Das Kännchenwunder

Wenn Kaffeekannen reden könnten, dieses Schmuckstück hätte einiges zu erzählen. Ihre Mutter war eine Waschmaschine, eine Schwester von ihr muss sich im Museum of Modern Art anstarren lassen, und obwohl sie Moka heißt, bereitet die halbe Welt ihren Espresso mit ihr zu. Unser Autor hat noch ein paar andere, dunkle Geheimnisse gelüftet

Text: Stuart Freedman, Illustration: Effilee

Das Morgenritual. Ich höre die Flamme schnurren und ein feuchtes, heißes Stottern. Ich stelle das Gas ab und gieße brühend heißen schwarzen Teer in eine grazile weiße Tasse. Die Küche füllt sich mit Wärme wie vom Rösten: nussig und reichhaltig. Die Kanne sitzt heiß, keuchend vor Anstrengung, auf einem Untersetzer. Ein kantiger, metallener Zauberer, befleckt mit den Spuren unzähliger Morgen. Sie wird unbeachtet bis zum nächsten Frühstück so stehen bleiben.
Dieses Stück, aufgeführt in den Küchen von Millionen Haushalten rund um die Welt ist für viele das Schlüsselerlebnis nach dem Aufwachen. Die Bialetti Kaffeekanne ist als Gegenstand so vertraut, so nützlich und so allgegenwärtig, dass sie, wie so viele schön designte Gegenstände einfach da ist. Wir nehmen sie kaum noch wahr.
Dieser Kaffeemoment wurde gleichbedeutend mit Stil und Glamour und ist unverkennbar durch und durch italienisch. Möglich wurde er, wie es bei allen großen Erfindungen ist, durch reines Glück und puren Zufall.
Nach Heinrich Eduard Jacobs wegweisender Betrachtung Sage und Siegeszug des Kaffees: die Biographie eines weltwirtschaftlichen Stoffes (1935) wurde Kaffee in seinen Anfängen gemeinsam und außerhalb der eigenen vier Wände konsumiert. Es war ein öffentliches Ritual, und zwar ein eindeutig männliches. So wie das Rauchen während des 19. Jahrhunderts die Geschlechter trennte, war auch das Kaffeehaus kein Ort für Frauen. Es galt als Hort des Rausches, des Glücksspiels, des Lasters und des Aufruhrs. 1674 hieß es in der Women’s Petition Against Coffee: »Der Kaffee macht die Männer so unfruchtbar wie die Wüste aus der diese unglückselige Beere stammt.«

Im folgenden Jahr versuchte der englische König Karl II. vergeblich, die Kaffeehäuser sowie den Verkauf von Kaffee, Schokolade, Limonade und Tee zu verbieten. Das Getränk erwies sich – wie auch die intellektuellen Auseinandersetzungen, die es provozierte – als nicht aufzuhalten. Um das Jahr 1800 hatten sich, eng verbunden mit Handel, Kultur und Politik, Tausende von Kaffeehäusern über Europa verbreitet. Kaffee war längst als anregendes und die Kreativität förderndes Hilfsmittel anerkannt, und als 1820 schließlich das Koffein isoliert wurde, schrieb Balzac dass mit Kaffee »die Ideen anrücken, wie die Bataillone einer großen Armee«.
Die Idee von Geschwindigkeit, Moderne und Fortschritt manifestierte sich in der Person von Filippo Tommaso Marinetti, dem italienischen Autor des Futuristischen Manifests. Laut Jeffrey Schnapps Romance of Caffeine and Aluminum, sah Marinetti sich als das »Koffein Europas …, einen Befreier Europas von seiner Vergötterung der Vergangenheit …, als der neue Mensch des Industriezeitalters«. Die Kraft des Kaffees war für Marinetti eine Metapher für einen Treibstoff der faschistischen Zukunft, die er sich für Europa vorstellte: einzig erbaut auf neuer Technologie und Maschinen.
Speziell für Italien sollte sich diese Vorstellung von Kaffeekultur als bedeutend erweisen. Als Luigi Bezerra im Jahr 1902 ein Gerät zum Patent anmeldete, das Dampfdruck verwendete, um schnell starken Kaffee zuzubereiten, taufte die Firma Pavoni die kräftige, schwarze Brühe, die dabei herauskam, auf den Namen caffè espresso. Die Kaffee-Bar wurde zu einem Ort der glänzenden Tresen und Dampfkessel, die aussahen wie Lokomotiven mit ihrem Lokführer, dem Barista, der ein starkes, aggressives Gebräu servierte.

Im Gegensatz dazu waren häusliche Kaffeemaschinen des späten 19. Jahrhunderts schwer, langsam und deutlich unglamouröser. Immerhin, so schreibt Edward Bramah in 300 Jahre Kaffeezubereitung. Kunst & Technik, hatte man in Italien die Wahl zwischen zwei sperrigen Gerätschaften: der Napoletana, einer Kanne, die auf dem Herd erhitzt wurde und die man auf den Kopf stellen musste, wenn das Wasser kochte, oder der Milanese, in der kochendes Wasser durch gemahlenen Kaffee sickerte, der sich in einem Sieb am oberen Ende befand.
Im Jahr 1918 kehrte der Handwerker Alfonso Bialetti zurück ins Piemont und mit ihm das Know-how, das er während eines Jahrzehnts in der französischen Aluminiumindustrie erworben hatte. Die Gegend hatte einen guten Ruf in Sachen Kleingeräteentwicklung, hauptsächlich Küchengeräte und -utensilien. Bialetti war, hieß es in einem Interview, das sein Enkel, der Designer Alberto Alessi, dem Magazin Designo gab, »ein Träumer, einer dieser genialen Tüftler, von denen es in der italienischen Geschichte nicht wenige gab«. Es geht die Sage, er sei besessen gewesen von einem altmodischen Gerät namens Lisciveuse, einem großen Kessel, in dem die Frauen des Ortes ihre Wäsche wuschen. Wenn das Wasser kochte, stieg es in einem Rohr nach oben und ergoss sich, zusammen mit Lauge, dem Waschmittel jener Zeit, über die Wäsche.
Dieses Prinzip machte er sich für die Napoletana zunutze. Bialettis Kaffeemaschine, die schließlich Moka getauft wurde, presste auf dem Herd erhitztes Wasser aus einer unten liegenden Kammer durch ein Blech mit gemahlenem Kaffee, das sich in dem darüberliegenden Behälter wieder sammelte. Das Patent (das erst 1951 beantragt wurde) betont ausdrücklich, dass man nun ohne irgendwelche besonderen Fähigkeiten seinen eigenen Kaffee zu Hause zubereiten könne. Anfänglich war der untere Behälter bauchig und nicht konisch, und der obere Behälter hatte hölzerne Griffe. Wieder laut seines Enkels, »erzählte Ada, Alfonsos Frau, er sei abends regelmäßig in seinem Lehnstuhl eingeschlafen, mit einem Prototyp seiner Kaffeemaschine in der einen und einer toskanischen Zigarre in der anderen Hand. Sie musste ihm die Zigarre häufig wegnehmen, um einen Brand zu verhindern.«

Zur Zeit des Faschismus war Kaffee höchst populär in Italien. Die Bohnen kamen aus Äthiopien, das man erobert hatte, und aus Brasilien, das trotz zunehmender internationaler Sanktionen bereit war, mit Mussolini Handel zu treiben. Das wichtigste Element in Bialettis Erfolgsgeschichte war aber wohl die Wahl des Rohstoffs. Im Jahr 1932 bemerkte Mussolinis Bruder Arnaldo:
»So wie das 19. Jahrhundert das Jahrhundert der Schwermetalle und der Kohle, so sollte das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der leichten Metalle, der Elektrizität und des Petroleums werden … Und wenn wir Italiener kein Eisen haben, dann haben wir eben Aluminium.«
Das glatt-glänzende Art-déco-Styling der Moka war eine perfekte Verbindung von Form und Funktion. Der Wunsch, Aluminium als Supermaterial zu promoten, das der Korrosion widerstand, aber stark und flexibel genug war, um in Flugzeugen verbaut zu werden, sollte schließlich dazu führen, dass es nicht nur Italiens Staatsmetall wurde, sondern auch sein militärisches Metall. Allerdings war im Land hergestelltes Aluminium verhältnismäßig teuer. Dies und die Tatsache, dass Bialetti ein kleiner Produzent war, beschränkten seinen Output zwischen 1934 und 1939 auf läppische 70 000 Geräte. Der bevorstehende Krieg und die Rationierung sorgten dafür, dass Bialetti, der seine handgefertigten Kannen weiterhin auf lokalen Märkten anbot, die Produktion einstellen musste.
Er war eben kein ehrgeiziger industrieller Unternehmer, aber das sollte sich ändern, als sein Sohn Renato nach einigen Jahren in einem Kriegsgefangenenlager in Deutschland ins Familiengeschäft zurückkehrte. Renato verkleinerte erst die Produktpalette bis nur Moka (in verschiedenen Größen) übrig war, erhöhte die Produktion auf 1000 Stück pro Tag und investierte im Laufe des Nachkriegsbooms kräftig in Werbung. Er stärkte die Markenidentität mit einem Maskottchen aus der Hand des Künstlers Paul Campani, das seit 1953 jede Moka-Espressokanne schmückt. Der l’omino coi baffi, der kleine Mann mit dem Schnurrbart, könnte eine Karikatur von Bialetti senior sein, ginge allerdings auch als italienischer Jedermann durch. Mit seiner Hilfe und mit dem Slogan in casa un espresso come al bar (zu Hause einen Espresso wie im Café), für den Bialetti fortan Fernsehwerbezeit kaufte, beamte er die kleine Kanne in jeden italienischen Haushalt.

Mitte der 50er-Jahre, als die Aluminiumpreise bedingt durch ein weltweites Überangebot stark fielen, baute die Firma Bialetti eine hochmoderne Fabrik in Omegna und die Profite schnellten in die Höhe. Die Herstellung folgte rationellen Überlegungen und nahm moderne Produktionsmethoden voraus: Lastwagen luden große Aluminiumblöcke im Obergeschoss ab, weiter unten wurden sie gegossen, weiterverarbeitet und sortiert, bevor die Espressomaschinen im Erdgeschoss fertiggestellt wurden.
»Das Design war immer italienisch – es ist Teil unseres Lebens.« Elisabetta Ainardis Stimme klingt neutral und sachlich. Als Chefin von Bialettis Forschungs- und Entwicklungsabteilung ist sie es gewohnt, sich klar und präzise auszudrücken. Ursprünglich aus Bergamo arbeitete sie in der Kerntechnik, bevor sie vor etwas über einem Jahr zur Firma stieß, »… weil, wenn Sie über Bialetti reden, reden Sie über Italien.« Geheimnisvoll gesteht sie ein: »Man kann nicht garantieren, dass das Design in Zukunft unverändert bleibt, aber … es funktioniert, so wie es ist … und über 90 Prozent der Italiener besitzen mindestens eine davon.« Ainardi ist ebenso Nutzer wie Designer, und die Moka ist für sie »der erste Handgriff am Morgen.« Für sie bedeutet die Moka »Schlichtheit … die wichtigsten Veränderungen aus technischer Sicht die es bisher gegeben hat, sind die Reduktion der Austrittspunkte des Kaffees von den ursprünglich vier Öffnungen auf zwei und das Hinzufügen eines Sicherheitsventils.«
Terence Conran, der Mann, der Pionierarbeit in Sachen Verkauf von Design ans konservative britische Publikum leistete, war früh mit von der Partie. Er begann mit dem Import der Moka zu einer Zeit, als die britische Mittelklasse endlich etwas Licht im Nachkriegstrübsinn sah, und durch die Schriften von Elisabeth David die ländliche Küche entdeckte. Noch herrschte die Rationierung, und Olivenöl wurde als Medizin in der Apotheke verkauft. Das Moka-Kännchen war stylish und einfach, mit einem Hauch von Fellinis bittersüßem La Dolce Vita. »Alles, was ich je in meinem Leben wollte«, so Conran, »sind ehrliche, einfache und bezahlbare Produkte.«

Ihr Exporterfolg auf dem angelsächsischen Markt dürfte auf den italienischen Glamour zurückzuführen sein; der Rest Europas fühlt sich von ihrer Funktionalität angezogen. Die Moka ist nach wie vor einer der bestverkauften Artikel der Firma. Für Sheridan Coakley, den Vertriebsmann hinter dem quälend hippen Möbelhersteller SCP, der Showrooms in Shoreditch und Notting Hill unterhält, ist die Moka »so einfach wie nur möglich … die Form folgt der Funktion … man findet sie kaum in Secondhandshops, da die Leute sie nicht wegwerfen – ungeachtet der Tatsache, dass sie billig sind. Der Preis stimmt, und wenn jemand etwas richtig Gutes entwirft, ist die Verführung groß, es zu überteuern, aber Bialetti hat es nicht getan«.
In Zeiten von Design Statements und Promidesignern kommt Bialettis Produkt immer noch so charmant daher wie damals, als es noch in kleiner Stückzahl handgefertigt wurde. Vielleicht ist es allein die Größe, die die Moka so anziehend macht. Paolo Antonelli, Kurator der Abteilung Architektur und Design am Museum of Modern Art (MoMA) in New York, wo permanent ein Exemplar ausgestellt ist, nennt es ein »demütiges Meisterwerk«.
Für Dejan Sujic, Direktor des Londoner Designmuseums (das derzeit im Rahmen einer Terence-Conran-Austellung ein Exemplar ausstellt), verströmt die Kanne eine »augenscheinliche Unschuld.« Er wagt den Vergleich mit dem dynastischen Konkurrenten Alessi, »der enorm erfolgreich damit war, designte kleine Kunstwerke herzustellen.« Aus seiner Sicht ist Bialettis grundlegende Funktionalität der Schlüssel. »Je länger man sich dieses Objekt ansieht, desto klarer wird einem, dass es die Aura eines bestimmten Moments der italienischen Geschichte verströmt. Aber dann hebt man den Deckel und sieht diesen außergewöhnlichen Vorgang in seinem Innern, wenn der Kaffee aus dem Rohr in der Mitte strömt – es ist fast ein bisschen wie bei einer Kläranlage, wenn das Wasser aufwärtssprudelt, weil die Tanks gereinigt werden. Daran muss ich irgendwie denken …«

Die Welt ist ein garstiger Ort für eine kleine Kanne, und die Bialettis sind nicht immun gegen die wirtschaftlichen Nöte Italiens. Mit Blick auf die schlechten wirtschaftlichen Prognosen verlagerten sie einen Teil ihrer Aluminiumgießereien nach Rumänien. Trotz alledem hat ein Firmensprecher sich kürzlich bemüht zu betonen: »… das ist ein italienisches Produkt, ›Made in Italy‹.«
Im Dezember sind die Straßen von Hackney mit Laub und Müll übersät. An einer düsteren Industriestraße, dicht an einem öligen Kanal, verströmt eine Tür, an der nur eine Nummer steht, zarten Kaffeeduft. Als sie aufgeht, begrüßt mich ein großer, feingliedriger Mann mit einem einladenden Grinsen. James Hoffman sieht viel jünger aus als 31 und strahlt eine aufgeräumte Gesundheit aus, die nur von einer kleinen Spur getrockneten Kaffees auf seiner Oberlippe gestört wird. Ich bin bei Square Mile Coffee Roasters, dem Kind von Hoffman und seiner Partnerin Anette. Hoffman landete durch Zufall im geschlossenen Universum des Kaffees, nachdem er eine Zeit lang im Kaufhaus Kaffeemaschinen vorgeführt hatte. »Ich entdeckte, dass Kaffee wirklich interessant ist. Die Leute wissen einfach nicht, wie vielseitig und global Kaffee ist. Ich lief zur Hochform auf und es wurde eine Obsession.« 2007 wurde er Barista-Weltmeister, den englischen Titel hatte er vorher schon mehrfach gewonnen. Hoffman weiß, wie man eine Tasse Kaffee zubereitet.
»Tja, die Bialetti Moka ist ein komisches Ding … eine spaßige, kleine Maschine – auf der einen Seite ziemlich clever, auf der anderen voller Mängel.« Wir gehen über den Flur in einen Raum von vielleicht zehn Quadratmetern. Es ist wirklich keine sehr mondäne Gegend, aber verglichen mit der Umgebung ist das hier schon ein enormer Kontrast. Die Wände sind dank Sandstrahlbehandlung wieder aus rotem Backstein, ihre bekannteste Röstung heißt deshalb Red Brick, und der Betonboden ist lackiert. Die Mieten sind niedrig, Hoffman und Anette arbeiten mit den ganz großen Experten der Kaffeewelt für eine neue Generation, die nicht mehr an der heißen, milchschwangeren, übersüßten Mutterbrust von seelenlosen Ketten wie Starbucks saugen möchte.

Es gibt einen Trainingsraum für die Baristas kleiner Cafés. Im nächsten Raum steht ein klassischer PROBAT-Röster und röstet die tagesfrischen Bohnen für Restaurants und das Mail-Order-Geschäft. Es gibt ein Aufgebot von polierten Espressomaschinen, Waagen, Mühlen, Filtern und Hähnen. Es sieht teuer aus, seriös und irgendwie einschüchternd, wenn eine einfache Arbeit in ihre Einzelteile zerlegt wird. Aber darum geht es. »Es wird viel mehr guter Kaffee gekauft als guter Kaffee serviert – die Leute kaufen guten Kaffee und ruinieren ihn«, sagt Hoffman. »Die meisten Leute glauben, die Moka sei eine Espressomaschine. Ist sie nicht. Diese Maschinen [deutet auf blinkenden Chrom] haben eine Pumpe …« Hoffman dreht an einem Knopf und ein wüster Dampfstrahl faucht mich an wie ein Wachhund. »Diese hier hat neun Bar, also neun Atmosphären Überdruck. Über der Kaffeefläche liegt also eine Kraft von einer viertel Tonne.
Das heißt, wir können den Kaffee wirklich fein mahlen und richtig, richtig schnell brühen. Das ist schließlich seine Bestimmung. Espresso ist schnell. Es ist eine tolle Art, Kaffee zu servieren, vielleicht nicht die beste Art, aber eine schnelle.«
Er erklärt, dass man mit der Moka ungefähr ein Bar Druck erzeugen kann. »Wenn wie Espresso gemahlener Kaffee verwendet wird, kommt das Wasser nur schwerlich durch und macht ihn lange Zeit einfach nur nass. Es entzieht ihm Geschmack.
Außerdem wird es allmählich sehr heiß … es entsteht ein bitterer Geschmack, den manche Leute, fälschlicherweise, mit Espresso verbinden, und ehrlich gesagt ist das der Geschmack, den viele Menschen mit dem Gebräu verbinden … ich möchte bitteren Geschmack um jeden Preis vermeiden.«
Hoffman, der sich als irgendwas zwischen Koch und Sommelier sieht, fasst das Grundproblem zusammen, wenn es darum geht, eine anständige Tasse Kaffee zu brauen. »Das Ziel ist, mit dem heißen Wasser unter Druck genau die richtige Menge an Stoffen aus dem Kaffee zu extrahieren. Extrahiert man zu viel, erhält man einen unschönen, verbrannten Geschmack. Extrahiert man zu wenig, entstehen saure und strenge Aromen. Um die Sache noch etwas komplizierter zu machen, darf der Kaffee nicht zu fein gemahlen sein, sonst wird er zu extrahierbar und man kriegt die Balance nicht hin. Auch das falsche Wasser, zum Beispiel besonders hartes, kann den Geschmack stark verändern. Kritisch bei der Moka: Während das Wasser durch den Kaffee dringt, wird sie immer heißer. Es gibt keinen Mechanismus, um den letzten Teil des Brühvorgangs zu regulieren und das Bitterwerden durch Überextraktion zu verhindern. Man muss probieren und experimentieren. Offensichtlich kommt mancher Kaffee besser mit den Marotten der kleinen Kanne zurecht. Mit Kaffee, der leichter zu extrahieren ist, hat sie scheinbar weniger Probleme … am Ende haben wir uns für eine dunkle Röstung aus 60 Prozent El Majahual aus El Salvador und 40 Prozent Capetillo Y Anexos aus Guatemala entschieden.«

Hoffman mahlt den Kaffee mit der Kunstfertigkeit eines Barista – sicher und schnell. Als er das Wasser für das Pulver abmisst, erinnert er mich an einen Wissenschaftler. Er nimmt, was ungewöhnlich ist, heißes Wasser. Wenn man mit kaltem beginnt, meint er, wird alles zu schnell zu heiß. Als ich ihm bei der Inspektion der Dichtung zusehe, erfahre ich, dass der Teufel im Detail steckt: »Wenn die Gummidichtung nicht hundertprozentig sauber ist, entweicht Dampf und es baut sich kein ordentlicher Druck auf … einige Leute meinen, das Aluminium würde einen bestimmten Geschmack an den Kaffee abgeben, wenn er anfängt, sich im Innern der Kanne abzusetzen. Dieser Geschmack hat nichts mit Aluminium zu tun, er kommt von altem, ranzigem Kaffee. Ich möchte keinen Tropfen davon. Das ganze ›Du musst eine Patina haben‹-Gerede … Nein, alles was ich schmecke, ist alter Kaffee …«
Ich denke an die Gummidichtung in meiner Kanne, schwarz und verschlissen. Ich beschließe, einfach zu nicken.
Zum Schrecken aller, die sich Gedanken um Gesundheit und Sicherheit machen, beobachten wir die Kanne mit offenem Deckel auf einem Hightech-Herd. Gebeugt wie alte Männer in Erwartung der göttlichen Eingabe. »Worauf ich warte«, sagt Hoffman gespannt, »ist das Auftauchen der Blasen, dann kommt Dampf durch, und dann ist es Zeit, den Vorgang abzubrechen, sonst bekommen wir ein sehr bitteres Gebräu.« Sofort holt er die Kanne aus der Hitze und rührt um. Ich merke dümmlicherweise an, dass es nur eine Pfütze sei. »Genau, wenn ich viel Flüssigkeit möchte, ist das die falsche Methode. Dafür bräuchte man eine Kaffeekanne … das hier ist ein starkes Gebräu – aus technischer Sicht nicht so stark wie Espresso, aber immer noch stark.« Es ist kein Espresso und darüber bin ich froh, es hat auch nichts mit den irgendwie schlammigen Aromen zu tun, an die ich mich morgens gewöhnt habe. Wir tun ein klein wenig heißes Wasser in die Tasse und schon schmecke ich mehr – als würde ein guter Whisky verdünnt. »Ich versuche ständig, ihn zu verbessern«, sagt James. »Viele Kunden haben mich gefragt, wie man das Beste aus der Moka herausholen kann … aber ich bin kein Traditionalist und das ist nicht mein Ding – trotzdem habe ich Spaß dran …«
MOKA
www.bialetti.com

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1 Kommentar

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  1. Es ist schon erstaunlich was Industrielle Dampfkessel alles hervorbringen und wie wichtig sie sind. Sogar für köstlichen Kaffee sind sie unerlässlich. Seit der industriellen Revolution in England bis ins heute Zeitalter sind diese Maschinen unerlässlich, auch wenn man sie heute eher in industriellen Großanlagen einsetzt.

Aus Effilee #20, Frühling 2012
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