Bœuf Bourguignon

Bœuf Bourguignon – Der französische Klassiker aus Rinderschulter und Rotwein.

Rinderschulter kostet in bester Bio-Qualität etwa zehn Euro pro Kilo, das Filet dagegen, das als bestes Stück vom Rind gilt, etwa 35 bis 40 Euro. Der Preisunterschied wird damit erklärt, dass das Filet besonders zart sei. Doch es ist durchaus möglich, die Schulter sogar noch zarter hinzubekommen – man braucht dazu nur etwas Geduld.

Ein Muskel besteht aus langen Fasern von Muskelzellen, die jeweils von einer Hülle aus Bindegewebe, Collagen, umgeben sind. Die Bänder und Sehnen, die den Muskel mit den Knochen verbinden, bestehen ebenfalls aus Collagen. Und Collagen ist zäh, was nicht wundert, wenn man bedenkt, welche Aufgaben es erfüllt.

Das Filet ist zart, weil es sich um einen Muskel vom Rücken handelt, der relativ wenig beansprucht wird. Entsprechend wenig Bindegewebe wird zwischen den Muskelfasern gebraucht. Die Schulter hat wesentlich mehr Bindegewebe.

Die gute Nachricht ist, dass Collagen bei Temperaturen oberhalb von etwa 55 Grad zu Gelatine wird. Allerdings dauert das eine Weile. Das Problem ist nun, dass sich gleichzeitig die Muskelzellen zusammenziehen und dabei das Wasser, das in ihnen enthalten ist, herausdrücken, wobei auch eine Menge aromatischer Substanzen verloren gehen. Wird das Fleisch zu lange geschmort, löst sich deshalb zwar das Collagen auf, doch gleichzeitig schrumpft das Fleisch, wird trocken und zerfällt. Die Gelatine und das Aroma sind in der Sauce, und die ist entsprechend lecker, aber das ist kein echter Trost.

Wenn die Bauern auf den Philippinen ein Schwein vergraben, darauf ein Feuer entzünden und es am nächsten Tag wieder ausgraben, tun sie nichts anderes als die Protagonisten der Molekularküche

Wenn die Bauern auf den Philippinen ein Schwein vergraben, darauf ein Feuer entzünden und es am nächsten Tag wieder ausgraben, tun sie nichts anderes als die Protagonisten der Molekularküche: sie garen bei Niedertemperatur. Auch in unseren Breiten war das früher durchaus üblich, wenn zum Beispiel die Oma den Braten über Nacht im ausgeschalteten Ofen stehen ließ.

Der entscheidende Vorteil dieser Methode ist, dass das Collagen viel Zeit hat, sich umzuwandeln, während gleichzeitig die Fasern so schonend behandelt werden, dass sie einen großen Teil ihres Wassers und damit auch des Aromas und der Struktur behalten. Gerade deshalb ist es besonders wichtig, auf die Fleischqualität zu achten, denn auch unerwünschte Aromen treten intensiv hervor, zum Beispiel der säuerliche Geschmack von zu lange im Vakuum gelagertem Fleisch.

Außerdem ist natürlich die Hygiene wichtig. Schädliche Mikroorganismen fühlen sich am wohlsten, wenn es warm, aber nicht heiß ist, zwischen 30 und 40 Grad. Das ist derselbe Temperaturbereich, in dem auch die Enzyme, die für die Fleischreifung sorgen, besonders intensiv wirken. Da die Enzyme sich im Inneren des Fleisches befinden, die Mikroorganismen aber auf der Oberfläche, ziehe ich es vor, das Fleisch kurz und scharf anzubraten. Das schließt zwar nicht die Poren, wie mittlerweile fast jeder weiß, gibt aber interessante Röstnoten und sterilisiert das Fleisch.

Um selber Erfahrungen mit der Niedertemperaturgarung zu machen, braucht man außer einem Digitalthermometer in erster Linie Forscherdrang. Ein Ofen, der auch bei niedrigen Temperaturen exakt zu regulieren ist, hilft, aber es geht, wie als Alternative im Rezept beschrieben, auch ohne.

Das Rezept ist in jeder Hinsicht traditionell: Champignons, Speck und Zwiebeln sind die klassische Burgunder Garnitur

Das Rezept ist in jeder Hinsicht traditionell: Champignons, Speck und Zwiebeln sind die klassische Burgunder Garnitur. Nur die Garmethode ist anders. Wer will, kann Fleisch, Wein und Gemüse auch in einen Bräter geben und vier Stunden bei 120 Grad in den Ofen stellen. Es lohnt sich, beide Varianten auszuprobieren, denn der Unterschied ist gewaltig.

Zum Schluss noch ein Wort zum Wein. Eine gute Faustregel für dieses Rezept lautet: Das Geld, das man beim Fleisch im Vergleich zum Filet spart, sollte man in zwei anständige Flaschen Bourgogne anlegen. Eine für das Fleisch und eine für den Koch.

Bœuf Bourguignon

Für 6 Personen
  • 1 kg Rinderschulter
  • 1 Flasche Rotwein Pinot Noir (vorzugsweise aus dem Burgund)
  • 1 rote Zwiebel
  • 1 Karotte
  • 2 Knoblauchzehen
  • Bouqet garni aus Thymian, Rosmarin, Petersilie
  • 8–10 Pfefferkörner
  • Wasser oder selbstangesetzter Fond
  • 18 kleine Schalotten
  • 100 g durchwachsener Speck
  • 250 g kleine braune Champignons
  • 1 EL Tomatenmark
  • Frisch gehackte Petersilie
  • Butter, Erdnussöl
  • Speisestärke
  • 1 EL feiner Zucker
  • Salz, Pfeffer aus der Mühle

Am Vortag

  1. Das Fleisch in relativ große Portions-stücke schneiden. Auf einem Tuch abtrocknen.
  2. Etwas Öl in einer Pfanne bis kurz vor den Rauchpunkt erhitzen und das Fleisch in mehreren Portionen bei hoher Temperatur möglichst schnell von allen Seiten bräunen.
  3. Karotte, Zwiebel und Knoblauch würfeln und in etwas Butter in 5 Minuten weichschmoren.
  4. Fleisch und Gemüse etwas abkühlen lassen und zusammen mit den Pfefferkörnern und dem Wein in einen ausreichend großen kochfesten Gefrierbeutel geben. Den stellt man in ein großes Gefäß mit lauwarmem Wasser (darin kippt er nicht so leicht um) und gibt so viel Wasser bzw. Fond hinzu, dass das Fleisch bedeckt ist. Pro Liter Flüssigkeit 5 g Salz dazugeben, den Beutel gut verschließen und möglichst viel Luft herausdrücken.
  5. Den Ofen auf 68 Grad einstellen, das Gefäß hineinschieben und mindestens 24 Stunden garen. Wenn möglich die Wassertemperatur mit einem Digitalthermometer kontrollieren, sie sollte nach einigen Stunden 65 Grad betragen.
zu 5. Wer nicht über einen exakt zu steuernden Ofen verfügt, kann sich mit der Kochkistenmethode behelfen: Das Gefäß mit dem Wasserbad wird in eine isolierende Hülle gestellt, zum Beispiel eine Styroporkiste. Dann gießt man kochendes Wasser zu, bis die Temperatur etwa 72 Grad erreicht. Sobald die Temperatur auf 60 Grad abgesunken ist, tauscht man einen Teil des Wassers gegen Kochendes aus, um wieder 72 Grad zu erreichen. Das dauert erfahrungsgemäß jeweils 3 bis 4 Stunden. In diesem Fall sollte man sich aus praktischen Erwägungen (Schlaf!) auf 12 Stunden Garzeit beschränken.

Fertigstellung

  1. Den Inhalt des Beutels in eine Schüssel geben, das Fleisch herausnehmen und zugedeckt warmstellen.
  2. Das Bouquet garni und Tomatenmark zugeben und den Sud kräftig reduzieren. Das ist auch deshalb wichtig, weil der gesamte Alkohol vom Wein noch drin ist.
  3. Durch ein Sieb geben, mit Salz und Pfeffer kräftig abschmecken und mit Speisestärke leicht binden.
  4. Die Zwiebeln schälen, in Salzwasser 5 Minuten vorgaren, abgießen.
  5. Ein Stück Butter in einer Sauteuse erhitzen, die Zwiebeln zugeben und mit dem Zucker überstäuben. 30 Minuten auf sehr kleiner Flamme garen, sie sollen nicht zu braun werden.
  6. Den Speck in 1 cm große Würfel schneiden, in kaltem Wasser aufsetzen und zum Kochen bringen. Sofort abgießen. Anschließend bei milder Hitze auslassen und ganz leicht bräunen. Mit einem Schaumlöffel herausnehmen und auf Küchenkrepp abtropfen lassen. Das Fett bis auf ca. 2 Esslöffel abgießen.
  7. Die Champignons in dem Fett etwa 10 Minuten bei milder Hitze schmoren.
  8. Das Fleisch mit Zwiebeln, Speckwürfeln und Champignons auf Teller geben. Mit Sauce und Petersilie vollenden.
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Aus Effilee #6, Sep/Okt 2009
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