Stevan Pauls Deutschstunde: Tomatensuppe

Tomatensuppe! Das ist amore e musica, das ist Sommer, Sonne, Sonnenschein! Allerdings eher in Italien. Die deutsche Tomatensuppe ist da wesentlich nüchterner und übt sich in zielstrebiger Bescheidenheit. Das liegt an den heimischen Strauch- und Gartentomaten, die viel weniger Sonnenstunden genießen als ihre Brüder und Schwestern in bella Italia. Sie sind dickhäutiger, um sich vor Wind und Wetter zu schützen und schmecken so richtig gut erst am Ende eines langen Sommers. Dann allerdings waren und sind sie der Stolz eines jeden Hobbygärtners.

Meine Großmutter pflegte die sonnenwarmen, schweren Früchte erst zu ernten, wenn sie wirklich stark zu duften begannen und selbst die Hummeln und Wespen im Garten schon nervös auf und ab flogen. Aus diesen Tomaten wurde Tomatensuppe gekocht, und die war immer: orangefarben. Das lag nun aber wirklich nicht an den verwendeten Tomaten, die tiefrot waren.

Die Zubereitung sorgte für den erhellenden Effekt, denn die klassische deutsche Tomatensuppe entsteht leider auf Mehlschwitze-Basis. Geschuldet ist das dem Umstand, dass das Farbe und Geschmack unterstützende Tomatenmark bis zur Wirtschaftswunderzeit in den 1950er- und 1960er-Jahren ein eher exotisches und kostenintensives Produkt war, das beinahe ausschließlich für Schmorfleischgerichte und Gulasch verwendet wurde. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Tomate selbst erst ab 1850 überhaupt in deutschen Kochbüchern genannt wird – es war ein langer Weg von Südamerika nach Sindelfingen und Stralsund! Für Bindung und Cremigkeit in der deutschen Tomatensuppe sorgte derweil die in der klassischen deutschen Küche beliebte und vielseitige Mehlschwitze mit guter Butter, deren Bindungsfähigkeit noch einen weiteren unschätzbaren Vorteil bot: Selbst aus kleinster Tomatenernte ließ sich viel Suppe kochen. Auch sonst empfiehlt es sich, bei der Wiederentdeckung der klassischen deutschen Tomatensuppe, alles zu vergessen, was man über die Herstellung von Tomatensuppe im Allgemeinen zu wissen glaubt oder gelernt hat. Modischer Tand wie Knoblauch, Olivenöl, Rosmarin oder Thymian gehören nämlich nicht hinein. Gewürzt wird mit Bohnenkraut, Lorbeer und frischen Gartenkräutern querbeet, Salz, Pfeffer und fertig.

Schmeckt das denn? Sagen wir mal so: Es schmeckt anders, und insbesondere die Zugabe von Mehl kostet Überwindung – der innere Italiener, den wir Deutschen uns so mühevoll zu eigen gekocht haben, rebelliert: Fällt er nicht in Ohnmacht und macht weiter, wird er am Ende mit einer orange leuchtenden Tomatensuppe von buttriger Rahmigkeit (ohne jeden Mehlgeschmack) belohnt. Die dezente Würzung durch den Lorbeer lässt den Tomaten die Freiheit, einfach nach Tomaten schmecken zu dürfen. Elegant und ganz leicht nur unterstützt wird die Suppe vom Bohnenkraut, dessen geschmackliche Verwandtschaft mit dem Thymian hier trefflich passt. Großmutter servierte die Suppe immer mit leicht angeschlagenem Rahm oder Sauerrahm extra. Und ja, es gab in den 1970er-Jahren auch Vorfälle mit Sprühsahne. Sogar mit gesüßter Sprühsahne. War Brot übrig, wurden Krachelchen über die Suppe gestreut – in Butter geröstete und gesalzene Brotwürfel. Mit Spiralnudeln, Wursträdchen, Gemüseresten, Hackbällchen oder Reis wurde die Suppe zum sättigenden Eintopf für alle. Mit frischen Tomatenstückchen und gehackten Gartenkräutern ist die deutsche Tomatensuppe eine sommerliche Zierde auf jedem Tisch und eine überraschende Wiederentdeckung.
Zum Weglöffeln gut!

Stevan Pauls Deutschstunde: Tomatensuppe

Für 4 Personen
Tomatensuppe! Das ist amore e musica, das ist Sommer, Sonne, Sonnenschein! Allerdings eher in Italien. Die deutsche Tomatensuppe ist da wesentlich nüchterner und übt sich in zielstrebiger Bescheidenheit. Das liegt an den heimischen Strauch- und Gartentomaten, die viel weniger Sonnenstunden genießen als ihre Brüder und Schwestern in bella Italia. Sie sind dickhäutiger, um sich vor Wind und Wetter zu schützen und schmecken so richtig gut erst am Ende eines langen Sommers. Dann allerdings waren und sind sie der Stolz eines jeden Hobbygärtners.
  • 1 kg sehr reife Garten- oder Strauchtomaten
  • 1 große Gemüsezwiebel
  • 2 EL Sonnenblumenöl
  • 60 g Butter
  • 1 EL Mehl (Type 405)
  • eine Prise Zucker
  • 1 Liter kalte Gemüse- oder
  • Hühnerbrühe
  • 1–2 Lorbeerblätter
  • 1 TL getrocknetes Bohnenkraut
  • Salz
  • Pfeffer
  • 150 g Sauerrahm oder saure Sahne
  • 80 g bunte Kirschtomaten
  • 1 Bund gemischte Gartenkräuter (z. B. Schnittlauch, Petersilie, Dill oder Kerbel)
  1. Tomaten entstrunken und grob würfeln. Zwiebel pellen und fein würfeln. Öl und Butter in einem Topf erhitzen. Zwiebelwürfel darin bei milder Hitze 3–4 Minuten farblos schmoren.
  2. Mehl und Zucker einstreuen, die -Tomaten zugeben und unterrühren. Die kalte Brühe in dünnem Strahl ein-rühren. Lorbeer und Bohnenkraut zugeben und unter Rühren aufkochen. 20 Minuten unter gelegentlichem Rühren bei milder Hitze offen leise kochen.
  3. Die Lorbeerblätter entfernen, die Suppe mit dem Schneidstab fein pürieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Sauerrahm glatt rühren und leicht salzen. Kirschtomaten in -Scheiben schneiden. Gartenkräuter fein schneiden.
  4. Die Suppe in vorgewärmte Teller füllen und mit Sauerrahm beträufeln, mit Kirschtomatenscheiben und Gartenkräutern garnieren, sofort servieren. fein schneiden. Die Suppe in vorgewärmte Teller füllen und mit Sauerrahm beträufeln, mit Kirschtomatenscheiben und Gartenkräutern garnieren, sofort servieren.
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  1. Lieber Stevan, leider komme ich erst jetzt so richtig in den Genuss von „effilee“. Auch bei mir ist die Tomatensupe nicht so richtig rot. Das liegt aber nicht an der Mehlschwitze. Warum sie nicht rot ist weiss ich nicht. Ich schwitze reife Sommertomaten, in Stücke geschnitten aus dem Garten, in Olivenöl an. Vor Ende August geht gar nichts. Schmore 15 – 20 Minuten . Streiche alles durch ein Sieb, wegen der Kerne und der Haut. Und habe dann eine sämige Suppe, die ich nach belieben würzen kann. Ein Gedicht.
    Vielleicht wird die Suppe nicht rot, weil das innere auch nicht so richtig rot ist.
    Ist auch egal. Liebe Grüße Brigitte Lecher

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