Der Wiener gemischte Satz: Alle für einen, einer für alle

Ursprünglich ging es darum, das Risiko von schlechten Ernten zu minimieren, als man verschiedene Rebsorten in einem Weingarten anbaute, heute entstehen so einige der besten und spannendsten Weine Österreichs.

Text & Foto: Vijay Sapre

1. Fritz Wieninger 2. Gerhard Lobner (Mayer am Pfarrplatz) 3. Michael Edlmoser 4. Rainer Christ
1. Fritz Wieninger 2. Gerhard Lobner (Mayer am Pfarrplatz) 3. Michael Edlmoser 4. Rainer Christ

Der Ursprung allen Weins ist der Heurige, jedenfalls in Österreich. Heurig bedeutet auf Hochdeutsch von diesem Jahr, und Der Heurige bezeichnet gleichermaßen den jeweils aktuellen Jungwein, der auch vom eigenen Weingarten stammen muss, und die Wirtschaft, in der er ausgeschenkt wird. Da dem Österreicher aber das Direkte und Eindeutige fremd ist, wirft er kurzerhand eine zweite Theorie bezüglich der Herkunft des Begriffs auf den Markt, nämlich jene, dass er nicht von diesjährig, sondern von Hauer kommt, von Weinhauer, wie der Beruf des Winzers dort auch heißt.
Wie dem auch sei. Einen großen Teil des Weins, der in Wien angebaut wird, trinken die Wiener auch heute noch im Heurigen und alle Wiener Winzer, auch jene, die sich mit Leidenschaft der Herstellung qualitativ hochwertiger, lagerfähiger Weine verschrieben haben, wissen um die Herkunft von diesen einfachen, leicht trinkbaren Weinen.
Um auch in schwierigen Jahren eine möglichst gleichbleibende Qualität und Menge zu gewährleisten, entwickelte sich die Tradition, verschiedene Rebsorten im Gemischten Satz auszubauen. Verschiedene Rebsorten schmecken nicht nur unterschiedlich, sie werden auch zu unterschiedlichen Zeiten reif und reagieren unterschiedlich auf die Wetterbedingungen. Erntet man sie gemeinsam, hat man immer eine Mischung aus grünen, optimal reifen und überreifen Trauben. Diese gemeinsam geernteten Trauben werden anschließend auch gemeinsam ausgebaut, was einen gemischten Satz wesentlich von einer Cuvée unterscheidet.
Als in den Achtziger- und Neunzigerjahren eine junge Generation von Winzern, allen voran Fritz Wieninger, anfing, sich in den Qualitätsweinbau zu stürzen, konzentrierte sie sich – wie überall auf der Welt – auf die reinsortigen Weine. Wenn ein Kollege mal einen Most probierte, den er nicht so gelungen fand, pflegte er zu sagen: »Da kannst eh einen Gemischten Satz draus machen«, was eine freundliche Umschreibung dafür war, dass er nichts taugte.
Irgendwann kam man aber dahinter, dass Weine zu machen wie alle anderen, eine Sache ist, Weine zu machen, die vor Ort eine große Tradition haben und die kaum einer anderswo machen kann, aber eine ganz andere. Damit begann die Renaissance des Wiener Gemischten Satzes. Denn die Vielfalt der Rebsorten – erlaubt sind knapp zwanzig verschiedene – sorgt unter den Händen eines versierten Winzers für eine außergewöhnliche Komplexität und Tiefe.
Fritz Wieninger, der genau versteht, dass Qualität auch einen Namen haben muss, schloss sich alsbald mit Gleichgesinnten zusammen und gründete mit Michael Edlmoser, Rainer Christ, und Richard Zahel die Winzervereinigung WienWein. Später kamen die Weingüter Cobenzl und Mayer am Pfarrplatz hinzu, während Richard Zahel wieder austrat.
Die Vereinigung kümmert sich nicht nur um die Vermarktung, sondern setzt sich vor allem eigene Qualitätsstandards, die auch schnell Eingang in die österreichische Weingesetzgebung gefunden haben. Heute darf die Bezeichnung Gemischter Satz ausschließlich in Österreich verwendet werden und für Wien gibt es die eigene kontrollierte Herkunftsbezeichnung Wiener Gemischter Satz. Der ist immer ein Weißwein, muss aus mindestens drei und darf maximal aus zehn verschiedenen Rebsorten bestehen, der größte Sortenanteil darf nicht mehr als fünfzig Prozent, der kleinste muss mindestens zehn Prozent betragen, so dass die typischen Merkmale jeder beteiligten Rebsorte auch zu schmecken sind. Neben dem einfachen gibt es auch den Gemischten Satz mit Lagenbezeichnung.
Wiewohl alle Mitglieder von WienWein auch reinsortige Weine produzieren, Wieninger zum Beispiel einen der besten Pinot Noirs des Landes, Michael Edlmoser seinen völlig abgefahrenen Syrah La Paz, ist der Wiener Gemischte Satz heute das Aushängeschild des Wiener Weinbaus. Slow Food hat ihn in seine Arche des Geschmacks aufgenommen, von 2007 bis 2011 konnte der Export nahezu vervierfacht werden.
Wegen der theoretisch unendlichen Kombinationsmöglichkeiten schmeckt kein Wiener Gemischter Satz wie der andere, da sie aber alle in einem Punkt ihre Herkunft vom Heurigen nicht verleugnen können, nämlich in dem, dass sie gut reinlaufen, sollte man ruhig mal ein paar probieren.
WienWein
Stammersdorfer Straße 31
1210 Wien, Österreich
www.wienwein.at

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Aus Effilee #26, Herbst 2013
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