Erinnern kann er sich natürlich nicht daran, aber so wurde es ihm erzählt: »Mit zwei Jahren nahm ich das Kochmesser meiner Oma, setzte mich auf die Stufen des Hauses und betrachtete es versonnen.« 41 Jahre später ist aus dem kleinen Lars der große Messermacher Scheidler geworden, der sich mit seinen nach einem Indianerjungen Nesmuk genannten Messern einen Namen bis in die Dreisterne-Gastronomie gemacht hat. »Ich wollte das ideale Messer fertigen«, beschreibt Scheidler sein Ziel. Wir stehen in seiner Schmiede, idyllisch in einem Fachwerkbau am Steinhuder Meer gelegen. Nebenan ist schon alles für eine Erweiterung vorbereitet: »Die Nachfrage ist größer als das Angebot.«
Einerseits ist das erstaunlich bei Preisen von bis zu 12 000 Euro für eine Damastklinge mit gut 400 Lagen - andererseits mit Blick auf die preiswerten Abkömmlinge auch wieder nicht. Sie alle knüpfen an eine archaische Form von Messern an, die sich mit ihrem langen, geschwungenen Griff außerordentlich gut führen lassen und deren Klinge lebenslangen Nutzen verspricht. Was sind da 290 Euro für das Einstiegsmodell Soul, das bereits sämtliche Tugenden - zuletzt die Seele - aller Produkte des Messerschmiedes vereint?
Der Mann hat etwas von einem Renaissancemenschen. Er macht keinen Unterschied zwischen leben und arbeiten. Und die Fertigung seiner Messer beherrscht er von der Metallurgie bis zur Auswahl des Griffmaterials im Detail. Die Klingen sind bis zu einem Mikrometer schmal. Damit kann man Haare spalten, wortwörtlich. »Dafür ist das Stahlgefüge entscheidend«, sagt er und erklärt, wie dessen kleinste Teile die Schärfe einer Klinge limitieren.
Viele Kochmesser, sagt Scheidler, haben eine Gefügekorngröße von sechzig Mikrometer und erlauben damit nur einen ziehenden Schnitt. Ein Nesmuk dagegen, das den eleganten Druckschnitt ermöglicht, minimiert durch seine extrem glatten Schneidflächen den Saftverlust des Schnittgutes - die glatten Flächen führen sogar zu einem überraschend anderen Mundgefühl. Ein hoher Niobanteil des patentierten Klingenstahls sorgt bei Scheidlers Messern wie Soul und Janus einerseits für ein sehr feines Gefüge, andererseits bleibt die Klinge rostfrei.
Unter einem Plexiglassturz zeigen ein paar gut eingeölte Damaszenerklingen in unterschiedlichen Produktionsstadien ein faszinierendes Spiel aus verschiedenfarbigen Metallen. Auf Eisen, das durch einen hohen Mangananteil schwarz ist, entfaltet sich ein zartes, chromglänzendes, individuelles Muster dünner Nickelbleche. Die aus verschiedenen Metallen geschichteten Pakete schmiedet Scheidler bei etwa 1100 Grad Celsius: »Die Temperatur erkennt man an den Glühfarben!« Er faltet sie, schmiedet wieder, faltet und so weiter, bis 400 und mehr Lagen entstanden sind. »Das Muster lässt sich in Grenzen beeinflussen.« Der Schmied zeigt auf eine Klinge mit tropfenförmigem Muster. »Hier bin ich zwischendurch mit einem Bohrer reingegangen.«
Solche Klingen sind selbstgeschmiedet und komplett handgefertigt. Die Klingen seiner preiswerteren Messer lässt Scheidler als Halbfertigfabrikate in Solingen produzieren, in seiner Schmiede nimmt er den letzten (Hand-)Schliff sowie die Montage vor. »Nur durch Handarbeit erzielen wir die gewünschten Ergebnisse«, begründet er die verteilte Produktion. Dann macht er auf Feinheiten aufmerksam, die bei ihm entstehen, etwa die Fasen genannten Schrägen an Messerrücken, Messerkropf sowie hinter dem Bart.
Den Erl des Messers fügt er händisch in einen passgenau gearbeiteten Schlitz des Griffes aus Materialien wie Mooreiche, Büffelhorn, zertifiziertem Walrosselfenbein oder dem Faser-Kunststoffverbund Micarta ein. Die Zwinge aus Silber oder Stahl schließt alles bündig und ohne Kleber ab. Sogar Messerscheiden fertigt Scheidler individuell, zum Beispiel aus Lindenholz mit Furnier aus Mooreiche.
Soweit zum sozialen Distinktionsgewinn. Und die Praxis? Die Schärfe selbst eines Nesmuk Soul steht meinem etwas weniger sorgfältig gearbeiteten Nakiri der berühmten Familienschmiede Yoshisada in nichts nach. Das hatte ich mitgebracht, um zu sehen, wie sich ein Profi sein Bild von einem Messer macht. Scheidler wiegt es am Magnoliengriff in der Hand und führt es zu seinem Nacken. Spürt er den Widerstand, den die dachziegelförmigen, Kutikula genannten oberen Zellen seines knappen Haupthaares nur feinsten Schneiden beim Drüberstreichen gegen den Strich entgegensetzen?
Dann zeigt er auf die Büffelhornzwinge des japanischen Messers und ich sehe, was mir nie zuvor auffiel: Hier wurde der Erl mit etwas Kleber in den Griff eingepasst. Das ist bei Scheidlers Messern anders: Sie werden durch die Spannung einer gezielt untermaßigen Zwinge kraftschlüssig gehalten. Mit solch handwerklicher Raffinesse und natürlich der Schärfe seiner Werke überzeugte er sogar Dreisterne-Legende Dieter Müller, der jeden Blumenkohl so respektvoll prüfend in die Hand nimmt wie Lars Scheidler seine Messer.
Damit diese scharf bleiben, empfiehlt der Schmied den Belgischen Brocken, ein in den belgischen Ardennen abgebautes Sedimentgestein, in dem feinste Granate von fünf bis zwanzig Mikrometer Größe eingebettet sind, die durch ihre Härte und Geometrie selbst bei nur leichtem Druck eine hohe Schneidschärfe liefern. Für den Abzug hat Lars Scheidler einen Streichriemen entwickelt, dessen feinporiges Leder auf ein Aluminiumvierkant geklebt ist und Diamantpaste in den Korngrößen fünf bis ein Mikrometer enthält.
Damit werden die Messer schärfer als ein Skalpell - und das ist auch gut so. Ein Chirurg, der von seinen Messern begeistert war, verriet dem Messerschmied kürzlich: »Die sind nicht so scharf, wie ihr Stahl das ermöglichte - wir brauchen beim Operieren einfach einen kleinen Widerstand.«
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Sicher ist das Fetisch. Braucht kein Mensch, das ist klar 😉
quatsch, Handwerkskunst gibt es nicht, es gibt allerdings gute Handwerker 🙂 und gute Verkäufer, die unsere tiefsten Bedürfnisse zu befriedigen vorgeben 😉 Das nennt man da Fetisch, glaub ich 🙂
Bis zu € 12.000 für ein Messer! Puh…
Handwerkskunst !
https://shop.effilee.de/index.php?cPath=22&osCsid=8f2jlaiv5msn4c2qkfomabhse0
Ich hätte sehr gerne eins! 😀