Ralf Bos ist ein großer Mann mit Bäuchlein. Silbergaue Haare, im Nacken recht lang, Buffalo-Bill-Bart. Rosige, glatte Haut. Siegelring mit Bos-Food-Logo, Jeans, Hemd mit Sylt-Aufnähern, Schal. Der 50-Jährige redet ohne Pause und strahlt Gelassenheit aus. Ein Erfolgsfaktor ist: Fachkenntnis. Die braucht Bos; seine Kundschaft ist anspruchsvoll. Es sind kaum Endverbraucher. Der typische Bos-Food-Kunde ist Profi. »Ich bin selbst gelernter Koch; ich habe den Laden so konzipiert, als ob ich ein Kunde wäre«. Die Köche kaufen auch die Luxusartikel, die Bos den Ruf eines Gourmet-Gurus brachten. Vor allem aber bestellen sie Vieldreher: Chili for chicken, Öl, Pfeffer, Salz, Gewürze. Klassiker ist der 13 Jahre alte Aceto Balsamico.
10 000 Artikel hat Bos im Sortiment - von Kuvertüre und Antipasti über Backmischungen und Messer bis hin zu Nudelprodukten und Spirituosen. Der größte Teil braucht keine Kühlung. War auch einmal ein Produkt dabei, das er nicht mochte? »Schneckenkaviar. Sieht ekelhaft aus und schmeckt auch so.« Als ich ihn auf die vielen Aromen im Katalog anspreche - alle ohne Angaben über Inhaltsstoffe - zuckt er. »Fast jeder kocht ein bisschen molekular. Die meisten sagen es nur nicht.« Xanthan, das geschmacksneutral binde, stehe in jeder Küche, wenn nicht in der Ferran-Adrià-Dose, dann in unauffälligen Behältern. Bestellt auch der bekennende Konservative Harald Wohlfahrt Xanthan bei ihm? Bos weicht aus: »Da sag ich nichts zu, sonst steht das in der Zeitung.«
Bos hat die Firma 1990 gegründet. Seitdem ist sie fast jedes Jahr zweistellig gewachsen; derzeit liegt der Jahresumsatz bei 26 Millionen Euro. Auf seiner Homepage nennt Bos das Unternehmen »Delikatessenhändler Nr. 1 in Deutschland «. Mit Vergleichszahlen untermauern kann er das nicht. Aber in der Tat: In seinem speziellen Segment ist kein echter Konkurrent auszumachen. Dallmayr und Käfer sind eher regionale Größen. Mit Otto Gourmet oder Rungis/Petit Rungis will Bos sich nicht vergleichen. »Frischfisch und Frischfleisch können wir hier nicht.«
150 Menschen arbeiten bei Bos Food; 80 alleine werkeln in der Kommissionierhalle. Bos ist stolz auf die Logistik: »Zwischen Auftragseingang und Verpackung vergehen im Schnitt 35 Minuten.« Wie wählt er seine Produkte aus? Wie testet er ihren Appeal? »Ich habe ein Marktlückenfeeling und einen populären Geschmack. Wenn mir was schmeckt, schmeckt es allen.« Jede Woche verkostet er mit Mitarbeitern Produkte. Auch deswegen stehen in den Büros angebrochene Fleur-de-Sel-Fässchen, Olivenölflaschen oder eingelegte Auberginen. Neue Artikel findet Bos auf Fachmessen. Und über Mundpropaganda.
Wie die ungestopfte Stopfleber. »Da wird den Tieren über Licht und Temperatur vorgegaukelt, es werde Winter und sie müssten sich Kraft für einen Flug in den Süden anfressen.« Auch die gestopfte Stopfleber sei nicht zu beanstanden. Die Mast sei keine Tierquälerei; davon habe er sich bei einem Produzenten in Frankreich überzeugt. »4,33 Minuten Gesamtstopfzeit in zwölf Tagen.« Ein Produkt will Bos aber keinesfalls anbieten: Haifischflossen.
Bos steht vor allem für Trüffel! Acht Tonnen hat er 2010 ausgeliefert: schwarze Périgord-Trüffel, weiße Wintertrüffel aus dem Piemont oder aus Umbrien, chinesische Trüffel, Sommertrüffel. »In der Trüffelwelt heiße ich ›wizard‹.« Also Zauberer. Wir stehen im Trüffellagerraum. Angenehmer, aber kein starker Duft. Was auch daran liegt, dass das Gespräch vor Beginn der Wintertrüffelsaison stattfindet. »Derzeit ist es zu heiß in Italien. Wir bekommen nur Probesendungen.« Sagt es und tastet eine hühnereigroße Trüffel ab. Bos hat ein Liebesverhältnis zur Trüffel. »Von Oktober bis März gibt es zu Hause jeden Sonntag Eier und Trüffel zum Frühstück.« Kann er sich vorstellen, dass er sie einmal satt hat? »Nein, nie!« Trüffel machen zehn Prozent des Umsatzes aus, bringen aber nur ein Prozent des Gewinns. Wie hoch der sei, frage ich. »Wir kommen gerade so hin. Ich selber bin sehr bescheiden«, antwortet Bos. Als er merkt, dass ich im selben Moment einen Blick auf seinen weit über 100 000 Euro teuren Mercedes SLS werfe, versucht er, die Kurve zu kriegen: »Wollen wir eine Runde drehen?«
Unsicher wirkt er, als ich ihn auf seine Stationen als Koch in den 80er-Jahren anspreche - laut Homepage europäische Top-Adressen der Gastronomie. Ob der Turmwirt in Oberammergau, der Schweizer Hof in Davos oder das Crest Hotel Hagen das wirklich seien? »Damals waren sie das.« Gereiztheit blitzt nur einmal auf. Ich erwähne seine Initiative Spitzenköche für Afrika. Kann er sich vorstellen, dass jemand es zynisch findet, wenn einer mit Kaviar handelt und dann den Weltenretter gibt? »Haben Sie noch alle Latten am Zaun? Nur der, der in der Sonne steht, kann anderen helfen.«
Bos, Vater von drei erwachsenen Töchtern, arbeitet weniger als man meinen sollte. »40, 50 Stunden, wenn ich hier bin. Ich bin jemand, der extrem gut delegieren kann.« Muss er auch, denn er hält viele Vorträge. »Wenn ich in Berlin ins Adlon komme, habe ich eines der schönsten Zimmer. Dann spreche ich über Trüffel, kriege Applaus, esse gut, muss nichts zahlen und bekomme noch Geld. Ist das Arbeit?«
Das ist der Kern der Marke Bos. Lust. Lust am Essen. »Genuss ist genauso wichtig wie Ernährung«, sagt er und isst eine weitere Gabel handgemachter Pasta mit gebratener Entenleber und frischen weißen Trüffeln, die ein Mitarbeiter serviert hat.
BOS FOOD GmbH
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