Herrn Paulsens Deutschstunde: Kässpätzle

Handschabung war in Schwaben schon immer Ehrensache. An jeder Küchenwand hing das klassische Spätzlebrett aus Holz mit abgeflachter Schnittkante und langem Griff und daneben das Spätzlemesser, mit dem der Teig streifenfein direkt ins Kochwasser geschabt wurde.

Spätzleschaben funktioniert nicht wie Fahrradfahren, Spätzleschaben, so richtig per Hand vom Brett, das verlernt man, stelle ich fest. Durch den aufsteigenden Wasserdampf blicke ich sorgenvoll ins Siedewasser, ein mit Teig verschmiertes Frühstücksbrettchen in der einen, einen klebrigen Teigschaber in der anderen Hand. Da tauchen die ersten Ergebnisse meiner Bemühungen auf, steigen trudelnd an die Wasseroberfläche, die ersten handgeschabten Spätzle seit … ich denke, zwei Jahrzehnte ist es her. Es sind lange, dicke, breite Teigklumpen. »Sag mal! Was für riesige Ronken riebelscht du dir denn da zurecht!«, schimpfte mein Lehrherr schon zu Ausbildungszeiten, plötzlich scheint er wieder hinter mir zu stehen, ungläubig den Kopf schüttelnd. So was, nach all den Jahren! Eigentlich müsste ich das doch können. Ich bin im Schwäbischen aufgewachsen, habe ebendort eine Kochausbildung genossen, in deren Verlauf ich alsbald fähig war, in kürzester Zeit und mal eben nebenbei 180 Portionen Spätzle von Hand zu schaben, für die Hochzeitsgesellschaft im großen Saal.

Hier in der Effilee-Redaktionsküche sieht es zwanzig Jahre später nicht so aus, als bekämen wir heute noch ein Foto in den Kasten. Kässpätzle soll es geben, neben der Maultasche und dem Kartoffelsalat das größte kulinarische Heiligtum der schwäbischen Küche.

Heute sieht man das mit der Handschabung nicht mehr so streng im Ländle: Spätzlepressen und Spätzlehobel zur Herstellung sogenannter Faule-Weiber-Spätzle gehören jetzt ganz selbstverständlich zur Küchengrundausstattung.

Handschabung war in Schwaben schon immer Ehrensache. An jeder Küchenwand hing das klassische Spätzlebrett aus Holz mit abgeflachter Schnittkante und langem Griff und daneben das Spätzlemesser, mit dem der Teig streifenfein direkt ins Kochwasser geschabt wurde. Heute sieht man das nicht mehr so streng im Ländle: Spätzlepressen und Spätzlehobel zur Herstellung sogenannter Faule-Weiber-Spätzle gehören jetzt ganz selbstverständlich zur Küchengrundausstattung. Der frühere Regierungspräsident von Nordwürttemberg, Manfred Bulling, erfand sogar eine Presse mit ungleich geformten Austrittslöchern, um so das Handgeschabte zu simulieren. Schlau ist er wirklich, der Schwabe, und dieses andere, völlig haltlose Klischee, er sei ein Geizkragen, kann ebenso am Spätzlebrett widerlegt werden: Emmer oi Oi meeh verwenda lautet die Rezeptformel für perfekten Spätzleteig – immer ein Ei mehr verwenden als im Rezept angegeben. Den sprichwörtlichen Fleiß lebt der Schwabe dann am fertig verrührten Spätzleteig aus, der gründlichst und anhaltend geschlagen werden muss, bis er weich wird, glänzt und Blasen wirft. Ohne Schwitzen keine Spätzle. Dann erst darf geschabt werden.

In der Redaktionsküche läuft es plötzlich besser. Ich habe die Abläufe verlangsamt, wie in Zeitlupe streiche ich den Teig konzentriert aufs Brettchen, tauche Brettchen und Schaber zwischendurch kurz ins Kochwasser um zu verhindern, dass der Teig festklebt, schiebe sorgfältig sehr dünne Teigstreifen ins Kochwasser. Langsam werde ich sogar wieder etwas schneller, es brodelt im Topf und vom Grund steigen echte Spätzle auf. Nebenan duften und dunkeln die Zwiebeln in der Pfanne, es fehlt noch der Käse, den reibe ich jetzt frisch vom Stück. In Schwaben ist man sich, was die Verwendung des Käses angeht, uneinig beziehungsweise stark bis stur regional orientiert: Geschmolzen wird, was oms Eck gekäst wird, dabei spielt der Allgäuer Bergkäse eine wichtige Rolle. Spätzle und Käse werden jetzt in eine Auflaufform geschichtet und vermählen sich im Ofen zu einem großen ganzen Glück.

Ich hole die original Hamburger Kässpätzle aus dem Rohr, es duftet warm und würzig, ich richte an, da passiert es: Drei lange Käsefäden legen und ziehen sich einseitig über den ansonsten blank polierten Tellerrand. Achselzuckend stelle ich den Teller trotzdem vor die Kamera: »Des ghert so!«, sagt der Schwabe, wenn er der Ansicht ist, dass etwas genau so ist, wie es sein sollte.

Kässpätzle

  • 5 Eier (L)
  • 500 g Mehl (Typ 405)
  • Salz
  • 3 große Gemüsezwiebeln
  • 4 EL Öl
  • 1 TL Zucker
  • 50 ml trockener Weißwein (wahlweise Apfelsaft)
  • Pfeffer
  • 150 g Allgäuer Emmentaler
  • 150 g Voralberger Bergkäse
  • 150 g Greyerzer Käse
  • ½ Bund Schnittlauch
Zubereitungszeit: ca. 1 ½ Stunden
  1. Für die Spätzle die Eier mit 150 ml Wasser verquirlen. Mit dem gesiebten Mehl und einer guten Prise Salz zu einem Teig verrühren. Mit einem Kochlöffel oder der Hand den Teig in der Schüssel mit Greifbewegungen so lange schlagen, bis er eine cremige Konsistenz bekommt und Blasen wirft. Zugedeckt kurz ruhen lassen.
  2. Zwiebeln in Ringe schneiden. Öl in einer großen Pfanne erhitzen, die Zwiebelringe hinein geben, salzen und bei milder Hitze unter Rühren in 15–20 Minuten weich und goldbraun schmoren. Zucker unterrühren, mit Weißwein ablöschen und aufkochen. Mit Pfeffer würzen, eventuell nachsalzen.
  3. Während die Zwiebeln noch schmoren, einen großen Topf mit Salzwasser aufkochen lassen. Den Spätzleteig portionsweise mit einer Palette auf ein befeuchtetes Holz- oder Plastikbrettchen mit glatter Oberfläche streichen, sodass der Teig zum Ende hin dünn zuläuft.
  4. Jetzt mit dem Spatel dünne Teigstreifen vom Brett direkt ins kochende Wasser schaben, bis die Hälfte des Teigs auf dem Brettchen verbraucht ist.
  5. Die Spätzle im Wasser aufsteigen lassen, 2 Minuten weiterkochen. Herausnehmen und in kaltem Wasser abschrecken. Spätzle abtropfen lassen und auf einem Blech ausgebreitet und mit einem feuchten Tuch bedeckt beiseitestellen.
  6. Käse reiben und mischen. Eine Auflaufform buttern und abwechselnd Spätzle, Käse und Zwiebeln einschichten. Im heißen Ofen bei 200 Grad (Umluft 180 Grad) auf der zweiten Schiene von unten 35 Minuten backen. Schnittlauch in Röllchen schneiden und über die Kässpätzle streuen.
Meine Meinung …

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Aus Effilee #23, Winter 2012
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