Feta aus Griechenland

Text: Ursula Heinzelmann Foto: Andrea Thode Feta bröckelt mit Gurke, Tomaten, Oliven und Zwiebeln im Salat, Feta würzt Spanakopita, Spinat-Teigfladen, und […]

Text: Ursula Heinzelmann Foto: Andrea Thode

Feta bröckelt mit Gurke, Tomaten, Oliven und Zwiebeln im Salat, Feta würzt Spanakopita, Spinat-Teigfladen, und füllt Tyropita, Käsefladen. Feta gehört mit Oliven und Sardinen zum Aperitifglas Tsipouro, dem makedonischen, anisduftenden Tresterbrand. Feta ist mit Honig und Sesam-Teigkringel Frühstück. Feta ist … hmm, möchte ich das jetzt wirklich schreiben? Doch. Augen zu, durch: Feta ist ein demokratischer Käse, für alle, quasi immer.

Und er ist wirklich urgriechisch. Der legendäre Dichter Homer berichtet vor knapp dreitausend Jahren in der Odyssee vom einäugigen Riesen, dem Kyklopen Polyphem, der aus der Milch seiner Schafe und Ziegen in geflochtenen Körben Käse macht. Schafe und Ziegen bestimmen bis heute die Milch- und Käselandschaft Griechenlands, die felsigen, sonnendürren Hänge sind nicht für Kühe geschaffen, sondern für von Hirten geführte behände, kleinere Tiere. Den frischen Käse des Kyklopen nennt Homer τυρῶν, tyron, nicht Feta (und deshalb kann man sich als käseliebender Mensch auch ganz vornehm als tyrophil bezeichnen). Diesen Begriff gibt es erst, seitdem es die Italiener auf den Spuren des Altertums ins Hellenische trieb, und sie zu Hause vom Prosfatos, dem frischen Käse, als Scheibenkäse berichteten, fetta.
Feta mag Scheibe heißen, aber gekauft wird er in Griechenland mindestens im pfund-, lieber noch kiloschweren Stück. Über zwölf Kilo isst jeder der elf Millionen Griechen im Durchschnitt im Jahr, das sind umgerechnet über dreißig Gramm am Tag. Was heißt: Feta gehört zum griechischen Alltag wie hierzulande Butter und Brot. Aber Feta ist auch mit den Griechen in die Welt gezogen. Die großen Auswanderungswellen des 20. Jahrhunderts haben Märkte in Australien, den USA, Kanada und Deutschland geschaffen. Schafsmilch war dort schwer zu bekommen, man experimentierte mit Kuhmilch, setzte ihr Chlorophyll und Lipase zu, um schafsähnliche Komplexität vorzutäuschen – wie alle Tricksereien dieser Art vergebens.

Über 12 Kilo Feta isst jeder Grieche im Jahr, umgerechnet mehr als 30 Gramm pro Tag

Es gibt durchaus feta-ähnlichen Käse, der ausschließlich aus Ziegenmilch, aus entrahmter Milch, oder eben aus Kuhmilch hergestellt wird – aber der schmeckt deutlich anders: strenger, weniger ausdrucksvoll, ist bröckelig-quietschiger. Und darf nicht Feta heißen, weil dieser Begriff 2002 von der EU als geschützte Ursprungsbezeichnung eingetragen wurde.

Scheibletten der anderen Art, Scheibletten mit Charakter: Letzten Herbst traf ich fünf Feta-Bauern beim Salone del Gusto in Turin – und war schlichtweg baff, wie unterschiedlich ihre Käse schmeckten, obgleich sie quasi Nachbarn waren, allesamt aus dem mittelgriechischen Thessalien. Fünf Produzenten aus demselben Gebiet, mit dem gleichen und doch ganz anderen Produkt – das leuchtet uns beim Wein sofort ein, selbst aus ein- und derselben Lage macht sich die Handschrift des einzelnen Winzers bemerkbar. Warum war ich also überrascht, dass die fünf Stücke Feta vor mir auf dem Teller sich derart voneinander abhoben, in Säure, Salz, Aromen, Textur, Cremigkeit? Ich fürchte, die Antwort lautet: Überheblichkeit. Mea culpa, den basisdemokratischen rindenlosen weißen Käse als gesichtsloses Industrieprodukt abzutun, ihm keinen Eigencharakter zuzubilligen.

Wie auch beim griechischen Wein beginne ich erst zu begreifen. Was passiert da, in der Lake, mit dem jungen weißen Käse? Selbstverständlich spielt, wie grundsätzlich bei Käse, die Milchqualität eine Rolle für den Charakter des Endprodukts. Beim Feta kommt hinzu, dass nach wie vor, wie schon zu Homers Zeiten, jahreszeitlich und landschaftlich bestimmt unterschiedlich viel Ziegenmilch zur Schafsmilch gemischt wird. Beim Wein würde man dies in seiner ursprünglichen Art als gemischten Satz bezeichnen: verschiedene Traubensorten, gemischt angebaut, gelesen und vinifiziert. Gesetzlich sind es heute maximal dreißig Prozent Ziegenmilch. Die macht sich im fertigen Käse durchaus bemerkbar; Feta aus reiner Ziegenmilch (der dann Katsikisio heißt) schmeckt etwas strenger und salziger, weil die ausgleichende süße Cremigkeit der Schafsmilch fehlt. Und schließlich wirkt sich die Lagerzeit in der Salz-Molke-Lake entscheidend aus. Zwei Monate müssen es mindestens sein, entweder in großen Blechdosen (eher im Norden des Landes) oder in Holzfässern (eher im Süden). Nach einem Jahr Fasslagerung verändert sich die geschmackliche Balance merklich, die Säure wirkt feiner und eleganter, die Konsistenz ist cremiger.

Nachdem ich bereits in Turin meine Feta-Erweckung erlebt hatte, war ich natürlich sehr hellhörig, als mir Benis Levis für meine kürzliche Reise nach Nordgriechenland den Tipp gab, mir in Thessaloniki ein Geschäft namens Mia Feta anzuschauen. Benis kommt aus Thessalien und bietet seit einiger Zeit in der Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg hervorragende Oliven, Öl, Feta, Joghurt und andere Spezialitäten aus seiner Heimat an. Thessaloniki also: wunderschöne Stadt am Meer, mit aufrechtem Rückgrat wie Turin, großen historischen Gesten wie Trieste und einer Lebendigkeit wie Istanbul. Mia Feta: viel mehr als ein Laden, sondern modern gestylte Bar mit einer verführerischen Auswahl an Weinen und Bier. Mister Mia Feta, Giorgos Papastergiou, hat sich damit einen Traum erfüllt. Seine Familie macht seit fünfzig Jahren in Grevena Käse und Joghurt – im großen Stil, mit zwei eigenen Höfen und der Milch von knapp dreihundert kleineren Bauern, arbeitet aber bereits seit 1996, noch bevor es in Griechenland selbst entsprechende Richtlinien gab, auch ökologisch. Neben allerlei Innovativem wie eingelegten Fetahappen und Feta mit Trüffel (nicht schlecht!) gibt es bei Mia Feta sechs verschiedene Sorten Feta vom Stück zu kaufen, und Giorgos ließ mich erst wieder gehen, nachdem ich sie alle probiert hatte. Und natürlich musste ich dazu einen Schluck Assyrtiko trinken … Das Heinzelcheese-Leben ist hart. Aber jetzt voller Feta-Begeisterung.

Griechischer Feta
Beim Käsehändler Ihres Vertrauens
Oder in Berlin: Benis Levis, Grinbox,
www.markthalleneun.deOder in Thessaloniki: Mia Feta Bar,
14 Pavlou Mela St.

Meine Meinung …

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