Deutschstunde: Hamburger Pannfisch

Ups, fast hätten wir dieses norddeutsche Traditionsgericht vergessen. Jetzt aber dafür umso feiner …

Ein Leserbrief erreicht uns: ob denn bitte unter all den Traditionsgerichten der Deutschstunden-Reihe wohl auch der Pannfisch langsam mal Beachtung finden könne. Die daraufhin folgende, hektische Festplattenrecherche (»Gibt’s doch nicht, hamwa den echt vergessen?«) fördert zumindest eine Absichtserklärung zutage: Auf einer Liste mit Themenvorschlägen für diese Kolumne aus dem Jahr 2009 (!) findet sich auch das Hamburger Fischgericht, allerdings nur leicht verschämt ganz am Ende unter der Überschrift Weitere denkbare Gerichte.

Meine Zurückhaltung und die sich anschließende den Pannfisch betreffende Amnesie mag dem Wissen um die Ursprünge des Gerichts geschuldet sein. Der Hamburger Pannfisch war ursprünglich ein Resteessen, bei dem übrig gebliebene Fischstücke in Brühe gekocht und dann mit Bratkartoffeln in der Pfanne geschwenkt wurden. Etwas von der Fisch-Kochbrühe wurde mit Senf verrührt, zurück in die Pfanne gegossenen und final alles ordentlich eingekocht. In der etwas aufwendigeren Version rührte man aus Brühe, Mehl und Senf eine dicke Béchamel-Soße, immer aber übertünchte der Senf dabei etwaige Fehltöne der Einlage. Die stammte aus Elbe, Nord- und Ostsee: Kabeljau und Scholle waren dabei, Heringe, mal ein Stück Aal und gerne auch Lachs. Bis ins 19. Jahrhundert hinein herrschte in den Hansestädten ein Überangebot an Lachs. Dieser Fisch galt als Armeleutespeise und wurde Mägden, Knechten und Dienstboten so oft vorgesetzt, dass der Hamburger Rat nach zahlreichen Beschwerden verfügte, er dürfe dem Personal nur noch zweimal wöchentlich zugemutet werden.

Das alles klingt jetzt nicht allzu einladend, der Pannfisch hat dennoch in Hamburg Karriere gemacht und steht gleichberechtigt mit Labskaus und Scholle Finkenwerder Art auf den Speisekarten gutbürgerlicher Gasthäuser und Fischrestaurants. Der Klassiker ist dort dann aber meist kaum wiederzuerkennen: Saftig gebratene (und vor allem frische) Fischstücke stapeln sich mit krossen Bratkartoffeln, die Sauce wird meist separat gereicht und ihre Konsistenz verrät viel darüber, wo genau man gerade speist. Luftige Champagner-Saucen mit französischem Senf finden sich in Hamburg Restaurants ebenso wie deftige Senfrahm-Soßen, die oft mit Dill und Zitrone erfrischt werden. So wurde der olle Pannfisch doch noch zum Stolz der Hansestadt – weil die Hamburger verinnerlichten, was wir an dieser Stelle seit 2009 und in mittlerweile 59 Folgen der Deutschstunde beherzigen und zelebrieren: Das Lob der Klassik sollte nie der respektvollen Optimierung im Wege stehen. Drum wacker vorwärts und die Kartoffeln für den Pannfisch schon am Vortag in der Schale kochen und ausdampfen lassen! Über Nacht festigen sie sich und fallen beim Braten nicht so auseinander. Für die Senfsauce, die ganz ohne Bindemittel trotzdem sämig gelingt, nehmen wir uns Zeit, lassen Wein einreduzieren wie später auch den Fond und mit der Sahne ein weiteres Mal. Bratkartoffeln und Fisch braten wir so konzentriert wie separat. Das ganze Rezept ist eigentlich eine einzige Übung in Achtsamkeit … an deren Ende ein wahnsinnig appetitlich aussehendes Essen steht, das richtig gut schmeckt. Dazu stoßen wir mit einem Glas Silvaner auf jenen Leser an, der uns auf die Unterlassung aufmerksam gemacht hat. Das wäre nämlich wirklich schade gewesen, hätten wir den Pannfisch vergessen.

Pannfisch Paulsen

  • 700 g festkochende Kartoffeln
  • 600 g Fischfilets, küchenfertig entgrätet (z. B. Seelachs und Lachs)
  • Salz
  • 3 Schalotten
  • 30 g Butter
  • 1 Msp. mildes Curry
  • 100 ml Weißwein (z. B. Silvaner)
  • 500 ml Fischfond
  • 200 ml Schlagsahne
  • 1 EL Dijonsenf
  • 1 TL grober Senf
  • Cornichons aus dem Glas
  • 1 weiße Zwiebel
  • 30 g Butterschmalz
  • 60 g magere Speckwürfel
  • 2 EL Olivenöl
  • 2 Zweige krause Petersilie
  • 2–3 Zweige Dill
  • 2–3 EL Perlzwiebeln aus dem Glas
Zubereitungszeit: 45 Minuten
Zubereitungszeit: 45 Minuten + Kartoffeln am Vortag garen, 1 Stunde für die Fischstücke in Salzlake
  1. Am Vortag die Kartoffeln in der Schale bissfest garen, ausdampfen und abkühlen lassen, erst am folgenden Tag pellen. Fischfilets in Stücke von ca. 30 g schneiden. 40 g feines Salz in 1 l kaltem Wasser auflösen, Fischstücke hineinlegen, 1 Stunde ziehen lassen. Das würzt den Fisch und lässt ihn später weniger zerfallen.
  2. Für die Sauce die Schalotten pellen und fein würfeln, in der zerlassenen Butter glasig dünsten. Mit Curry bestäuben, mit Wein ablöschen und aufkochen. Fischfond zugießen und alles leise köchelnd offen auf ca. ein Drittel der Flüssigkeitsmenge reduzieren. Sahne zugießen und weitere 5 Minuten offen einkochen. Die Sauce mit Schneidstab oder Mixer fein pürieren und durch ein Sieb gießen. Senf und 2 Esslöffel Cornichon-Gurkenwasser unterrühren, mit Salz würzen.
  3. Kartoffeln in Scheiben schneiden. Zwiebel halbieren, pellen, in Streifen schneiden. Butterschmalz einer großen beschichteten Pfanne erhitzen. Die Kartoffelscheiben hineingeben und 3–4 Minuten anbraten, dann erst die Kartoffelscheiben ein erstes Mal wenden. Zwiebeln und Speck zugeben, die Kartoffeln unter gelegentlichem Wenden weitere 10–12 Minuten braten, bis sie goldbraun sind. Mit Salz würzen.
  4. In einer zweiten Pfanne das Öl erhitzen. Fischstücke aus der Lake nehmen, trockentupfen und in die Pfanne geben. Von jeder Seite 2–3 Minuten braten. Die Sauce erhitzen. Petersilie und Dill fein schneiden. Bratkartoffeln und Fisch mit Perlzwiebeln und Cornichons anrichten, punktuell mit der heißen Sauce beschöpfen. Mit den Kräutern bestreut sofort servieren.
Meine Meinung …

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Aus Effilee #60, Frühjahr 2022
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