Labskaus

Der Name ist Programm: Labskaus ist eine handfeste Angelegenheit, abgeleitet vom Seemanns-englischen lobs für derber Kerl und course für Mahlzeit. Über das norwegische lapskaus (gesalzener Kabeljau mit Kartoffeln) kam der Name in den norddeutschen Sprachgebrauch. Tatsächlich findet sich der nahrhafte Kartoffelbrei mit gepökeltem Fleisch überall da, wo es Häfen, Hanse und Seemänner gibt.

Hamburg und Bremen preisen das Gericht als touristische Attraktion, und auch die Stadt Liverpool rühmt sich ihres Liverpool Scouse, eines Eintopfs aus geschmortem Lamm- oder Hammelfleisch, der mit Möhren, Roter Bete und reichlich Kartoffeln in den örtlichen Pubs gereicht wird. In North Wales löffeln die Menschen gerne einen ähnlichen Eintopf, liebevoll Lobby genannt. In Norwegen, Schweden und Dänemark (wo der Skipperlabskovs natürlich als Smørrebrød gereicht wird) ist das Gericht in Abwandlungen bekannt, gerne auch als gemischter Wochenrückblick, über den ein gnädiges Deckmäntelchen aus Kartoffelpüree ausgebreitet wird. Rekordhalter im Labskausessen sind aber die Deutschen: Das größte Labskaus-Essen der Welt findet alljährlich in Wilhelmshaven statt, der Weltrekord ist von 2005: Wilhelmshavener Gastronomen, das dortige Marinestützpunktkommando sowie die Köche des Katastrophenschutzes kochten und servierten 10 612 Portionen Labskaus.

Die Rezeptur, erstmals 1701 erwähnt, startete bescheiden als Kartoffelstampf mit Pökelfleisch, Zwiebeln und Speck. Das klassische deutsche Labskaus der Segelschiffahrtszeit ist an Niederelbe, Nord- und Ostsee, sowie im nördlichen Niedersachsen zu Hause. Hauptbestandteile sind gekochtes, gepökeltes Rindfleisch und gekochte Kartoffeln, die durch den Fleischwolf gedreht, mit Zwiebeln und Brühe in einer Pfanne cremiggerührt werden. Einst sorgte nur das Pökelfleisch für die charakteristische, rötliche Farbe, in neuzeitlichen Rezepten färbt auch die gekochte Rote Bete kräftig, die mit eingelegten Gurken, Heringen, Rollmöpsen oder Matjesfilet zusätzlich als Beilage gereicht wird. In Seemannskreisen setzte sich das Essen bald durch, weil gepökeltes Fleisch, Kartoffeln, eingelegtes Gemüse und gesalzene Heringe lange ungekühlt haltbar, einfach zuzubereiten und sehr nahrhaft waren. Und die Eier lieferte das mitgeführte Federvieh; nach Landgängen wurden auch schon mal frisch geräuberte Möveneier in die Pfanne gehauen.

Auch heute und an Land gilt darum weiterhin: Fisch immer an den Tellerrand legen – Labskaus ist in erster Linie ein Fleischgericht!

Um den beigelegten Fisch machten die Matrosen allerdings meist einen großen Bogen. Alles was nach Fisch schmeckte, war nach Monaten auf See höchst unbeliebt, erklärte der Labskaus-Botschafter, Reinhard Buttje Rauch vom Hamburger Traditionsrestaurant Old Commercial Room in der Sendung Gans und Gar auf WDR 5. Wehe dem Smutje, der den Fisch heimlich ins Püree häckselte! Auch heute und an Land gilt darum weiterhin: Fisch immer an den Tellerrand legen – Labskaus ist in erster Linie ein Fleischgericht!

Es lohnt, sich vom Metzger ein Stück Rinderbug oder Rinderbrust ohne Knochen pökeln zu lassen. Ein bis zwei Tage dauert das, dann kann das Fleisch im Wurzelsud weichgekocht und verarbeitet werden. Das Fleisch ist wesentlich geschmackvoller, nicht so salzig und weniger fett als das in schnellen Rezepten angegebene Corned Beef aus der Dose.

Immer öfter versuchen ambitionierte Köche, Labskaus zwanghaft zu modernisieren, um das Seemannsessen salonfähig zu machen

Eine finstere Entwicklung im Zusammenhang mit Labskaus darf hier nicht unter die Schiffsplanken gekehrt werden. Immer öfter versuchen ambitionierte Köche, auch norddeutscher Abstammung, Labskaus zwanghaft zu modernisieren, um das Seemannsessen salonfähig zu machen. Da wird Kartoffelcreme mit japanischem Meerrettich geschärft oder getrüffeltes Kartoffelpüree mit Kalbstafelspitz angerichtet, mit Belugakaviar und Wachtelspiegelei gekrönt, Rote-Bete-Perlen und Gurken-Brunoise gemahnen an Konfetti. Da weinen selbst die derbsten Kerle.

Labskaus

Für 4 Personen
  • 1 Bund Suppengrün
  • 3 Zwiebeln
  • 1 Lorbeerblatt
  • 600 g gepökelter Rinderbug oder Rinderbrust ohne Knochen (beim Metzger vorbestellen)
  • 500 g Rote Bete
  • Salz
  • 1 kg Kartoffeln (mehligkochend)
  • 1–2 EL Weißweinessig
  • 4 EL Öl
  • Pfeffer
  • 1 EL Butterschmalz
  • 5 Gewürzgurken
  • 40 g Butter
  • Muskatnuss
  • 4 Eier
  • 4 Rollmöpse
  1. Suppengrün waschen und grobstückeln. Mit einer halbierten Zwiebel und dem Lorbeerblatt, mit Wasser bedeckt, aufkochen. Den Bug hineingeben und zugedeckt 2 Stunden bei mittlerer Hitze leise köcheln lassen. Rote Bete waschen und in Salzwasser, je nach Dicke der Knollen, 30–60 Minuten weichkochen.
  2. Kartoffeln in Salzwasser weichkochen, abgießen und leicht abkühlen lassen. Rote Bete kalt abschrecken, die Schale abziehen, in Scheiben schneiden und mit Essig und 3 Esslöffel Öl, Salz und Pfeffer vermengen. Beiseite stellen.
  3. Kartoffeln pellen. 2 Zwiebeln schälen und feinwürfeln. Zwiebelwürfel im Butterschmalz glasigdünsten. Den Fleischwolf mit der mittelfeinen Lochscheibe (ca. 10 mm) aufbauen, das Fleisch aus der Kochbrühe nehmen, in dicke Streifen schneiden und durch den Wolf drehen. Eine Gurke, 100 g Rote Bete und die Kartoffeln ebenfalls wolfen.
  4. Alles in die Pfanne zu den Zwiebeln geben und mit 400 ml der Rinderkochbrühe und der Butter zu einem cremigen Brei verrühren. Kräftig mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss würzen und warmstellen. Eier in einer beschichteten Pfanne mit 1 Esslöffel Öl zu Spiegeleiern braten. Mit Rote Bete Salat, Gewürzgurken, Rollmops und Spiegelei anrichten und servieren.
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  1. Ich habe das Labskausrezept ungefähr zehn mal gelesen, aber ich finde nicht heraus was mit dem Rinderbug geschieht.
    Würde mich freuen wenn das Rezept vervollständigt würde.

    freundlich Grüße
    Bernd

Aus Effilee #6, Sep/Okt 2009
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