Sportliche Portionen II

Maike Steenblock war im Trainingslager

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Um auf den Schlittschuhen durchzuhalten, kam zur Pastaportion bald die tägliche Joghurtration – und noch mehr...

Soviel gleich vorweg: 450 g Pasta am Tag habe ich in meinem Hobby-Trainingslager nicht geschafft, geschweige denn das Kilogramm des Herrn Phelps. Aber Pasta gab es trotzdem reichlich.

Kurze Klärung des Hintergrundes: Wir haben jeden Tag drei bis dreieinhalb Stunden trainiert. Eine Stunde Ausdauer- und Krafttraining, den Rest auf dem Eis, denn bei meiner Sportart handelt es sich ums Eiskunstlaufen. Ich kenne das Prozedere schon aus den Vorjahren und habe dabei so meine Erfahrungen gemacht, zum Beispiel mit Heißhungerattacken auf Brathähnchen, die sich als einigermaßen fatal entpuppten, denn mit dem Vogel und begleitenden Pommes im Bauch ging auf dem Eis gar nichts. Oder mit einer Snickers-Sucht, die sich regelmäßig beim Frühtraining um 7.45 Uhr einstellte, wenn es vorher nicht ausreichend Toastscheiben mit Honig oder Nutella gab. Im Trainingslager habe ich auch zum ersten Mal seit dem Kleinkindalter geheult, weil mir ein Loch im Magen klaffte und das Essen noch nicht fertig war – peinlich, aber wahr.

Inzwischen bin ich also um einige Erfahrungen reicher. Keine Brathähnchen mehr, zumindest nicht vorm Training, und statt Snickers gibt es Traubenzucker. Um wilden Fressanfällen vorzubeugen, stellen wir uns diesmal beizeiten einen groben Speiseplan zusammen, denn kochen können wir in unserer Ferienwohnung selber. Der Plan funktioniert nach dem simplen Schema Kohlenhydrate + x. Das kulinarische Denken fokussiert sich im Trainingslager nämlich erstaunlich schnell auf diesen Menüpunkt. Jeden zweiten Tag, round about, gibt es Pasta mit Gemüse, weil die sich in den Trainingswochen einfach unheimlich gut im Bauch anfühlt. Und zur Abwechslung Reis mit Gemüse, Couscous mit Gemüse, Kartoffeln mit Gemüse, ab und an dazu Fisch oder Fleisch.

Soviel zur Grundversorgung. Tag 1 und Tag 2 verlaufen noch nach einigermaßen geregeltem Mahlzeitenschema. Aber am schlimmen dritten Tag (da kommt auf den Muskelkater vom Vortag nochmal neuer drauf) steigt der Hunger rapide an, und wir beginnen, Kategorien wie Mittag- und Abendessen über Bord zu werfen. Ab jetzt wird gekocht und gegessen, wann immer Zeit dazu ist. Die erste warme Portion gibt es nach dem ersten Training am frühen Mittag, die zweite nach der zweiten Trainingsrunde am späten Nachmittag. Mit etwas Glück bleibt noch ein Happen für den letzten Hunger am Abend übrig. Allerdings ist unser Pastakonsum mit etwa 250 g Pasta pro Tag und Person verhältnismäßig moderat. Dafür gibt es zwischendurch reichlich geschmierte Stullen, frei nach der Devise: Ständig nachschieben verhindert das Brathähnchen-Malheur.

An Tag 4 sind wir abends mit anderen Sportlern zum Pizzaessen verabredet. Ich bestelle die mit dem Spiegelei drauf – was ich normalerweise nie tun würde. Aber der Schuss geht nach hinten los. Am nächsten Tag japse ich auf dem Eis wie eine marode Dampfmaschine und bekomme sogar Seitenstechen – das passiert mir sonst nie. An Tag 5 gibt es also wieder Pasta, sicher ist sicher.

Etwa ab Tag 5 taucht das erste dringende Bedürfnis auf: Joghurt mit Obst. Große Renner: Bananen und Blaubeeren. Ab jetzt gibt es täglich eine Portion davon, knapp 200 g, abends nach dem zweiten warmen Essen. Ab Tag 6 meldet sich ein weiteres Bedürfnis: Fleisch oder Fisch. Abends ertappe ich mich dabei, wie ich mir am Kühlschrank ein Glas Milch einschenke. Die trinke ich sonst nie. Überhaupt fällt mir an Tag 6 auf, wieviel ich trinke. Drei Liter am Tag sind es mindestens, und Wasser, sonst mein bevorzugtes Tagesgetränk, wird mir allmählich zu dünn. Ich mixe also mit Apfelsaft.

Ab Tag 8 steigt der Drang, mir abends unkoordiniert den Bauch vollzuschlagen. Mit Schokolade, Weingummi, Süßkram. Als Rettungsanker kochen wir Milchreis mit Obstkompott. Den gibt es jetzt ebenfalls regelmäßig, abends vor oder nach dem Joghurt und gerne auch schon mal ein Schälchen nach der ersten warmen Portion am Mittag.

An Tag 9 suche ich abends unruhig die Küchenschränke ab. Mich plagt schon wieder irgendein dringendes Bedürfnis, nach etwas Warmem, Salzigem, geringfügig Fettigem. Ich fahnde nach Gegenmitteln, finde nichts Rechtes und lande am Ende bei einem Becher Fleischbrühe.

Uff. Allmählich habe ich das Gefühl, zum Futterverwertungsautomaten zu mutieren. Gut, dass mit Tag 12 das Trainingslager für uns zu Ende geht. Trotzdem mag ich diese Zeit unheimlich gerne. Das Leben reduziert sich auf den Sport, aufs Essen und aufs Schlafen. Der Körper beginnt relativ deutlich zu melden, was er essen will und wieviel er braucht. Das ist nicht nur spannend, sondern fühlt sich auch ungemein gut an. Und selbst wenn ich plötzlich nach einem Glas eingelegter Gurken greife, kann ich ganz beruhigt sein: Ich bin nicht schwanger, ich mache Sport.

Meine Meinung …

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