Ein Teller von Christian Bau (2018) – das Gespräch

2010 besuchten wir Christian Bau bereits für ein Gespräch. Drei Sterne hatte er damals schon, seitdem sind viele Auszeichnungen hinzugekommen, zuletzt das Bundesverdienstkreuz. Damals wie heute servierte er Hamachi, Gelbschwanzmakrele. Und nicht nur auf dem Teller hat sich einiges verändert

Ein wenig erinnert dieser Teller ja an den, über den wir 2010 schon einmal miteinander gesprochen haben?
Richtig, das war in der Tat eine der ersten Versionen, als wir angefangen haben, uns mit dem Hamachi zu beschäftigen.
Der Hamachi gehört zu den Stachelmakrelen und ist gerade in Japan ein sehr begehrter und wertvoller Speisefisch …
… den wir damals noch relativ roh und unbehandelt verarbeitet haben. Heute ist das eine Weiterentwicklung. Wir servieren den Hamachi in einer jodigen Assemblage mit Meeresfrüchten. Da entstehen Spannungen durch verschiedene Texturen und Temperaturen, gepaart mit einer außergewöhnlichen Fischqualität.
Drei Sterne Koch Christian Bau
Dass jemand, der so viel Freude bereitet, sich auch selber freuen kann, liegt eigentlich auf der Hand …
Das Gericht befindet sich also ständig im Wandel?
Ja, vergangenes Jahr, als wir im Hangar 7 waren, hatten wir eine ganz andere Version. Da waren viele Algen drauf, als Pulver und Eis zum Beispiel. Und jetzt sind es mehr die Meeresfrüchte. 2017 war Alexandre Couillon bei uns zu Gast. Als der gesehen hat, wie wir die Muscheln garen – Gemüseansatz, Kräuter, Pfefferkörner, Lorbeerblatt – da hat er mich ausgelacht und gesagt: Christian, du musst das ganz naturell machen. Nimm fünf Flaschen Evian, drei Handvoll graues Meersalz. Seitdem kochen wir die Muscheln so, wie er es uns beigebracht hat.
Viel natürlicher?
Ja, weil die Muscheln nach Muscheln schmecken. Und dazu haben wir noch Bijou de la Mer, das ist dieser knackige Hummerkaviar. Der ist wirklich vom bretonischen Hummer, davon gibt es nur verschwindend wenig. Davon geben wir ein kleines Häufchen auf den Teller. Wenn man das über den Hamachi drüberstreicht, bringt es eine ganz andere Textur rein, ein ganz anderes Geschmackserlebnis. Und dann gibt es noch diese Straße aus Meeresfrüchten, pochierte Gillardeau-Auster, Entenmuscheln, Stabmuscheln und verschiedene Algensorten und Kräuter aus dem Ozean, Meeresfenchel und so weiter. Das könnte man natürlich alles auch allein essen, aber eben auch in Verbindung mit der zweiten Scheibe Hamachi, was dann wieder ein ganz anderes Essgefühl ergibt. Und ganz rechts ist der Seeigel.
Drei Sterne Koch Christian Bau
Souschef Gerald Schöbel mit der Pinzette am Werk
Als Eis. Warum als Eis?
Das gehört zu unserer Stilistik, oft Dinge mit einem Kontrast in Verbindung setzen, hier über die Temperatur. Und dann war es auch so: Ich wollte gern Seeigel auf dem Teller haben. Nur ist mir ehrlich gesagt der europäische Seeigel zu seltsam, zu heftig. Einzelne Seeigelzungen auf den Teller zu legen, das ging mir zu weit. Dann haben wir ein wenig rumgespielt und sind irgendwann auf das Eis gekommen. Und das ist auch etwas, was das Gericht in einen anderen Kontext stellen kann. Man hat dann den Hamachi mal mit dem Bijou de la Mer, mal mit den Muscheln oder mit dem Seeigeleis. Deshalb liegt alles nicht kompakt, sondern getrennt auf dem Teller.
Drei Sterne Koch Christian Bau
Eine Vielzahl von Arbeitsschritten ist erforderlich, um das Gericht fertigzustellen. Das erfordert äußerste Konzentration. René Vogl weiss genau, was zu tun ist
Damit der Gast selbst entscheiden kann, wie er es essen will?
Das hört sich jetzt nicht nur kontrastreich an, sondern auch artifiziell. Das ist auch ein artifizielles Gericht, keine Frage. Aber ich denke, wie alle unsere Gerichte erschließt es sich dem Gast zumindest im Mund. Und ich beobachte auch, dass das Gericht auch Gäste abholt, die weniger Esserfahrung mitbringen, die vielleicht nur einmal im Jahr zum Hochzeitstag in so ein Restaurant gehen.
Drei Sterne Koch Christian Bau
Zur Vollendung legt der Chef noch einmal persönlich Hand an
Mit Entenmuscheln und Seeigel wären die eigentlich überfordert?
Das ist mir extrem wichtig, dass irgendwo immer eine Harmonie entsteht. Das war ja ein Entwicklungsprozess von mehreren Wochen, dabei mache ich mir viele Gedanken um so einen Teller, aber am Ende will ich auch, dass es sich nicht nur erschließt, sondern auch lecker ist.
Das ist uns gestern wieder aufgefallen, wie gut es Ihnen gelingt, scheinbar disparate Dinge mit einer großen Leichtfüßigkeit zusammenzubekommen. Das Gänselebereis mit Taschenkrebs zum Beispiel, das ist ja auch nicht gerade Nutella auf Brötchen …
Ich mache mir natürlich schon sehr viele Gedanken darüber, was wir tun. Und natürlich wollen wir mit manchen Dingen auch polarisieren. Aber am Ende muss der Gast im Mittelpunkt stehen. Ich übernehme da gern einen Spruch von Harald Wohlfahrt, der hat gesagt: Man kann auch an den Gästen vorbeikochen.
Ich habe hier ja fünfzehn Jahre um Anerkennung gekämpft. Die drei Sterne hatten wir schon nach sieben. Aber wir haben es trotz der drei Sterne nicht geschafft, jeden Abend voll zu sein. Erst als ich manche Dinge wieder zurückgenommen und auch gelernt habe, nur noch das zu kochen, was mir auch selber schmeckt, dann hat es auf einmal geklappt. In diesem Jahr gab es sicherlich noch keine zehn Abende, an denen nicht alle Tische besetzt waren.
Das ist eine Sache, die mich schon länger umtreibt, dass die drei Sterne ja eigentlich so etwas wie eine Garantie sein müssten für …
… ein volles Restaurant?
Richtig. Und zwar von Mittwoch bis Sonntagmittag und -abend.
So ist es nicht. In Deutschland jedenfalls. Bei jemandem wie Jan Hartwig, als neuem Dreisterner im Bayerischen Hof, schnellen die Reservierungsanfragen immens hoch. Und ich merke es auch, als Koch des Jahres und mit dem Bundesverdienstkreuz. Aber die Nachfrage ist schwer zu konservieren. Deutschland ist nun mal kein Feinschmeckerland. Durch den ganzen Hype sprechen wir nicht unbedingt mehr Leute an.
Drei Sterne Koch Christian Bau
Es lohnt sich allemal, Christian Bau zuzuhören
Der Guide Michelin wirbt damit, dass es noch nie so viele Sternerestaurants gegeben hat: Die deutsche Gastronomie stehe so gut da wie noch nie.
Ich sehe das ein bisschen anders. Wir haben alle ein riesiges Nachwuchsproblem, wir haben alle keine Servicemitarbeiter mehr, wir haben alle keine vollen Restaurants. Jetzt kann ich gottlob sagen, dass es mich in den letzten zwei Jahren nicht mehr so betrifft. Aber ich kenne viele Kollegen, die den Dienstag zu lassen und sogar darüber hinaus den Sonntagabend.
Beeinflusst Sie denn in der täglichen Arbeit der Gedanke an den Guide?
Das ist einfach zu beantworten. Bei der Ausführung meines Handwerks beeinflusst mich das gar nicht. Aber bei der Auswahl der Produkte. Ich greife da auf eine Aussage von Helmut Thieltges zurück, der sagte: »Die Leute fahren nicht Hunderte von Kilometern ins Niemandsland« – bei ihm in den Wald, bei uns an die Mosel –, »um eine Forelle zu essen, oder einen Zander.«
Dabei gibt es da ja mittlerweile außerordentlich gute Produkte …
Ja, der Dominik Hans zum Beispiel, der auch den Benjamin Peifer mit Forellen beliefert, beliefert uns ebenfalls. Aber ich glaube, bei uns hier auf dem Land ist die Erwartung an ein Fine-Dining-Restaurant eine andere. Wenn die Leute aus Holland herkommen oder aus Belgien, dann wollen sie einen Steinbutt essen, Seezunge oder Langustinos. Aber es hat keinen Einfluss auf die Innovationskraft, die auf dem Teller stattfindet. Die Leute, die zu uns kommen, wollen einen zeitgemäßen Restaurantauftritt. Und in den letzten zwanzig Jahren konnten meine Frau und ich hier ein sehr persönliches und familiäres Ambiente schaffen. Das fängt mit der Musik an und hat mit Tisch- und Tafelkultur zu tun. Und wir haben eine Küche, die ist jedes Mal einfach lecker und harmonisch und gibt den Leuten auch ein Wohlfühlgefühl. Insgesamt ist es dann schon ein Gesamterlebnis.
Meine Meinung …

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Aus Effilee #47, Winter 2018/2019
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