Dinner, Bed and Breakfast

Schottland ist gar nicht so weit weg und doch eine ganz andere Welt: Eine Mischung aus Highlander, Harry Potter und Game of Thrones, Landschaft und Historie im Überfluss, gefahren wird auf der richtigen (der linken) Seite, die Straßen sind nicht breiter als unbedingt nötig, und die Natur weckt eine Vorstellung davon, wie es bei uns gewesen sein mag, bevor alles betoniert wurde. Und das Essen ist besser als sein Ruf. Viel besser

Text: Vijay Sapre Fotos: Ulrike Brase

Das Autofahren gehört zu den Tätigkeiten, die einem relativ schnell in Fleisch und Blut übergehen. Kuppeln, schalten, bremsen, dabei kurz SMS checken und gucken, ob die Polizei nicht guckt – alles kein Problem. Wie viel wir dabei unbewusst machen, merkt man spätestens beim Rechtsabbiegen in Schottland: Spiegel, Blinker, Schulterblick … – der Gegenverkehr kommt aber von vorn. Aber die Briten sind Kummer mit Touristen gewohnt und fahren in der Regel sehr aufmerksam. Für die Fußgänger steht an vielen Straßenübergängen, in welche Richtung sie gucken sollen: Look right!
Ist es nun einfacher mit dem eigenen Auto, wo der Fahrer auf der linken Seite sitzt, oder mit einem Mietwagen, wo man auf der rechten Seite sitzt? Das eigene Auto hat den Vorteil, dass alle Armaturen da sitzen, wo man es gewohnt ist, nur ist die Sicht nach vorn beim Überholen sehr eingeschränkt. Bei Fahrzeugen mit Rechtslenker sind übrigens die Pedale genauso angeordnet wie bei uns, Gas rechts, Kupplung links, Bremse in der Mitte. Und der erste Gang ist, wenn man ein Schaltgetriebe hat, links vorn. Allerdings ist das Schalten mit der linken Hand nicht jedermanns Sache. Die Straßen sind schmal und gerade im Norden gibt es viele einspurige Strecken mit Passing Places, Ausbuchtungen, an denen man den Gegenverkehr vorbeilässt. Manchmal schlafen auf solchen Straßen Schafe. Es lohnt sich also, vorsichtig zu fahren.


Port Appin: außen Pub, innen Relais & Châteaux

Das schlichte Äußere täuscht, innen herrscht Vier-Sterne-Luxus
Das schlichte Äußere täuscht, innen herrscht Vier-Sterne-Luxus

Port Appin liegt am Loch Linnhe, dem unteren Ende des Great Glen, einer tektonischen Verwerfung, die durch Schottland geht, wie mit dem Lineal gezogen. Unten am Hafen gibt es eine winzige Fähre, die zur Insel Lismore fährt, ansonsten gibt es Landschaft, Ruhe und Abgeschiedenheit. Das Airds Hotel sieht von außen aus wie viele der Pubs, die man hier in der Gegend findet. Es gehört aber schon lange zu den besten Häusern in Schottland, bereits unter den Vorbesitzern war es bei Relais & Châteaux gelistet, das war auch der Grund, warum Jenny und Shaun McKivragan, die eigentlich aus Surrey in der Nähe von London stammen, das Hotel zum ersten Mal besuchten. Es geschah, was geschehen musste: Sie verguckten sich in das Haus und bald waren sie Hoteliers in Schottland.
Es dauerte drei Jahre, bis sie nach dem Eigentümerwechsel wieder bei Relais & Châteaux aufgenommen wurden, mittlerweile schneidet das Haus bei den Gästebefragungen regelmäßig deutlich über dem Durchschnitt ab.
Die Küche wird seit diesem Jahr von Jordan Annabi geleitet. Jordan ist achtundzwanzig, stammt aus der Gegend, hat aber auch schon Stationen in Edinburgh und im Nahen Osten hinter sich. Er serviert Modern Scottish Cuisine und ist noch dabei, seine Freiräume auszuloten. Am besten ist er denn auch bei einem Gang, den er uns außerhalb des Menüs serviert: Krebsfleisch mit Apfel, Melone und Limonengelee. Sehr gut aber auch seine Jakobsmuscheln mit Noricrackern und die Variation vom Lamm mit Pie, Bries, frischen Erbsen und Wurzelgemüse, die alle Erwartungen an Schottland erfüllt, obwohl sie auf der Karte unnötig französisch (Petits Pois) angekündigt wird. Die Weinkarte ist nicht besonders groß, aber die Preise sind fair und es sollte für jeden etwas dabei sein.

    Airds Hotel, Port Appin, Argyll PA38 4DF
    +44 1631/730 236, www.airds-hotel.com
    Dinner, Bed & Breakfast für zwei von 290 bis 500 £

1. Bodenständig aber keineswegs banal: Lamm mit Pie, Bries, Erbsen und Babykarotten
1. Bodenständig aber keineswegs banal: Lamm mit Pie, Bries, Erbsen und Babykarotten

Flugzeug oder Fähre?

    Neben den Flugverbindungen nach Glasgow und Edinburgh bietet sich für jene, die sich dem Linksverkehr lieber mit dem eigenen Auto stellen wollen, die Anreise mit der Fähre an. DFDS fährt täglich über Nacht von Amsterdam nach Newcastle.
    Es gibt verschiedene Restaurants auf den Fähren, Bällebad für die Kinder und Unterhaltungsprogramm fast die ganze Nacht, einschließlich Blackjack. Kreuzfahrtgefühl mit dem beruhigenden Wissen, am nächsten Tag wieder
    von Bord gehen zu können. Man kommt gegen zehn Uhr, hoffentlich ausgeruht, in Newcastle an. Von dort sind es etwa 90 Kilometer bis zur schottischen Grenze. Bis Edinburgh braucht man etwa zweieinhalb Stunden.
    DFDS Seaways, www.dfdsseaways.de. Hin- und Rückfahrt für zwei Personen inkl. Pkw ab ca. 600 Euro

Crinan: Hier endet Schottlands schönste Abkürzung

1. Auf der Insel Jura, die Crinan gegenüberliegt, schrieb George Orwell 1984
1. Auf der Insel Jura, die Crinan gegenüberliegt, schrieb George Orwell 1984

Wer die Inseln vor der Westküste Schottlands erreichen wollte, musste früher um den Mull of Kintyre herumfahren. Das klingt zwar romantisch, vor allem wenn man den alten Hit von Paul McCartney im Ohr hat, war aber in Wirklichkeit langwierig und gefährlich. 1794 wurde daher mit dem Bau des Crinan Canal begonnen, der – heutzutage unvorstellbar – bereits fünf Jahre später vollendet wurde.
Schon damals stand an der westlichen Mündung des Kanals ein Gasthaus, es war aber, wie Nick Ryan, der das Crinan Hotel heute mit seiner Frau Francis führt, erklärt, ein »house of ill repute«. So entschloss sich auch Königin Victoria, die den Kanal zur Eröffnung durchschifft hatte, auf dem Boot zu bleiben, das zweifellos mit allen Annehmlichkeiten der damaligen Zeit ausgestattet war. Das Problem besteht bis heute, ein Cartoon im Foyer des Hotels zeigt einen zornigen Nick, der die Besatzung eines im Hafen liegenden Bootes per Megaphon auffordert, gefälligst ins Hotel zu kommen, zum Dinner.
Das Haus strahlt einen morbiden Charme aus, die Treppen sind steil, der Aufzug ist klein, aber die Zimmer sind geräumig, sauber und gepflegt. Francis ist unter ihrem Mädchennamen McDonald eine renommierte schottische Landschaftsmalerin, und wo immer in dem Haus Platz ist, hängen Bilder, ihre und die von anderen Künstlern. Im Obergeschoss finden regelmäßig wechselnde Ausstellungen statt, und die Zimmer sind nach den Malern benannt, deren Bilder drin hängen.
Nick war den größten Teil seines Lebens Head Purser auf der Queen Mary und seine Erfahrungen aus dieser Zeit prägen auch das Hotel. »Eigentlich«, sagt er, »gibt es immer nur zwei Dinge, an die man sich vom Urlaub erinnert: das Wetter und das Essen!« Das Wetter kann er nicht beeinflussen (es ist besser als sein Ruf), aber er steht bis heute jeden Tag in der Küche, nicht am Herd, aber am Pass.
»Wenn man merkt, dass es bestimmte Dinge gibt, derentwegen der die Leute zu einem kommen, tut man gut daran, sich darauf auch zu konzentrieren!«, erklärt er. Das klingt einleuchtend und man wünscht sich, dass es öfter beherzigt würde. Das Publikum, das man braucht, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, beschreibt er mit den drei A: »affluent, artistic and alcoholic« – wohlhabende, kunstinteressierte Trinker. Die brauchen neben gutem Wein und Whisky hervorragendes Essen, das aber nicht zu gekünstelt sein darf, also keine »upside-down elephant balls on toast«, wie die Köche auf der Queen Mary zu sagen pflegten.
Stattdessen gibt es im Crinan Hotel einfache, sensationell frische Meeresfrüchte und Fischgerichte; Lonely Planet spricht vom »besten Fischrestaurant Schottlands« und hat in diesem Fall sogar recht, jedenfalls so weit wir das beurteilen können. »Wenn man solche Produkte hat«, sagt Nick, »muss man eigentlich nur nichts falsch machen.« Recht hat er. Unbedingt empfehlenswert.

    The Crinan Hotel, Crinan by Lochgilphead, Argyll PA31 8SR
    +44 1546/830 261, www.crinanhotel.com. Dinner Bed & Breakfast ca. 160 £ pro Person


One Devonshire Gardens – Townhouse in Glasgow

Glasgow war lange von der Schwerindustrie, vom Schiffbau und vom Hafen geprägt. Das hat, mit dem Niedergang der Industrie, zu entsprechenden Problemen geführt. In den letzten Jahren hat die Stadt aber sehr viel investiert, um die Lebensqualität zu erhöhen. Heute finden hier Messen, Kongresse und Sportveranstaltungen von Weltrang statt. Es lohnt sich durchaus, hier ein paar Tage zu verbringen. Die Einkaufsmöglichkeiten gelten als die besten in Großbritannien außerhalb Londons.
Das Hotel besteht aus einer Reihe von fünf viktorianischen Townhouses in Glasgows West End, wenige Minuten vom Botanischen Garten entfernt. Es ist das Vorzeigehaus der kleinen Kette Hotel du Vin, die fünfzehn Hotels in Großbritannien betreibt. Bei der Ankunft erhält der Gast ein Dram Whisky, der Service ist unaufdringlich und entspannt. Der Portier trägt Kilt.
Die fünf Häuser sind durch etwas verwinkelte Gänge miteinander verbunden, alles ist stilsicher und liebevoll restauriert. Weite holzvertäfelte Treppenhäuser mit bunten Bleiglasfenstern führen in die oberen Stockwerke. Es herrscht zurückhaltender, aristokratischer Luxus von überwältigender Britishness. Die siebenundzwanzig individuell eingerichteten Zimmer und Suiten sind nach Weingütern benannt, für die amerikanischen Gäste gibt es kleine Schilder an den Wasserhähnen, die darauf aufmerksam machen, dass da wo hot draufsteht, tatsächlich heißes Wasser rauskommt.
Es gibt einen Drawing Room, eine Art Wohnzimmer, das als Bar genutzt wird, mit bequemen Sofas und Blick auf den Vorgarten. Der Barkeeper ist Baske und kennt sich vorzüglich in der gewaltigen Sammlung von Single Malt Whiskys aus, die in einem Wandschrank im Nebenraum lagert.
Die Küche wird seit Januar von Barry Duff geleitet, der hier vorher sieben Jahre lang als Souschef gearbeitet hat. Es gibt schottische Küche mit einem starken französischen Einfluss, keine Sterneküche aber durchaus nicht ohne Finesse. Neben einer Velouté von frischen Erbsen und dem kleinen Porridge mit Mandeln und Erdbeeren, das als Pre-Dessert gereicht wurde, beeindruckte auch das Chateaubriand am Nebentisch. So etwas sieht man nicht mehr oft. Tatsächlich ist der Aufenthalt in One Devonshire Gardens ein wenig wie eine Reise in die gute alte Zeit, mit funktionierendem WLAN natürlich.
Nach dem ausgiebigen Dinner am Abend fällt das manchem schwer, aber trotzdem sollte man sich auf keinen Fall das Full Scottish Breakfast entgehen lassen. Spiegeleier, gegrillte Tomaten, Würstchen, Black Pudding und natürlich Haggis lassen keine Wünsche offen.

    One Devonshire Gardens
    Hotel du Vin & Bistro, One Devonshire Gardens, Glasgow G12 0UX, +44 84473 64256

Baden wie in Downton Abbey
Baden wie in Downton Abbey
Meine Meinung …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


Aus Effilee #30, Herbst 2014
«
»