Sind wohlhabende Leute blöd? Und zwar die, die in schicke Restaurants gehen? Nach dem Erlebnis, von dem die Rede ist, war meine Antwort: Ja, die hier schon. Nicht nur blöd, sondern saublöd. Da saßen Anwälte und Ärzte, die tüchtig sind und anständige Honorare in Rechnung stellen. Sie bekamen wie ich Portionen, die so klein waren, dass man sie kaum auf dem Teller erkennen konnte. Bonsai-Amuse-Bouches, als Bestandteile eines normalen Menus deklariert. Und was machten die tüchtigen Ärzte und Anwälte? Sie nahmen ihr Unter-1000-Kalorien-Dinner zu sich, bedankten sich brav, lächelten dümmlich und bezahlten die umgerechnet knapp 300 Euro nur fürs Essen. Keiner meckerte. Keiner rebellierte. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Das alles hat stattgefunden im doppelt besternten Atelier Crenn in San Francisco. Hier steht Dominique Crenn, eine gebürtige Französin am Herd. Falsch. Sie steht ja gar nicht am Herd, sondern in einer Showküche, in der eigentlich nichts passiert. Sie beobachtet die Gäste, serviert den einen oder anderen Gang und parliert ein wenig. Die eigentliche Arbeit findet hinter den Kulissen statt. Wahrscheinlich tragen die Köche Spezialbrillen mit Vergrößerungsfunktion und benutzen ausschließlich Puppenküchentöpfe und Pinzetten. Der erste Bissen schmeckte übrigens fast immer sehr gut. Nur, dass der erste auch der letzte war. Wahrscheinlich hat das alles mit Kalifornien und Schlankheitsideal zu tun. Macht keinen Spaß.
- Autor: Max Möger
Dieser Beitrag wurde ursprünglich veröffentlicht in Effilee 38

#38, Herbst 2016
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