Ein Teller von Ingo Holland: Dorade mit Honig, Jasminblüten und Piment auf Pinien-Couscous und Rosenessig-Glace

Im Jahr 2011 besuchten wir Ingo Holland in Klingenberg, wo er für uns kochte und über sein Leben sprach. Es war die erste von vielen Begegnungen, die immer intensiver und persönlicher wurden. Anläßlich seines Ablebens zeigen wir hier noch einmal das Interview von damals. Wir werden dich vermissen!

Herr Holland, toll, dass Sie für uns kochen. Man sagte mir, Sie tun das gar nicht mehr?
Doch, privat koche ich immer noch gern. Solange ich dafür nicht die Kochjacke anziehen muss!
Was gibt es denn?
Wir machen eine Dorade mit Honig, Blüten und Couscous, das ist ein bisschen arabisch von der Aromatik. Dieses Gericht habe ich bestimmt schon 10 000 Mal gekocht, es ist immer wieder ein Knaller.
Der Fisch wird auf der Haut angebraten und dann im Ofen gar gezogen. Auf die Haut kommen noch Honig, Butter, Jasminblüten, gestoßener Piment und Salz. Die Butterflöckchen sollten klein sein, damit sie schnell schmelzen. So verbrennen weder der Honig noch die Gewürze, sie sollen aber ein wenig karamellisieren. Das Salz nimmt dem Honig die Süße, zusammen wirken sie aromaverstärkend.
Wichtig ist, den richtigen Garpunkt zu erreichen. Ich mag keine Fische, die halb roh sind, dann sind sie zäh und schmecken nicht. Der Fisch sollte glasig sein, aber durch. Auch bei Fleisch mag ich es lieber, wenn es nicht ganz so roh ist. Der Geschmack wird besser, wenn das Fett ausläuft und sein Aroma weitergibt.
Gibt es eine Sauce?
Klar. Eine Rosenessig-Glace. Dafür koche ich weißen Balsamessig zusammen mit Rosenwasser ein, füge dann französische, ungesalzene Butter hinzu und lasse sie ein wenig mitkochen. Dann den Deckel drauf und das Feuer aus, sonst trennt sich die Butter.
Für den Couscous nehme ich immer kleinen, feinen Bulgur, weil Couscous meist zu fein ist und matschig wird. Hier wird er mit Ras el-Hanout und ein wenig Garam Masala gewürzt, der für die Röstaromen sorgt. Dazu passen Nüsse sehr gut. Heute habe ich Pinienkerne genommen, Walnüsse harmonieren aber auch.
Gestoßener Piment und grob zerriebene Jasminblüten geben bei jedem Biss unterschiedlich viel Aroma frei
Wie ist das mit dem Ras el-Hanout? Das ist fast Ihr Markenzeichen.
Ras el-Hanout ist tatsächlich das erste Gewürz, das wir damals zusammengestellt haben. Ich war damals noch im Winzerstübchen. Für den Bedarf in der Küche dort wollte ich ein einzigartiges Gewürz herstellen und habe angefangen zu basteln.
Einfach so?
Ja, ich bin ohne Vorkenntnisse autodidaktisch an die Sache rangegangen. Das Einzige, was ich wusste, war, wie man kocht. Und ich habe eine gute Nase und einen guten Geschmackssinn. Einige Sachen mussten wir im Apothekenfachhandel einkaufen. Die Recherche war wirklich spannend. Das mache ich heute noch gern, nach guten Produkten suchen.
Hatten Sie ein Rezept?
Ich hatte eine grobe Vorstellung, was reinkommen soll, aber ich wusste nicht wie viel. Es war eine Herausforderung, alles zusammenzutragen: Mönchspfeffer, da wusste ich vorher nicht einmal, was es ist. Veilchenwurzel, Ebereschenbeeren …
Wir haben immer wieder Zwei-Kilo-Mischungen zusammengestellt, gemahlen, probiert, weggeworfen – denn es war mal zu scharf, mal zu bitter, zu viel Kreuzkümmel …
Erst nach einem halben Jahr war die Mischung perfekt. Ras el-Hanout ist arabisch und heißt wörtlich ›Kopf des Ladens‹, also das Beste, was ein Gewürzladen zu bieten hat. Es wird aber auch Rosengewürz genannt, wegen dem hohen Anteil an Rosenblüten.
Damals hatten wir nur eine kleine Mühle, mit der wir unsere ersten Mischungen gemacht haben. Es ging wahnsinnig langsam voran, wir hatten einen Lehrling, der den ganzen Tag nur am Mahlen war …
Wann haben Sie angefangen, die Gewürze zu verkaufen?
Wir sind irgendwann an Ralf Bos herangetreten. Er war der Erste, der unsere Gewürze vertrieben hat. Ab da ging es los: 1996 sind wir in das Alte Rentamt in die Altstadt umgezogen. Fünf Jahre später mussten wir schräg gegenüber dem Restaurant einen Laden mieten, weil wir mehr Platz für unsere Gewürze brauchten. Damit die Menschen, die vorbeilaufen, begreifen, dass die beiden Läden zusammengehören, habe ich es Altes Gewürzamt genannt.
Das Alte Rentamt war Ihr Restaurant?
Ja. Zu der Zeit zählte es zu den 30 besten Restaurants in Deutschland. Das bedeutete für mich als Küchenchef, dass ich ständig verfügbar sein musste. Jeder wollte mich sehen, meine Mitarbeiter verlangten Entscheidungen von mir. Der Tag wurde immer länger und irgendwann hatte ich schon keine Lust mehr, beides zu machen.

Zudem kamen ständig Leute zu mir und sagten: »Wir wollen Sie mal testen, wir wollen mal gucken, ob Sie wirklich so gut sind, wie behauptet wird.« Solche Sprüche machen einen mürbe nach 35 Jahren.
Da kam mir ein Freund und ehemaliger Mitarbeiter gerade recht. Er wollte sich selbstständig machen, also habe ich ihm das Alte Rentamt überlassen. Im August 2007 habe ich zum letzten Mal im Restaurant gekocht.
Man sollte sich erst mal für Gewürze sensibilisieren, mit Bedacht einkaufen und immer wieder etwas Neues ausprobieren
Haben Sie einen Rat für jemanden, der anfängt, sich mit Gewürzen zu beschäftigen? Wie geht man da am besten vor?
Man sollte sich erst mal für Gewürze sensibilisieren, mit Bedacht einkaufen und immer wieder etwas Neues ausprobieren. Die Qualität der Gewürze spielt eine entscheidende Rolle und die Dosierung ist das Allerwichtigste. Man sollte mutig sein, aber nicht bei der Menge, sondern bei der Kombination.
Nehmen wir als Beispiel Curry auf Vanilleeis: Wenn man zu viel nimmt, kann man es gleich wegwerfen. Nimmt man aber nur einen Hauch, um es sozusagen zu parfümieren, dann bitzelt es ein bisschen und es entstehen ungeahnte Aromen …
Apropos Curry, was ist denn der wesentliche Unterschied zum Ras el-Hanout?
Ras el-Hanout ist floral und fruchtig-süßlich durch die Blüten und die Beeren. Rosen-, Jasmin-, Orangen- und Lavendelblüten sind darin enthalten. Man kann schöne Desserts damit machen. Zum Beispiel Birne in Ras el-Hanout-Sud mit Vanille und ein wenig Zucker pochiert … Das ist wunderbar.
Curry dagegen ist deutlich härter. Es enthält mehr Curcuma und Chili, Ingwer und Kreuzkümmel sind drin – es ist eine ganz andere Richtung.
Das heißt, Curry lebt von der Schärfe?
Es gibt immer wieder Kunden, denen selbst unsere Currys zu mild sind, sogar unser Goa-Curry, das ich als Anschlag auf die Gesundheit empfinde. Wir arbeiten mit der Curry Queen in Hamburg zusammen und die brauchten etwas Schärferes. Da mussten wir noch was machen, so ist das Dragon-Curry entstanden. Dabei sind wir an die Schmerzgrenze gegangen, es enthält 30 Prozent Chili: einen hohen Anteil an Habanero, Bhut Jolokia und Bird’s Eye Chili. Dazu noch unser rosenscharfer Paprika. Das ist schon ein dickes Teil, aber es macht Spaß.
Bhut Jolokia? Die Sorte kenne ich nicht.
Bhut Jolokia kommt aus dem Indischen und bedeutet ›Geisterchili‹, es ist die schärfste Chilisorte der Welt mit mehr als 1 Million Scoville-Einheiten. Neben seiner Schärfe hat er noch süße und fruchtige Aromen, wenn die Zunge nicht so betäubt ist, dass man gar nichts mehr schmeckt.
Es wird oft unterschätzt, wie viel Geschmack, abgesehen von der Schärfe, in den Chilis eigentlich steckt.
Habanero zum Beispiel schmeckt als frisches Gewürz besser als jeder europäische Chili, weil er exotische Aromen mitbringt. Ich finde, diese Chilischoten riechen und schmecken nach exotischen Früchten wie Mango, Papaya, Passionsfrucht … Die meisten Deutschen wollen aber nur die betäubende Schärfe, das finde ich schade.

Dorade royal mit Jasminblüten und Piment gebraten auf Pinien-Couscous und Rosenessig-Glace

Für 4 Personen

Dorade

  • 2 Doraden royal à 500–600 g
  • 1 EL Jasminblüten, getrocknet
  • 8 Pimentkörner, grob zerstoßen
  • 2 TL flüssiger Honig
  • 20 g Butter
  • Salz
  • schwarzer Pfeffer aus der Mühle
  • Weizenmehl zum Mehlieren
  • Olivenöl zum Braten und Ausstreichen

Pinien-Couscous

  • 100 g Couscous oder Bulgur
  • 30 g Korinthen
  • 50 g Pinienkerne, geröstet
  • 20 g Olivenöl
  • 1 gestr. TL Ras el-Hanout (Altes Gewürzamt)
  • 1 Msp. Garam Masala (Altes Gewürzamt)
  • Salz

Rosenessig-Glace

  • 100 g Balsamessig, weiß
  • 30 g Rosenwasser
  • 30 g kalte Butter
  • getrocknete Rosenblütenblätter zum Fertigstellen
  1. Doraden entschuppen und filetieren. Couscous in ein Sieb geben und mit kaltem Wasser übergießen. Diesen Vorgang solange wiederholen, bis er genug Feuchtigkeit aufgenommen und keinen harten Biss mehr hat. Korinthen abspülen und in kaltem Wasser einweichen.
  2. Die Doradenfilets salzen und pfeffern, nur die Hautseite durch das Mehl ziehen. In einer heißen Pfanne in Olivenöl nur die Hautseite scharf anbraten, bis diese schön braun ist. Eine ofenfeste Pfanne mit Olivenöl ausstreichen und die Filets mit der Hautseite nach oben darauf auskühlen lassen. Dann die Haut mit dem Honig in dünnen Fäden benetzen und mit Piment bestreuen. Jasminblüten zwischen den Fingern zerreiben und darüberstreuen. Butter in kleinen Flöckchen darauf verteilen und beiseitestellen.
  3. Für den Couscous das Olivenöl in einer Pfanne erhitzen. Couscous, Pinienkerne und die abgetropften Korinthen zugeben. Langsam unter Rühren erhitzen und mit Salz abschmecken. Wenn alles gut durcherhitzt ist, die Gewürze zugeben und gründlich durchmischen. Abdecken und warm halten.
  4. Die Doraden in der Pfanne 3–5 Minuten im vorgeheizten Ofen bei 230 Grad Oberhitze in die oberste Schiene schieben. Wenn die Butter geschmolzen ist, die Filets damit übergießen.
  5. Währenddessen für die Glace den Essig mit dem Rosenwasser auf etwa die Hälfte einkochen, anschließend mit der kalten Butter aufmixen.

Anrichten

  1. Den Couscous auf vier Tellern flach anrichten. Jeweils ein Doradenfilet darauf platzieren, mit der Rosenessig-Glace umgießen und mit den Rosenblütenblättern bestreuen.

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