Die Liste der besten Restaurants der Welt

Tim und Marie Raue sind gemeinsam gekommen. Das Restaurant Tim Raue betreiben sie trotz Trennung weiterhin zusammen, und so wollen […]

Marie und Tim Raue bei der Präsentation der 50Best in New York
Marie und Tim Raue bei der Präsentation der 50Best in New York

Tim und Marie Raue sind gemeinsam gekommen. Das Restaurant Tim Raue betreiben sie trotz Trennung weiterhin zusammen, und so wollen sie auch beide dabeisein, wenn die Liste der 50 besten Restaurants der Welt veröffentlicht wird. 2015 war Raue auf Platz 52 noch in der zweiten Hälfte gelandet, immerhin als Drittplatzierter unter den deutschen Köchen, nach Joachim Wissler (30) und Sven Elverfeld (33). In diesem Jahr kann er sich mehr ausrechnen, die Plätze 51 bis 100 wurden schon veröffentlicht, wer da nicht dabei war und trotzdem eine Einladung zur Präsentation in New York bekommen hat, darf einen Platz unter den ersten 50 erwarten.

Joachim Wissler ist ebenfalls da, genau wie Sven Elverfeld, der seinen 63. Platz gut gelaunt und mit Humor nimmt. Für die Schwarzwaldstube, die auf Platz 88 neu in der Liste auftaucht, kamen Souschef Torsten Michel und Sebastian Finkbeiner. Es gibt Häppchen.


2002 saßen einige Redakteure des englischen Fachmagazins Restaurant (das mit der AHGZ wesentlich mehr gemeinsam hat, als mit der Effilee) in einem Pub und unterhielten sich über Restaurantführer. Irgendwie fühlten sie sich – bei allem Respekt – nicht angesprochen. Für die meisten der höchstdekorierten Restaurants müsse man schon reich sein, alt oder wenigstens Franzose. Da alles drei auf sie nicht zutraf, hatten sie die Idee, selber einen Führer herauszugeben. Als Scherz gewissermaßen. Sie fragten Freunde und Bekannte nach ihren Favoriten und stellten aus den Antworten eine Liste zusammen. Auf Platz 1 landete ElBulli, auf den anderen Plätzen aber auch völlig unbekannte (und heute auch schon wieder vergessene) Restaurants. Die Liste nannten sie bescheiden die Liste der 50 besten Restaurants der Welt.

Sie hatten dann noch die glorreiche Eingebung, dass so eine Liste ja ein guter Vorwand für eine Party sein könnte, schickten Einladungen an die ausgezeichneten Köche, und stellten zu ihrer Überraschung fest, dass viele zusagten. Und weil die Köche kamen, fing man allerorts an, die Liste ernst zu nehmen.

Das war die Geburt der vielleicht umstrittensten Institution der modernen Gourmandise. Auf einmal gab es das beste Restaurant der Welt, was für jeden, der sich halbwegs ernsthaft mit der Materie beschäftigt ein Ding der Unmöglichkeit ist. Aber die Presse, vor allem jene, die nicht vom Fach ist, nahm den Ball gern auf und die Restaurants auf den ersten Plätzen durften sich über eine Nachfrage freuen, die jede Vorstellungskraft sprengt. Über 50.000 Reservierungsanfragen verzeichnete das Noma in der Woche, nachdem es zum ersten Mal auf Platz 1 gelandet war. Theoretisch genug, um das Restaurant für mehrere Jahre im Voraus auszubuchen.

Heute sind es nicht mehr nur Bekannte der Redaktion, die über die Platzierung der Restaurants abstimmen. Insgesamt ca. 1000 Stimmberechtigte, die von den Chairmen in den jeweiligen Regionen ausgewählt werden, wählen je sieben Restaurants, von denen drei aus der Region stammen müssen. Sie dürfen keine wirtschaftlichen Verflechtungen mit den gewählten Häusern haben und müssen im Zeitraum von 18 Monaten davor dort gegessen haben. Die Auszählung der Stimmen wird mittlerweile von der Wirtschaftsprüferkanzlei Deloitte kontrolliert, weil immer wieder Zweifel an der Korrektheit der Ergebnisse aufkamen.

Die Stimmberechtigten sollen anonym bleiben, es ist aber davon auszugehen, dass gut organisierte PR-Agenturen in der Lage sind, die Namen einer relevanten Anzahl von Votern herauszufinden, und dafür zu sorgen, dass sie in bestimmte Restaurants zum Essen kommen. Anders ist kaum zu erklären, dass in Restaurants, in denen das fast unmöglich ist, ausgerechnet diese Leute es schaffen, immer wieder eine Reservierung zu bekommen. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.


Gedränge zwischen Sponsorenständen
Gedränge zwischen Sponsorenständen

Im Ciprianis, einer riesigen Veranstaltungshalle an der Wall Street mit einer gewaltigen Kuppeldecke, drängt sich die Kochprominenz zwischen den Ständen der Sponsoren. Schaumwein von Ferrari, Bier von Estrella, Wasser von S.Pellegrino. Wer Netflix zuhause hat, kennt viele der Gesichter: Magnus Nilsson vom Fäviken, Dan Barber, die Rocas und natürlich Massimo Bottura. Die Chefs schreiten über den roten Teppich, posieren, geben Küßchen. Die Stunde des Glamour für einen der härtesten Berufe der Welt. Neben der Frage, wer auf Platz 1 landet, interessieren wir uns natürlich dafür, wo die deutschen Köche landen. Wie weit klettert Raue? Kann Wissler seine Platzierung vom letzten Jahr halten? Mit der typischen Mischung aus hungrig und angetütert, die sich immer einstellt, wo es Drinks und Häppchen gibt, gehen wir in den Saal. Anders als im Vorjahr in London, wo viele Pressevertreter in einen Nebenraum mit Leinwand abgeschoben werden mußten, bleiben hier im hinteren Bereich viele Plätze leer. Präsenter ist Mark Durden-Smith, der vor einigen Jahren mal das englische Pendant zu “Ich bin ein Star, holt mich hier raus!” moderiert hatte. Er zieht die Sache energisch durch, lässt sich mit launigen Bemerkungen nicht lumpen, über Haarpracht (Magnus Nilsson, #41) und Bärte (Quique Dacosta, #49). Auf Platz 35 dann Joachim Wissler vom Vendôme, direkt davor auf 34 landet Tim Raue, der Wissler damit als Bestplatzierter ablöst. Wenig später wissen wir auch: das “Beste Restaurant der Welt” ist in diesem Jahr die Osteria Francescana von Massimo Bottura.

Magnus Nilsson im Gespräch mit Sternefresser Christian Stromann
Magnus Nilsson im Gespräch mit Sternefresser Christian Stromann

Aufgrund des Abstimmungsmodus ist es nicht verwunderlich, dass die Liste sehr volatil ist. Sprünge von 30 und mehr Plätzen von einem Jahr zum anderen sind keine Seltenheit. Auch das trägt zur Kritik bei, ist aber vielleicht ja auch nur ein Zeichen für eine lebendige Szene. Genau genommen finden sich in der Liste immer die Restaurants, über die gerade am meisten gesprochen wird, das sind vielleicht wirklich nicht die besten, aber durchaus, wenn man zurückblickt, diejenigen, die die Entwicklung gerade am meisten beeinflusst haben: ElBulli, das den Auftakt zur Molekularküche gab, die mittlerweile den Weg bis hin in die Landgasthäuser gefunden hat, Noma, das den Trend zur Regionalität lostrat. Das ist durchaus ein Verdienst. Ein weiteres Verdienst ist, dass die Präsentation der Liste immer noch Anlaß für eine richtig große Party ist, wo Alain Ducasse Bier aus der Flasche trinkt und mit Massimo Bottura knutscht. Man muss es halt nehmen, als das was es ist, ein Scherz, der in gewisser Weise aus dem Ruder gelaufen ist.


Tim Raue (r) und Vijay Sapre auf der Präsentation der 50Best Restaurants 2016
Tim Raue (r) und Vijay Sapre auf der Präsentation der 50Best Restaurants 2016

Ob ich ihn jetzt den besten deutschen Koch nennen dürfe, frage ich Tim Raue. “Wehe”, sagt er, “das bin ich nicht. Ich weiß mich da schon einzuschätzen. Aber für das Restaurant Tim Raue ist es ein grandioser Erfolg. ”

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