Lecker ist auch nur ein weißes Pulver

Wer hat Angst vor Glutamat? Im Westen fast jeder, in Asien kaum einer! Warum ist dieser Stoff, der in jeder Körperzelle vorkommt so umstritten? Und was hat es mit Umami, dem ominösen fünften Geschmackssinn auf sich? Glutamat, oft als Inbegriff des Bösen und künstlicher Zusatzstoff gescholten, ist in Wahrheit ein ganz natürlicher Stoff!

Kombu (Laminaria japonica) ist ein essbarer Seetang, der in der traditionellen japanischen Küche weitverbreitet ist. Man kann ihn frisch oder eingelegt essen, oder Dashi damit zubereiten, eine Art Grundbrühe. Der besondere Geschmack des Kombu hatte es um 1907 dem japanischen Chemiker Kikunae Ikeda angetan, denn Kombu schmeckt weder süß noch sauer, nicht salzig oder bitter. Ikeda, der übrigens in Leipzig studiert hatte, vermutete, dass es sich um einen weiteren Grundgeschmack handele, und nannte ihn schlicht Umami, was auf deutsch nichts anderes heißt als lecker.

Der Kombu, der hier im Wasser zieht, ist das Lebensmittel, das am meisten Glutamat enthält

Natürlich wollte Ikeda wissen, welcher Stoff für diesen leckeren Geschmack verantwortlich sei. Nach einem Jahr intensiver Forschung hatte er schließlich gefunden, was er suchte: ein unscheinbares weißes Pulver, das Glutamat. Wenig später tat er sich mit einem Partner zusammen, um seine Entdeckung kommerziell zu verwerten. Er hatte ganz offensichtlich eine Marktlücke gefunden: Heute werden weltweit jährlich etwa zwei Millionen Tonnen Glutamat hergestellt. Das reicht theoretisch, um rund vier Billionen Mahlzeiten lecker zu machen.

Man kann nicht allergisch sein gegen Glutamat, denn es ist ein natürlicher Eiweißbaustein, der in jeder unserer Zellen enthalten ist. Es gibt aber Personen, die an einer Überempfindlichkeit leiden, die auftritt, wenn eine bestimmte Menge an Glutamat überschritten wird.

Doch irgendetwas scheint dran zu sein an dem geheimnisvollen Stoff, und wer die Hysterie beiseite lässt, die schnell aufkommt, wenn der Begriff Geschmacksverstärker fällt, kann viel darüber lernen, warum uns schmeckt, was uns schmeckt.

Keiner ernährt sich ohne Glutamat. Denn die Substanz ist in vielen Lebensmitteln von Natur aus enthalten

Zunächst sollte man sich über eines klar sein: Selbst wer von den alljährlichen zwei Millionen Tonnen nichts abbekommt, ernährt sich nicht ohne Glutamat. Denn die Substanz ist in vielen Lebensmitteln von Natur aus enthalten: in größeren Mengen in Käse, vor allem in Parmesan, in vollreifen Tomaten, Bohnen, Mais, Kartoffeln und Spinat, in geringeren Mengen auch in Fleisch, Fisch und Eiern. Es gibt frei verfügbares Glutamat (in Parmesan 1,2 Gramm pro Kilo) und gebundenes, das bei der Eiweißverdauung freigesetzt wird.

Die Bonitoflocken enthalten Dinatriuminosinat, das die Wirkung von Glutamat noch verstärkt

Neben Glutamat wurden zwei weitere Substanzen identifiziert, die zum Umami-Geschmack beitragen: Dinatriuminosinat und Dinatriumguanylat. Beide kommen ebenfalls natürlich in Lebensmitteln vor: Dinatriuminosinat ist in besonders großen Mengen in fermentiertem Fisch enthalten, aber zum Beispiel auch in Schweinefleisch. Dinatriumguanylat findet sich in vielen Pilzen, neben Shiitake und Enoki auch in Trüffeln.

Die Liste der Nahrungsmittel, in denen sich – ganz natürlich – geschmacksverstärkende Substanzen befinden, liest sich ganz schön lecker. Das ist kein Wunder, denn die Lust auf Umami (und damit auf Glutamat) ist uns angeboren. Muttermilch enthält eine gehörige Prise Glutamat und die Natur hat uns eigene sensorische Zellen mitgegeben, damit wir es schmecken können. Es wird vermutet, dass uns der Geschmack einen hohen Eiweißgehalt signalisiert, so wie Süße uns auf Kohlenhydrate aufmerksam macht.

Umami ist schwer zu fassen. »Ein angenehmer, fleischiger Geschmack«, »ein Geschmack, der aus allen vier Komponenten – süß, sauer, salzig und bitter – besteht«, »mehr ein Gefühl, als ein Geschmack« sind Beispiele für Versuche, Umami zu beschreiben. Es ist ein bisschen wie mit der Liebe: Wenn es da ist, merkt man es oft gar nicht, aber alles ist ein bisschen schöner. Doch wenn es fehlt, spürt man es deutlich.

Bolognese, die Kombination von Fleisch, Tomaten und Parmesan ist gerade bei Kindern so beliebt, weil es sich um eine wahre Umami-Bombe handelt.

Man muss keineswegs ein Pülverchen verwenden, um in den Genuss von Umami zu kommen. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die drei Umami-aktiven Substanzen Glutamat, Dinatriuminosinat und Dinatriumguanylat sich gegenseitig erheblich verstärken. In vielen klassischen Rezepten, angefangen bei den Fonds, kommt dieser Effekt zum Tragen: Das Fleisch steuert das Inosinat bei, das Gemüse Glutamat. Wenn in italienischen Rezepten Bohnen mit Sardellen kombiniert werden, hat das denselben Grund. Die Sardellen sollen im fertigen Gericht gar nicht identifizierbar sein, sie tragen lediglich dazu bei, den Geschmack abzurunden, also den Umami-Anteil zu erhöhen. Bolognese, die Kombination von Fleisch, Tomaten und Parmesan ist gerade bei Kindern so beliebt, weil es sich um eine wahre Umami-Bombe handelt.

Wir tun uns unübersehbar schwer mit dem Gedanken, dass lecker eine Qualität ist, die man einfach über ein Essen drüberstreuen kann. Salz und Zucker, die in der Form, wie wir sie verwenden, genau genommen nicht weniger künstlich sind, werden dagegen als unproblematisch empfunden. Vielleicht sollten wir einfach versuchen, etwas weniger verkrampft mit dem Thema umzugehen. Die Rezepte sind Beispiele für Gerichte, die ausgesprochen umami sind. Glutamat braucht man nicht zuzufügen, es ist in den Zutaten schon genug drin.

Kombu und Katsuo Dashi

Für 2 Liter
  • 20 g Kombu
  • 20 g Katsuobushi (getrocknete Bonitoflocken)
  • 2 l Wasser
  1. Den Kombu mit einem sauberen Tuch abwischen. Wasser in einem Topf auf 65° erhitzen, den Kombu hineingeben und eine Stunde ziehen lassen.
  2. Den Kombu herausnehmen, die Bonitoflocken zugeben und die Flüssigkeit auf 85° erhitzen. Zehn Minuten ziehen lassen und durch ein Tuch abseihen.


Umami-Burger

Für 2 Personen
  • 300 g Rindfleisch (Entrecôte)
  • 4 g Salz
  • 1 kleines Sardellenfilet (eingelegt in Öl)
  • 1 getrocknete Tomate
  • ½ Zweig Majoran
  • 1 kleines Blatt Liebstöckel
  • 1 Stängel Petersilie
  • Senf
  • 2 Scheiben von einer vollreifen Tomate
  • etwas Salat oder Sprossen
  • 2 Scheiben Salzgurke
  • 2 burgertaugliche Brötchen
  1. Das Rindfleisch in grobe Würfel schneiden. Sardelle und getrocknete Tomate würfeln, die Kräuter hacken, mit dem Fleisch und dem Salz gut vermengen. Die Masse zweimal durch den Fleischwolf drehen, erst mit der groben, dann mit der feinen Scheibe. Vorsichtig zu Burgern formen: die Fleischmasse soll auf keinen Fall geknetet werden, damit die Struktur erhalten bleibt. Auf dem Grill oder in einer heißen Pfanne auf jeder Seite 1 Minute anbraten, dann im Ofen bei 120 Grad 5 Minuten garziehen lassen.
  2. Brötchen aufschneiden und die obere Hälfte mit Senf bestreichen. Burger auf die untere Hälfte legen, mit Tomate, Gurke, Salat und/oder Sprossen belegen und zuklappen.

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Aus Effilee #7, Nov/Dez 2009
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