Das Geschäft der Familie Paillard war über Jahrhunderte hinweg der Handel mit Wein, wie man hier prosaisch zum Champagner sagt. Auch Bruno Paillard beginnt zunächst als Makler, im Jahr 1981 aber entschließt er sich, etwas zu wagen, was seit fast hundert Jahren keinem mehr gelungen ist: Er gründet sein eigenes Champagnerhaus. Die Legende will, dass es der Erlös aus dem Verkauf eines Oldtimers, eines Jaguars MK II, war, der als Startkapital diente.
Wichtiger waren aber sicher die guten Kontakte zu den Winzern. Eine der Besonderheiten der Champagne ist, dass die Produzenten nur einen Teil ihres Bedarfs an Trauben aus eigenen Weinbergen decken können und entsprechend viele Trauben zukaufen müssen, die vielfach von kleinen Familienbetrieben angebaut werden. Das führt dazu, dass nicht immer die besten Trauben an die besten Häuser gehen. Paillard, der sich auskennt, schafft es, schon für seine ersten Versuche nur die besten Trauben aus den besten Lagen zu bekommen.
Wir sind bei Bruno Paillard zum Essen eingeladen. Nicht irgendein Essen, es wird von Joël Robuchon persönlich zubereitet, seines Zeichens Koch des Jahrhunderts und Träger von insgesamt 18 Michelinsternen. Robuchon und Paillard sind alte Freunde, es war Robuchon, der mit seiner Begeisterung über einen Champagner von »bemerkenswerter Reinheit« entscheidend zum Durchbruch des Hauses beigetragen hat. Zuvor lassen wir uns jedoch durch den Betrieb führen. Außer mir ist noch der geschätzte Kollege Hendrik Thoma da, drei Pariser Gastronomen, einer aus Bordeaux und eine Journalistin.
Der Most, der ausschließlich aus der ersten Pressung stammt, gärt, nach Sorten und Lagen getrennt, teils in Stahl-, teils in Holzfässern. So steht, zusammen mit den Reserveweinen aus früheren Jahrgängen, eine umfangreiche Palette von Aromen zur Verfügung, aus der die Assemblage entsteht, die stilsichere Mischung des Champagners, in der sich der Geist des Hauses widerspiegelt. Die Assemblage wird auf Flaschen gezogen, dann wird Hefe und etwas Zucker für die zweite Gärung zugegeben.
»Ich bin kein Picasso, der mit wenigen Pinselstrichen ein Kunstwerk auf die Leinwand wirft«, erklärt Paillard. »Es sind Tausende von kleinen einzelnen Entscheidungen, die alle richtig sein müssen, damit aus den Trauben ein großer Champagner wird.«
Eine ganz wichtige Entscheidung ist, die Flaschen nicht in einen Keller zu legen. Die alteingesessenen Häuser verfügen über kilometerlange Höhlen in den Kreidefelsen, Paillard baut stattdessen eine isolierte Halle, dunkel und kühl, zwischen 10,5 und 11 Grad, optimal für die zweite Reifung in der Flasche. Zwischen drei und fünfzehn Jahren liegen die Flaschen hier, bevor sie degorgiert werden. Dabei wird die Hefe entfernt und die Flasche mit dem nun völlig klaren Wein mit Korken und Käfig verschlossen. Vorher müssen die Flaschen gerüttelt werden. Dafür werden sie immer wieder etwas gedreht und dabei langsam in eine senkrechte Position gebracht, den Hals nach unten. Paillard benutzt mittlerweile Maschinen zum Rütteln, »der Hersteller hat uns die Geräte ein Jahr lang umsonst zur Verfügung gestellt und als ich das Ergebnis sah, gab es keinen Zweifel mehr.« Anschließend kommt der Champagner nochmals mehrere Monate in den überirdischen Keller, um sich zu erholen.
Paillard war der Erste, der das Datum des Dégorgements auf die Flaschen schrieb. »Wir mussten es auf die Rückseite des Etiketts schreiben, damit man es nicht mit einer Jahrgangsangabe verwechselt«, erklärt er. »Aber es war mir wichtig, weil der Champagner sich auch nach dem Dégorgement weiter entwickelt.« Zum Beweis lässt er uns einige ältere Flaschen probieren, und in der Tat hat selbst der zehn Jahre alte Brut Première Cuvée wenig an Frische eingebüßt, dafür aber umso mehr an Komplexität und Ausgewogenheit gewonnen.
Wir verlassen den Betrieb, der aus Glas, Stahl und Holz gebaut ist - »das sind die drei Materialien, mit denen Champagner in Berührung kommt«, erklärt Paillard - und begeben uns in die Innenstadt, in das Wohnhaus der Familie. Natürlich gibt es Champagner zur Begrüßung.
Das Essen ist schlichtweg fantastisch. Wir trinken uns noch mal durch das gesamte Angebot des Hauses und bekommen dazu Zitronengelee, Kaviar auf Krebsfleisch, Flusskrebse mit Gemüseperlen, Pfifferlinge auf einer Petersilienemulsion, Wachtel mit Robuchons legendärem Kartoffelpüree, Käse und noch zwei kleine Desserts.
Zum Kaffee kommt Robuchon noch mal heraus und stellt den Koch vor, der ihm assistiert hat, bevor er ihn mit einem väterlichen Tätscheln am Kopf nach Hause schickt. »Es ist einfach, zu Champagner zu kochen«, erzählt er, »Champagner passt eigentlich zu allem.« Hendrik bewundert sein iPhone mit Karbonhülle und persönlicher Signatur. Ob man Steve Jobs persönlich kennen müsse, um so eines zu bekommen? »Ja«, antwortet Robuchon. Und wie um noch einen draufzusetzen, erzählt Paillard, wie er einmal auf einer Veranstaltung Michael Schumacher nicht erkannt hatte und fragte, was er eigentlich mache: »Ich fahre Auto.«
Ob es ein gutes Geschäft sei, so ein Magazin, fragt Alice, Bruno Paillards Tochter. »Man kann ein kleines Vermögen damit machen«, antworte ich, »vorausgesetzt, man hatte vorher ein großes.« Sie lacht, als hätte sie diesen abgedroschenen Scherz noch nie gehört. »Mit Champagner geht das auch!«, sagt sie. Darauf trinken wir.
Champagne Bruno Paillard
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