Weinbegleitung: Zu jedem Tellerchen ein Gläselein

Weißwein zum Fisch, Rotwein zum Fleisch – das war früher. Heute müssen Säurespiel, vegetabile Aromen, Farbton und Bodenbeschaffenheit exakt auf jeden Gang abgestimmt werden. Humbug, meint Vijay Sapre

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich habe nichts gegen Sommeliers. Einige meiner besten Freunde sind Sommeliers. Aber ich habe etwas gegen das, was manche für die Arbeit von Sommeliers halten: gegen Weinbegleitungen. Die Weinbegleitung ist so etwas wie die teuer bezahlte Trailershow der Weinkarte, anders als im Kino kriegt man aber leider nicht die Höhepunkte sondern häufig eher die Flops, im besten Fall das Mittelmaß.

Mal wird ein Kontrapunkt gesetzt, mal ein Aroma verstärkt, mal wild über Farben, Formen oder Winzernamen assoziiert. Rumsbums allerorten.
Mal wird ein Kontrapunkt gesetzt, mal ein Aroma verstärkt, mal wild über Farben, Formen oder Winzernamen assoziiert. Rumsbums allerorten.

»Ja, aber wir haben uns doch große Mühe gegeben, zu jedem Gang den genau passenden Wein auszusuchen«, wird man jetzt sagen. Eben, sage ich, jetzt muss ich also nicht nur zehn Gänge essen und im Zustand der vollkommenen Degustation zu verstehen versuchen, zusätzlich soll ich auch noch zu jedem Gang einen Wein gut finden. Jedenfalls stellt der Kollege die Frage jedes Mal, wenn er das Glas abräumt: »Hat’s Ihnen gefallen, die Kombination mit dem Wein?« So sicher ist er sich seiner Kombinationsgabe wohl nicht. Zu Recht! will der geplagte Trinker ihm zurufen, mal wird ein Kontrapunkt gesetzt, mal ein Aroma verstärkt, mal wild über Farben, Formen oder Winzernamen assoziiert. Rumsbums allerorten.

Korrespondierende Weine nennt sich so was auf der Karte. Was genau will mir das sagen? Peter Scholl-Latour im Glas? Dann doch lieber (und man verzeihe mir diesen Kalauer als Überleitung) eine Flasche Latour. Zack, und wenn es sein muss zum Fisch. Ich habe nichts gegen Rat bei der Weinauswahl, es ist aber ein Riesenunterschied, ob einer versucht, eine Flasche zu finden, die zu mir passt, oder ein Glas, das zu seinem Gang passt.

»Aber sehen Sie sich um, alle bestellen die Weinbegleitung«, entgegnet man mir. Und es stimmt. An gefühlt acht von zehn Tischen wird schlückchenweise degustiert und in drei Sprachen fließend der immer gleiche passende Spruch zum passenden Wein abgelassen. Klüger wird dabei keiner, wenn wirklich mal ein interessantes Glas dabei ist, ist es wieder weg, bevor man sich halbwegs ernsthaft damit auseinandergesetzt hat. Die Erinnerung an den Abend: ganz schön viel Verschiedenes, was sich im Marketing Feuerwerk nennt, in der Farbenlehre jedoch in der Regel zu grau verschmiert.
Das große Menü mit Weinbegleitung ist ein Erlebnis von der Stange. Standardisiert, routiniert abgefiedelt und letzten Endes das Gegenteil von dem, was ein Besuch in einem großen Restaurant sein kann.

Trinkt Flaschen!

2 Kommentare

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  1. Dann doch lieber (und man verzeihe mir diesen Kalauer als Überleitung) eine Flasche Latour.
    Dem kann ich mich nur anschliessen. Einmal eine Weinbegleitung, nie mehr.
    Grüsse aus der Schweiz. M. Hocher

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