Rezept für Gaisburger Marsch

Eines der vielen (falschen!) Vorurteile, denen man als Schwabe ausgesetzt ist, betrifft die Sparsamkeit, die vom Rest der Republik oftmals […]

Eines der vielen (falschen!) Vorurteile, denen man als Schwabe ausgesetzt ist, betrifft die Sparsamkeit, die vom Rest der Republik oftmals als Geiz ausgelegt wird. Dem gilt es zu widersprechen, denn der Schwabe ist nicht geizig, der Schwabe ist preisbewusst! Ich kenn mich aus, ich bin da aufgewachsen. Im Ländle legt man zudem Wert auf die Qualität der in der Küche verwendeten Zutaten. Es darf gerne gut, reichlich und regional sein, dann gibt man ohne Murren die hart verdienten Groschen aus. Das gilt auch für den Gaisbuger Marsch, der gleich hinter den Kässpätzle und den Spätzle mit Linsen und Saitenwürschtle die heilige schwäbische Dreifaltigkeit Spätzle-basierter Nationalgerichte komplementiert. Basis des Eintopfs ist eine gute Rinderbrühe und Siedfleisch, das kommt im Ländle zu gerne und bestenfalls vom Bœuf de Hohenlohe oder dem Limpurger Weideochsen, den ältesten Rinderrassen Württembergs. Dieses Rindfleisch wurde im 18. Jahrhundert bis nach Paris verkauft und erfreut sich dank engagierter Züchter wieder größter Beliebtheit.

Ebenso wichtig für einen gelungenen Gaisburger Marsch: die Spätzle! Stolze Schwaben würden behaupten, der Eintopf schmecke erst mit hausgemachten Spätzle so richtig gut. Da ist etwas dran und hausgemacht bedeutet in diesem Fall auch handgeschabt! Das Spätzleschaben vom Brett verlangt Geschick. Ein kleines Holzbrett wird kurz ins heiße Wasser getaucht und mit einer kleinen Portion Teig bestückt. Mit einem angefeuchteten Teigschaber, einem breiten Messer oder einer Palette werden nun schmale Teigstreifen ins kochende Wasser geschabt. Auf Videoportalen im Internet finden sich bemerkenswerte Videos, die diesen Vorgang veranschaulichen. Wem das zu kompliziert ist, der kann den Teig auch einfach durch eine Lochpresse ins Kochwasser drücken, das sind dann allerdings Faule-Weiber-Spätzle. Dritte Komponente, es könnte ja jemand verhungern, sind gute Kartoffeln. Hunger dürften zumindest die Offiziersanwärter gehabt haben, die sich in der Kaiserzeit wöchentlich auf den Marsch von der Stuttgarter Bergkaserne ins nahe gelegene Gaisburg machten. Dort ging es im Gleichschritt in die Beckaschmiede, wo der Wirt der Wandertruppe einen prächtigen Spezial-Eintopf servierte: Kartoffelschnitz und Spätzle in kräftiger Ochsenbrühe vermählt. So geht die schöne Geschichte.

Tatsächlich stellte der Journalist Patrik Stäbler bei seinen Recherchen zu seinem Buch Speisende soll man nicht aufhalten (rororo 2013) fest, es sei wohl ganz anders gewesen. Bei einem Treffen mit dem schwäbischen Historiker Ulrich Gohl, der 2008 zum Namensursprung des Gaisburger Marschs forschte, erfuhr Stäbler, dass die Geschichte nicht stimmt. Sie ist eine Erfindung des Mundartdichters Thaddäus Troll, der die Mär erst 1972 niederschrieb. Der Name Gaisburger Marsch taucht dagegen erstmals 1933 im Zusammenhang mit dem sogenannten Eintopfsonntag des Winterhilfswerks (WHW) auf, einer Einrichtung der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV). Waren also die Nationalsozialisten die Namensgeber für den Gaisbuger Marsch? »Vieles deutet darauf hin«, bestätigte der Historiker Gohl dem Journalisten Stäbler, »zumindest hat sich die Bezeichnung danach schlagartig verbreitet.« Beinahe schon rührend der Gedanke, dass sich der Dichter Troll 1972 mit seiner Version vom Ursprung des Eintopfgerichts um eine charmant geschummelte Korrektur der Geschichte bemüht haben könnte, weil die etwaigen nationalsozialistischen Taufpaten des wärmenden Eintopfs schlicht nicht zu ertragen sind.

Gaisburger Marsch

Zutaten (für 4–6 Portionen)
  • 1 kg Rinderbeinscheiben mit Knochen
  • 1 Suppengrün
  • 1 Lorbeerblatt
  • 1 TL schwarze Pfefferkörner
  • 15 g getrocknete Steinpilze
  • Salz
  • 2 l Rinderbrühe
  • 375 g Mehl (Type 405)
  • 2 Eier (M)
  • 1 EL Öl
  • 500 g vorwiegend festkochende Kartoffeln
  • Pfeffer
  • 4 Zweige Petersilie
  • Zubereitungszeit: ca. 3 Stunden
  1. Rinderbeinscheiben mit gewaschenem, grob gehacktem Suppengrün, Lorbeer, Pfefferkörnern, Steinpilzen und einem Teelöffel Salz in kalter Rinderbrühe aufsetzen und langsam aufkochen. Den Schaum abschöpfen und alles 2 ½ Stunden leise offen sieden lassen.
  2. Für die Spätzle das Mehl mit den Eiern, dem Öl und 125–250 ml Wasser zu einem glatten, zähen Teig verrühren, der mit der Hand geschlagen werden muss, bis er Blasen wirft. Den Teig nun portionsweise mit einer Spätzlepresse oder -reibe in kochendes Salzwasser geben. Die Spätzle sofort mit einer Schaumkelle aus dem Wasser nehmen, sobald sie an die Oberfläche kommen. In kaltem Wasser abschrecken und später im Eintopf wieder erhitzen.
  3. Die Kartoffeln schälen, in Würfel oder Spalten schneiden und in Salzwasser bissfest garkochen. Fleisch aus der Brühe nehmen, Knochen und Fett entfernen, das Fleisch grob würfeln. Die Brühe durch ein Sieb mit Tuch in einen zweiten Topf seihen, mit Fleisch und Spätzle einmal aufkochen und 5 Minuten ziehen lassen.
  4. Kartoffeln abgießen und in die Brühe geben. Den Eintopf mit Salz und Pfeffer würzen, mit frisch gehackter Petersilie bestreut servieren.
Tipp: In Schwaben wird der Eintopf gerne noch mit Schmorzwiebeln getoppt! Dafür 1–2 Gemüsezwiebeln in Ringe schneiden. 2 Esslöffel Öl in einer großen Pfanne erhitzen, die Zwiebelringe hineingeben, salzen und bei milder Hitze unter Rühren in 15–20 Minuten weich und goldbraun schmoren.
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  1. der Eintopf gefällt mir sehr gut,bestimmt sehr schmackhaft,koche den gerade nach,und weerde ein Foto einstellen
    lg Ingo

  2. Ihr schreibt:
    „Tipp: In Schwaben wird der Eintopf gerne noch ….“

    Gaisburger Marsch (Mein Leibgericht) ist ein Rezept der Württemberger Schwaben. „In Schwaben“ bezeichnet aber den Bayrischen Regierungsbezirk Schwaben, dessen Hauptstadt Augsburg ist.

Aus Effilee #43, Winter 2017 / 2018
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