Tim Raue liegt oft ein Satz auf den Lippen: »Das ist großes Kino«, schnalzt der Sternekoch, wenn er von einem Geschirr erzählt, das er auf einer Messe in Frankfurt entdeckt hat, von dem Sushi-Meister Jiro Ono, für den Raue am Abend auf der Berlinale eine kulinarische Hommage auftischen wird, oder von Tiger Prawns aus der Nähe von Bremen, die ihm ein Züchter ungebeten geschickt hat.
Großes Kino ist das Dekor der Teller, die Könnerschaft des japanischen Kochs, die knackige Frische der Garnelen. Seine unersättliche Begeisterungsfähigkeit ist der rote Faden. Ich weiß, was Hunger ist hat Tim Raue seine eben erschienene Autobiografie genannt. Es ist vermutlich diese Lust auf mehr, die Raue zu dem Wagnis bewogen hat, sich in der Hauptstadt ohne andere Investoren mit einem Gourmetrestaurant selbstständig zu machen - manchmal geht so etwas eben nur alleine.
Man kann das durchaus vergleichen mit unserem Freitag, der heute viel mehr ist als die feine linksliberale Wochenzeitung von einst. Ohne einen großen Verlag im Hintergrund hat sich die Redaktion vor zwei Jahren zu neuen Ufern aufgemacht und radikale Schlüsse aus dem Siegeszug des Internets gezogen: Keine Trennung mehr von Online und Print! Das heißt zum Beispiel: Wir Redakteure bloggen, und die Blogger schreiben auch mal in der Zeitung. Höchstes Niveau bleibt dabei selbstverständlich Pflicht.
Das Treffen war entsprechend von großer Neugier geprägt. Zeitungsmacher, die zwischen dem bedächtigen Alltag einer Wochenzeitung und der schnellen Online-Welt hin- und herwechseln müssen, achten auch auf die unterschiedlichen Geschwindigkeiten eines Kochs, der Fleisch über Stunden im Niedriggarschrank lässt, dazu aber auch blitzschnell und gegen alle Regeln der Fondszubereitung einen Beef Tea kocht. Dazwischen noch einen Löffel Mandarinen-Möhren-Püree zu kosten oder sich eine improvisierte Hummer-Ceviche in den Mund zu schieben - das war, um es mit Raue zu sagen, ganz großes Kino.
Fotos: Andrea Thode
Aus Effilee #16, Mai/Juni 2011
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