Die Nudel

Etymologisch kann man das Wort Nudel auf zwei Arten erklären: Die verbreitete, weithin anerkannte sieht die Wurzeln im Knödel, was wiederum von nodulus, lat. Knoten kommt. Die viel schönere mögliche Herkunft ist aber ludel, ein altes sauggefäsz für säuglinge. Da steckt alles drin, was einem spontan zur Nudel einfällt: die lustvolle Gier, das Schlürfen und Schlotzen, und auch die tiefe innere Befriedigung, die einen erfüllt, wenn man mal wieder viel zu viel gegessen hat und pappsatt ist.

Marco Polo, so heißt es häufig, habe die Nudel aus China nach Europa gebracht. Das ist sicher falsch. Tatsächlich wurden Nudeln wohl etwa 200 Jahre vor Christi Geburt in China erfunden, doch für die Nudelherstellung in Sizilien gibt es schon Nachweise aus dem frühen 12. Jahrhundert, also 200 Jahre vor Marco Polos Geburt. Weitere 100 Jahre früher aß man in Paris bereits Würmchen, die vermutlich ebenfalls Nudeln waren.

Ein allgemeingültiges Nudelrezept gibt es trotzdem bis heute nicht, und das hat seine Gründe. Dabei ist das Grundprinzip recht simpel. Auf einer Packung mit Nudelgrieß steht: 500 g Hartweizengrieß mit 5 Eiern vermischen, gut durchkneten und ruhen lassen. Das klingt ganz einfach. Mal sehen, was ein Meisterkoch dazu sagt. Im Grand Livre de Cuisine, der kulinarischen Enzyklopädie von Alain Ducasse steht: »500 g Hartweizengrieß mit 5 Eiern vermischen, gut durchkneten und ruhen lassen.«

4 ganze Eier, 5 Eigelb, stolze 15 g Salz kommen bei Escoffier auf 500 g Mehl

Damit könnte man sich zufriedengeben, aber schon ein Blick in das nächste Kochbuch sorgt für Verwirrung: 4 ganze Eier, 5 Eigelb, stolze 15 g Salz kommen bei Escoffier auf 500 g Mehl. Das ist etwas ganz anderes! Oder doch nicht? Es lohnt sich wohl, genauer hinzusehen und herauszufinden, welche Zutat für welche Eigenschaften der Nudeln verantwortlich ist.

Zunächst die Hauptsache: Mehl, beziehungsweise Grieß. Sie liefern die Stärke, also den eigentlichen Nährwert. Die Stärke liegt im rohen Getreide in festen Körnchen vor, die unser Körper so nicht verwerten kann. Doch beim Kochen lösen sich die Körnchen auf, die Stärke geliert und kann verdaut werden. Mehl (aus Weizen) und Grieß (aus Hartweizen) unterscheiden sich vor allem im Eiweißgehalt.

Die Küchenmaschine hilft bei den ersten Schritten, später muss auf jeden Fall von Hand geknetet werden

In Italien wird Pasta traditionell aus Hartweizengrieß (Semolina) hergestellt. Der enthält wesentlich mehr Proteine als herkömmlicher Weizen, vor allem aber das sogenannte Klebereiweiß Gluten – und zwar so viel, dass Hartweizennudeln problemlos ohne die Zugabe von Ei hergestellt werden können. Hartweizen wird meist als Grieß verkauft, da seine Stärkekörnchen recht groß sind und bei feinerer Vermahlung zerstört werden, was dazu führen würde, dass die Stärke beim Kochen übermäßig ausgewaschen wird.

Normaler Weizen enthält weniger Proteine, die Klebkraft ist nicht ganz so stark. Die Stärkekörnchen sind kleiner, weshalb der Weizen so fein vermahlen werden kann, wie wir das kennen. Das Gluten des Weizens ist auch anders zusammengesetzt, und sorgt für mehr Elastizität als beim Hartweizen. Das ist aber nicht unbedingt erwünscht: Ist der Teig zu elastisch, lässt er sich schwer ausrollen.

In der EU gilt ein Ei, das mit Schale 53 g wiegt, ebenso als mittelgroß (M), wie eines, das 63 g wiegt, also fast 20 % größer ist.

Dass ein Ei dem anderen gleicht, behauptet das Sprichwort, richtig ist es deshalb noch lange nicht. In der EU gilt ein Ei, das mit Schale 53 g wiegt, ebenso als mittelgroß (M), wie eines, das 63 g wiegt, also fast 20 % größer ist. Moderne Köche gehen deshalb mehr und mehr dazu über, auch die Menge der Eier in Gramm anzugeben. Bei älteren Rezepten hilft aber in der Tat nur probieren. Ganz ordentliche Ergebnisse erzielt man in der Regel mit der Annahme, dass von 50 g pro Ei ausgegangen wurde, das entspricht einem mittelgroßen Ei ohne die Schale.

Neben der Bindewirkung trägt das Ei, vor allem das Dotter, auch zum Geschmack der Nudeln bei. Eiernudeln sind schwerer und bissfester als welche ohne Ei. Salz wird dem Teig nicht in erster Linie wegen des Geschmacks beigefügt, dafür reicht das Salz im Kochwasser. Es hat jedoch die Eigenschaft, viele Proteine zu verändern, und das Gluten verliert durch das Salz einen Teil seiner Spannkraft. Die ist bei einem Teig aus Weichweizenmehl höher, oft sogar zu hoch, um den Teig noch richtig ausrollen zu können. Durch die Zugabe von Salz kann das ausgeglichen werden.

Beim Öl scheiden sich die Geister. Um den Geschmack kann es nicht gehen, den erreicht man viel besser mit einigen Tropfen auf die frisch gekochte Pasta. Öl sorgt wohl lediglich dafür, dass der Teig leichter und geschmeidiger zu verarbeiten ist. Werden Nudelmaschinen verwendet, die den Teig durch Matrizen pressen, mag das sinnvoll sein, soll der Teig ausgerollt und geschnitten werden, ist er dann aber leicht mal zu weich.

Wichtig ist ausreichend kräftig gesalzenes Wasser. Die Faustregel lautet: Auf 100g Nudeln ein Liter Wasser und zehn Gramm Salz

Einigkeit besteht, wenn es um das Kochwasser geht. Reichlich soll es sein, gesalzen und sprudelnd kochen. Es gibt eine Faustregel: 1 Liter Wasser mit 10 g Salz für 100 g Nudeln. Das passt für Fertignudeln genauso wie für hausgemachte.

Ganz offensichtlich kann es also nicht ein Nudelrezept geben, sondern verschiedene Ansätze für unterschiedliche Anforderungen. Für einfache, robuste Nudeln wie Tagliolini (schmale Bandnudeln) oder Fettucine (breite Bandnudeln) wollen wir einen festen Teig haben, der ruhig noch ein wenig elastisch sein darf. Die Nudeln sollten etwas Biss haben. Hier bietet sich die Verwendung von Hartweizen mit Ei an, wie auf der Packung mit dem Grieß beschrieben.

Für etwas weichere, zartere Nudeln kann man ein oder mehrere Eier durch die entsprechende Menge Wasser ersetzen. Wenn wir einen feineren Teig haben wollen, für sehr dünne Nudelblätter zum Beispiel oder zu einer sehr feinen Sauce, sollte man aber zumindest einen Teil des Hartweizens durch Weizenmehl ersetzen. Dadurch wird der Teig allerdings möglicherweise etwas zu elastisch, was das Ausrollen erschwert. Dem wiederum wirkt die Zugabe von Salz entgegen. Das Experimentieren hat einen großen Vorteil: Man lernt wieder, dem Produkt, hier der Nudel, nachzuschmecken. Und wer das tut, erkennt: Es kommt auf die Nudel an, nicht auf die Sauce.

Grundrezepte für Nudeln

Für 4 Personen

Hartweizennudeln

  • 300 g Hartweizengrieß
  • 150 g Ei (3 mittelgroße Eier)

Weichweizennudeln

  • 250 g Mehl
  • 100 g Ei
  • 50 g Eigelb
  • 7,5 g Salz
  1. Teig vorbereiten: Die Zutaten miteinander vermischen. Es entsteht zunächst eine krümelige Masse. Mindestens 15 Minuten gründlich durchkneten, bis sie geschmeidig, aber immer noch fest ist. Zu einer Kugel formen, in Klarsichtfolie einschlagen und im Kühlschrank mindestens 1 Stunde ruhen lassen.
  2. Nudeln herstellen: Den Teig in 8 etwa gleichgroße Stücke teilen und flachdrücken. In der Nudelmaschine ausrollen. Dabei mit Stufe 1 beginnen und dann schrittweise enger stellen. Die Konsistenz des Teiges sollte so sein, dass kein Mehl zum Ausrollen erforderlich ist. Den Teig zwischendurch immer wieder ein wenig ruhen lassen. Für gefüllte Nudeln wie Ravioli und Tortellini ist der Teig jetzt zur Weiterverarbeitung bereit. Sollen Bandnudeln geschnitten werden, die Teigplatten mindestens 1/2 bis 1 Stunde trocknen lassen. Zwischendurch wenden.
  3. Nudeln kochen: 4 Liter Wasser mit 40 g Salz zum Kochen bringen. Nudeln hineingeben und 2–3 Minuten kochen. Abgießen und servieren.

Industriell hergestellte Nudeln

Fertignudeln werden heute weit überwiegend ausschließlich aus Wasser und Hartweizen hergestellt. Flache Sorten werden aus Teigplatten ausgestanzt, für die meisten anderen Varianten wird der Teig durch speziell geformte Matrizen gepresst. Dabei entsteht Wärme, welche die Stärke gewissermaßen »vorgart«. Traditionell bestehen diese Matrizen aus Bronze, heute sind aber viele mit Teflon beschichtet. Nudeln, die damit hergestellt werden, haben eine glatte Oberfl äche und bleiben etwas fester. Es heißt, dass Nudeln, die mit den herkömmlichen Bronzematrizen hergestellt werden, rauher sind und deshalb die Sauce besser aufnehmen können.

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Aus Effilee #20, Frühling 2012
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