Die eigene Wurst

Selber Wursten – so geht’s

Wurst wird schon bei Homer in der Odyssee erwähnt, etwa 500 bis 700 Jahre vor Christus. Mit Blut und Fett waren seine Würste gefüllt – es ging also schon damals darum, Teile des geschlachteten Tieres appetitlich und haltbar zu machen, die man sonst hätte wegwerfen müssen. Bei einer so langen Tradition verwundert es nicht, dass es unzählige regionale Wurstspezialitäten gibt: von der schlanken, scharfen nordafrikanischen Merguez über die spanischen Chorizos und den italienischen Salsicce bis zu Grützwurst, Bierschinken und den englischen Bangers, fetten Schweinsbratwürsten, die so heißen, weil sie gelegentlich in der Pfanne explodieren. Allen gemeinsam ist, dass eine Mischung aus Fleisch, Fett, Salz, Gewürzen und möglicherweise Zusatzstoffen wie Grütze oder Semmelbrösel in einen gereinigten Darm gefüllt werden, der anschließend gegart wird.

Wichtig ist, dass die Zutaten auch im ungegarten Zustand Bindung haben: Fett, Eiweiß und Wasser dürfen sich auf keinen Fall entmischen. Wie bei der Herstellung einer Farce geht es darum, das Eiweiß, das im Fleisch enthalten ist, aus den Zellen herauszulösen und aufzuschließen. Dann kann sich Wasser anlagern und es entsteht ein Geflecht aus Eiweißmolekülen, das der Masse Struktur und Festigkeit gibt.

Im Fleisch gibt es überwiegend zwei Proteine: Actin und Myosin. Das Zusammenspiel dieser beiden Eiweißstoffe sorgt dafür, dass der Muskel sich zusammenziehen und wieder entspannen kann. Meistens sind die beiden Stoffe aneinandergelagert und bilden einen sogenannten Komplex, das Actomyosin. Erst wenn ein dritter Stoff, Adenosintriphosphat (ATP) dazukommt, werden sie getrennt und liegen einzeln vor.

Für den Hausgebrauch lassen sich zum Glück auch ohne Zusatzstoffe befriedigende Ergebnisse erzielen

Für den Wurstmacher ist das deshalb von Belang, weil Actomyosin nur sehr wenig Wasser binden kann, Actin und Myosin einzeln aber viel mehr. Nun ist es leider so, dass das ATP von den Prozessen, die nach dem Schlachten immer noch im Muskel ablaufen, recht schnell verbraucht wird. Daher pflegte man früher möglichst schnell zu wursten, solange das Fleisch noch warm war. Das ist heute nur noch in wenigen Landschlachtereien möglich und hört dann auf den ansprechenden Namen Warmfleischverarbeitung. Die moderne Schlachtlogistik lässt so etwas aber normalerweise nicht zu, und so enthalten heutzutage fast alle Wurstwaren den Zusatzstoff E 450, Diphosphat, der ebenfalls Wasser bindet. Diphosphat kann man nicht ohne Weiteres im Drogeriemarkt kaufen, aber für den Hausgebrauch lassen sich zum Glück auch ohne Zusatzstoffe durchaus befriedigende Ergebnisse erzielen.

Wichtig ist das richtige Werkzeug. Man braucht auf jeden Fall einen Fleischwolf sowie einen Aufsatz, um den Darm zu befüllen. Wenn man mindestens zu zweit ist und sich das Fitnessstudio sparen will, kann man es mit einem handbetriebenen versuchen. Besser ist es allerdings, einen entsprechenden Aufsatz für eine Küchenmaschine zu verwenden, denn aus hygienischen Gründen muss das Fleisch möglichst zügig verarbeitet werden. Je länger es sich im Wolf befindet, desto mehr wird es – auch durch die Scherbewegung – erwärmt, was die Vermehrung von Mikroben und somit den Verderb fördert.

Darm bekommt man mit etwas Überredung vom Metzger. Es handelt sich in der Regel um Därme von Lämmern, die sterilisiert und in Salzlake eingelegt werden. Der Darm sollte einige Stunden vor Verwendung gewässert und nach Möglichkeit auch innen ausgespült werden, indem man ihn kurz über den Wasserhahn zieht.

Das Salz trägt beim Wolfen dazu bei, die Proteine freizusetzen, die für die Bindung notwendig sind

Wenn alles da ist, kann es losgehen. Alle Zutaten, vor allem natürlich das Fleisch, sollten möglichst kalt sein. Das Fleisch wird in etwa 4–5 cm große Stücke geschnitten, die gut in den Wolf passen. Es ist außerordentlich wichtig, dass zumindest das Salz schon zu diesem Zeitpunkt dazukommt. Das Salz trägt nämlich bereits beim Wolfen dazu bei, die Proteine freizusetzen, die für die Bindung notwendig sind. Außerdem tötet es Mikroben ab. 18 bis 24 Gramm Salz pro Kilogramm Fleisch gelten als Richtwert, ich habe mit 20 Gramm gute Erfahrungen gemacht. Die Wurst wird kräftig salzig, aber nicht versalzen, und hält sich ohne Weiteres einige Tage im Kühlschrank.

Je nach Rezept wird das gewürzte Fleisch einmal durch die grobe oder feine Scheibe gedreht. Anschließend wird es geknetet, um möglichst viel Luft herauszudrücken, die sonst die Wurst beim Garen zum Platzen bringen würde. Zwischendurch sollte man immer wieder die Temperatur kontrollieren. Wenn sie über 10 Grad steigt, stellt man die Masse kurz ins Gefrierfach.

An diesem Punkt sollte man mit einem Löffeln etwas von der Masse abteilen und zur Probe braten, denn dies ist die letzte Gelegenheit, noch nachzuwürzen.

Dann wird der gewässerte und gereinigte Darm über die Wursttülle gezogen und mit der Wurstmasse gefüllt. Nicht zu fest, damit der Darm nicht platzt, aber das hat man relativ schnell im Gefühl. Ganz am Schluss, wenn man eine meterlange Wurstspirale vor sich liegen hat, kommt das Allerbeste: Mit einer vorsichtigen Drehbewegung werden die einzelnen Würste abgetrennt. Das braucht ein bisschen Übung, die ersten Würste werden wahrscheinlich alle verschieden lang, aber es ist außerordentlich befriedigend. Die Würste sollten über Nacht im Kühlschrank liegen und anschließend innerhalb von drei Tagen verzehrt werden. Eingefroren halten sie sich etwa drei Monate.


Salsiccia

Für 1 kg Wurst
  • 1 kg durchwachsener Schweinebauch oder eine Mischung von anderem Schweinefleisch und Speck. Der Fettgehalt sollte etwa 30 % betragen
  • 20 g Salz
  • 1 Knoblauchzehe
  • 7 g Fenchelsamen
  • Abrieb einer Zitronenschale
  • 20 Pfefferkörner
  1. Fleisch in Würfel schneiden, würzen. Knoblauch mit Salz verreiben und dazugeben. Kalt stellen. Durch den Wolf drehen. Anschließend in Därme füllen und Würste abdrehen.


Merguez

Für 1 Kilogramm Wurst
  • 1 kg Lammbauch oder anderes Lammfleisch und Nierenfett vom Lamm. Der Fettgehalt sollte etwa 20 % betragen
  • 20 g Salz
  • 1 Knoblauchzehe
  • 3–4 Chilischoten
  • 5 g Kreuzkümmel (Cumin)
  • 10 g Paprika
  • 20 Pfefferkörner
  • 30 ml Olivenöl
  1. Den Stiel von den Chilischoten entfernen, Knoblauchzehe schälen. Beides zusammen mit Salz, Kreuzkümmel, Paprika, Pfeffer und Olivenöl zu einer Paste aufmixen. Das Fleisch in Würfel schneiden und mit der Paste vermischen. Kalt stellen und anschließend durch den Wolf drehen. In Därme füllen und Würste abdrehen.

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Aus Effilee #8, Jan/Feb 2010
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