwas Salz und Petersilie als Beilage essen.
  4. Die Suppe mit einer Gabel durch ein Sieb passieren. Wieder auf den Herd stellen und den Risottoreis hinzugeben. Noch einmal aufkochen, bis der Reis gar ist (ca.15 Minuten). Den Fisch und einige Tropfen Olivenöl zugeben. Mit dem Rest der gehackten Petersilie bestreuen.

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Aus Effilee #9, Mar/Apr 2010
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