Eltje und Claas Habben, die Rinderflüsterer

Wir schlachten gerade mal 20 Rinder die Woche, das ist wie eine Bentley-Produktion, erklären Eltje und Claas Habben.

Eltje und Claas Habben, Rechteinhaber: Andrea Thode, Lizenzvereinbarung: Nutzung nur auf Effilee
Der Schlachter an der Ecke hat ein neues Gesicht. Besser gesagt zwei

Mitten in der auffällig unauffälligen Fußgängerzone von Hamburg-Ottensen erregt ein Eckladen Aufsehen. Das Geschäft steht schon seit den 60er-Jahren an dieser Stelle, seit zwei Jahren allerdings sieht es so zeitlos schön aus, als gehöre es nicht hier her. Und schafft es, gleichzeitig den Eindruck zu erwecken, als stünde es schon immer so an dieser Stelle und der ganze ärmliche Rest sei um es herum erbaut worden. Neugierige drücken sich die Nase am Schaufenster platt, immer wieder halten vorbeiziehende Touristen inne und machen Schnappschüsse von den zum Reifen in der Auslage aufgehängten Rinderrücken.
Sie alle bestaunen das Werk des Geschwisterpaars Eltje und Claas Habben. Vor ungefähr drei Jahren beschlich die beiden ein vages, aber ungutes Gefühl: Wenn sich in der Traditionsschlachterei Beisser nichts Grundlegendes ändert, versinkt das Unternehmen in der traurigen Vergessenheit, die in den letzten Jahren schon das Schicksal jeder dritten kleinen Metzgerei an der Ecke geworden ist. Es stand nicht sehr gut um das Unternehmen zu dieser Zeit. Ein neues, zeitgemäßes Konzept musste her. Die beiden taten das Klügste, was man tun kann, wenn sich zu Hause die Ratlosigkeit wie eine Schlechtwetterfront breitmacht: Sie reisten. Sie sahen sich Läden in der Schweiz an, in New York, in Spanien, in Frankreich und in Dänemark. Dort endlich betrat Eltje Habben eines Tages einen Schlachterladen, den sie heute so beschreibt: »Irre designt, aber im Laden ganz brav nur lokale Produkte. Das war das, was wir wollten. Nichts kopieren, nicht international werden, die hanseatische Tradition ist für uns eine wichtige Sache, einfach nur hohes Niveau mit Understatement und fertig. Dann haben wir uns für schwarzen Naturstein am Tresen entschieden, dunkles gebeiztes Holz für die Regale, und der Boden sollte einfach aus den klassischen, italienischen schwarz-weißen Küchenfliesen bestehen. Und hinterm Tresen natürlich nur das beste Fleisch.«
Eltjes heller, wacher Blick wandert zu Claas, und Fleisch scheint in der Tat das Stichwort zu sein, auf das ihr Bruder gewartet hat: »Die entscheidensten Faktoren für ein gutes Stück Fleisch sind die, um die sich ansonsten fast keiner kümmert: extrem kurze Transportwege zum Beispiel. Ich kann mir genau vorstellen, wie sich ein Tier fühlt, das auf dem Bauernhof aufgewachsen ist und zum ersten Mal durch die Gegend gefahren wird. So wie ich bei meinem ersten Flug. Jedes Wackeln, jedes unbekannte Geräusch hat mich zu Tode erschreckt. Die Tiere werden aus ihrem Umfeld gerissen, sie vermissen ihre Gerüche, diese Stressbelastung ist kolossal, das wirkt sich enorm negativ auf die Fleischqualität aus. Es ist vollkommen egal, wie viel Biofutter man vorne in das Tier reinstopft, wenn man an dieser Stelle nicht aufpasst, kommt am Ende immer Mist raus. Alle unsere Tiere sind bei Bauern in Schleswig-Holstein aufgewachsen, und meistens ist der Bauer, der das Tier großgezogen hat, bei der Schlachtung dabei. Das Tier sieht ihn und riecht ihn und hat das Gefühl ›Der führt mich da hin, da kann ich ruhig mitgehen, da wird schon nix passieren …‹ Auf diese Art schlachten wir gerade mal 20 Rinder die Woche, das ist wie eine Bentley-Produktion.«
Claas weist auf ein Stück Fleisch, das in der Tat von einer dünnen, wattigen Fettschicht wie von einem Flaum umhüllt ist. »Unsere Tiere werden von Hand gehäutet. Das ist sehr zeitaufwendig, aber die natürliche Fettschicht bleibt unzerstört. Wenn man die Tiere im Schlachthof aus der Haut reißt ,entstehen Schäden am Fett, die gesamte Zellstruktur wird zerstört, Zellwasser tritt aus und alles ist hin. Das Fleisch verliert beim Braten seinen Saft und wird trocken.«
Claas Habben nimmt enorm Fahrt auf, wenn er über Fleisch redet, und ganz automatisch stellt sich die Frage, was noch kommen soll? Die beiden haben jetzt schon, mit gerade mal Anfang 30, eine ganze Menge geschaffen: Eltje die beiden schönen Läden, die seit der Neukonzeption hervorragend laufen und neben dem erlesenen Feinkostsortiment auch Gewürze, Steaksaucen, Fachliteratur und gute Weine feilbieten. Außerdem floriert noch ein angeschlossener Cateringservice und Bruder Claas hat sein bestes Rindfleisch aller Zeiten. What’s next?
»Ich habe tatsächlich einen Plan für die nahe Zukunft«, gesteht Claas Habben. »Ich möchte in der Wertschöpfungskette wieder ein paar Schritte zurückgehen. Im Moment kaufen wir geschlachtete Tiere ein. Ich möchte es so weit bringen, dass wir auch das Schlachten wieder selbst übernehmen. Nicht, dass ich unseren jetzigen Zulieferern nicht vertrauen würde. Aber ich habe den Verdacht, dass es in Zukunft immer schwieriger werden könnte, Lieferanten zu finden, die das liefern und leisten können, was wir für unsere Läden wollen. Und eines Tages wird der Zeitpunkt da sein, wo ich unsere Qualität nur noch garantieren kann, wenn ich alles selber mache. Und dann will ich von Kunden umgeben sein, die sagen: ›Diese Qualität ist es wert, mehr zu bezahlen und nur noch ein oder zwei Mal die Woche ein Stück Fleisch zu essen. Aber dann ein richtig gutes.‹ Das tut dem Individuum gut und nebenbei der ganzen Menschheit. Es heißt immer, die Kühe stoßen so viel CO2 aus. Das kann man ihnen nicht vorwerfen, das taten sie schon immer! Das Problem ist die große Nachfrage. Die Leute haben sich daran gewöhnt, jeden Tag Fleisch zu essen, und machen sich keine Gedanken über die Qualität oder die Folgen. Ich wünsche mir mehr Menschen, die viel weniger Fleisch kaufen. Dann aber auf hervorragender Qualität bestehen.«
Zum Abschied sagen die beiden, die so gar nicht aussehen, wie man sich den Schlachter an der Ecke vorstellt, dann doch etwas, was Schlachter eben sagen: »Ein kleines Würstchen für den Heimweg nehmen Sie doch, oder?«

Beisser Gmbh & Co. Kg
www.beisser-hamburg.de

Text: Hans kantereit Foto: Andrea Thode
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Aus Effilee #21, Sommer 2012
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