Das Frissdichdummbrot

Handwerk aufs Wesentliche reduziert: Roggen und Sauerteig sind die Geschmacksgeber bei diesem einfachen Hefeweißbrot

Häufig sind Brotrezepte nicht ganz frei von Missionierungsgedanken oder tradierten Glaubenssätzen verhaftet. Für Bäcker kommen die Brotaromen vor allem aus den Zutaten und den Röststoffen während des Backprozesses, Hobbybäcker wissen die unendliche Informationsflut der verschiedenen Foren und Blogs oft nicht zu gewichten.

Wir steigen deshalb mit einem einfachen, gelingsicheren Jeden-Tag-Brot ein, das das Handwerk aufs Wesentliche reduziert, den Geschmack jedoch in jeder Hinsicht optimiert. Auch bei der Formgebung folgen wir einem sehr einfachen, reproduzierbaren Weg zu einem Brot, das als solches erkennbar ist. Dazu benötigen wir nur ein Minimum an Know-how, gutes Mehl und eine ausbalancierte Fermentation. Die Mehlqualität als Komponente für gutes Brot wird regelmäßig unterschätzt. Dabei ist das Mehl die Hauptzutat und auch verantwortlich für die stattfindende Fermentation. Wir arbeiten in diesem Rezept mit einem hohen Anteil hellen Weizenmehls, im besten Fall einem französischem Baguettemehl und etwas Roggenmehl, das die milde Säure ausbalanciert.

Der Sauerteig funktioniert dabei als Geschmacksgeber und nicht als Triebmittel, die Ansprüche an ihn sind deshalb geringer. Trotzdem sollte man nicht auf die Sauerteig-Tütchen zurückgreifen, die Reformhäuser oder auch Supermärkte inzwischen vorrätig halten. Die Starterkultur sollte schon gesund und lebendig sein. Am besten, man sucht dafür nach einem Sauerteiglieferanten im Netz oder fragt beim Bäcker um die Ecke.

Für mich ist der Sauerteig die Seele guten Brotes, seine Qualität überträgt sich eins zu eins auf das Brot. Er kann norddeutsch dem Roggenteig eine deutliche Essigsäurenote verleihen oder schwäbisch zurückhaltender im helleren Weizenmischbrot harmonisch joghurtähnliche Aromen herbeiführen.

Doch die Steuerung von Brotaromen über die Fermentation ist ein Fortgeschrittenenthema. Hier geht es um die Reduzierung des Rezepts auf ein sensationell einfaches, ehrliches, gutes Brot, das in der Lage ist, als Antidepressivum zu wirken. Blumige, leicht süßliche Noten charakterisieren die Röstaromen in der Kruste und treffen auf einen Hauch erdigen Roggens. Die lange Hefefermentation mit der ausgleichenden Säure aus dem Sauerteig führt während des Backvorgangs zu einem unwiderstehlichen Duft.

Frissdichdummbrot

für 1 Brot
  • 330 g Wasser, handwarm
  • 3 g Hefe
  • 10 g Sauerteig
  • 450 g französisches Baguettemehl T65 (alternativ deutsches 550er Weizenmehl)
  • 50 g Roggenmehl
  • 11 g Salz
  1. Hefe und Sauerteig in einer Schüssel im Wasser auflösen. Beide Mehle und Salz einstreuen, alles mit einem Teigschaber 30 Sekunden grob vermengen, abdecken.
  2. Nach 15 Minuten den Teig weiter mit dem Schaber bearbeiten – er wird homogener. Abdecken. Nach 30 Minuten wiederholen.
  3. Nach 1 Stunde kann der Teig mit den Händen auseinandergezogen und zusammengeklappt werden. Dazu bringt man den Teig auf eine bemehlte Arbeitsfläche, streut etwas Mehl über den Teigling, fasst die sich gegenüberliegenden Seiten des Teiges und zieht sie – damit der Teig nicht reißt – langsam auseinander, bis auf etwa doppelte Länge. Ungefähr ein Drittel legt man von links und ein Drittel von rechts auf den Teig. Jetzt wird das Stück um 90 Grad gedreht und die Prozedur wiederholt. Das ist der wichtige Kern der einfachsten Aufarbeitung eines Weizenteigs.
  4. Den Ballen auf einen leicht bemehlten Bogen Backpapier legen und in eine Schüssel oder Sauteuse geben und abdecken. Bei Zimmertemperatur reift der Teigling nun ca. 7–9 Stunden und nimmt deutlich an Volumen zu.
  5. Den Ofen eine halbe Stunde auf 250 Grad heizen. Als vorteilhaft erweist sich das Backen in einem Topf (z. B. Dutch Oven oder Gänsebräter) – es kommt ein viel schöneres Brot heraus. Den Topf mit aufheizen.
  6. Mithilfe des Backpapiers den Teigling in den heißen Topf befördern. Deckel drauf und in den Ofen schieben.
  7. Die Hitze im Ofen nach 15 Minuten auf 220 Grad reduzieren. Nach 40 Minuten ist das Brot ausgebacken. Wer eine röschere Kruste vorzieht, nimmt den Deckel 10 Minuten vor dem Backende vom Topf. Vor dem Aufschneiden noch eine Viertelstunde auskühlen lassen.
Manfred Schellin ist Biologe, Dozent zu Sauerteigthemen an internationalen Meisterschulen und vertreibt ausgesuchte Mehle und Backzutaten auf bongu.de.
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Aus Effilee #58, Herbst 2021
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