Herrn Paulsens Deutschstunde: Frankfurter Grüne Sauce

Sieben Kräuter sollen in die Frankfurter Grüne Sauce. Nur welche?

Die Frankfurter Grüne Sauce gehört zu den umstrittensten Heiligtümern der deutschen Küche. Herkunft und Zubereitung sind nicht nur diskutabel – es gibt die gegensätzlichsten Glaubensrichtungen und Überzeugungen. Das beginnt schon mit der Frage nach dem Ursprung der Grie Soss. Traditionalistisch eingestellte Hardliner beharren auf der alten Geschichte, Goethes Mutter Catharina Elisabeth (1731-1808) habe das Rezept erfunden, während der gemäßigt-konservative Flügel der Saucenliebhaber auf das Frankfurter Kochbuch der Wilhelmine Rührig von 1860 verweist: Dort sei zumindest nachweislich das erste gedruckte Rezept zu finden. Dass die Hugenotten die Abwandlung der französischen Sauce verte an den Main gebracht haben sollen, wird in Frankfurt allerdings allgemein empört bestritten.

Sieben Kräuter sollen, sieben müssen es sein. Nur welche?

Sieben Kräuter sollen, sieben müssen es sein. Nur welche? Aus Frankfurts grünen Gärten zwischen Oberrad, Deutschherrnufer und Sachsenhausen kommt die traditionelle Kräutermischung, in weißes Papier gerollt, auf die Wochenmärkte. Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch sind die allgemein anerkannten Kräuter, gerade die Pimpinelle (auch: Steinpetersilie, Bibernelle) ist unverzichtbar für den typischen Geschmack der Sauce. Borretsch ist, besonders im Norden, nicht immer umstandslos erhältlich, das Gurkenkraut kann ausnahmsweise durch Estragon oder Dill ersetzt werden. Zitronenmelisse und Liebstöckel sind umstritten. Im Süden von Frankfurt-Oberrad (Linie 16 bis Haltestelle Bleiweißstraße) ist seit 2007 das Denkmal für die Grüne Sauce zu finden: Sieben Mini-Gewächshäuser in changierenden Grüntönen errichtete die Ludwigsburger Künstlerin Olga Schulz, in die Böden eingelassen die jeweiligen Namen der sieben Ur-Kräuter. In Stein gemeißelt quasi.

Die Basis der Grünen Sauce bildet eine Mayonnaise, für die wahlweise rohes oder gekochtes Eigelb mit Öl aufgezogen wird – auch das ist eine Glaubensfrage, ebenso die weitere Zugabe von Joghurt, Schmand, Sauerrahm oder gar Crème fraîche. Die Kräuter für die Sauce werden traditionell mit dem Wiegemesser sehr fein gehackt, die Verwendung von Pürierstab oder Blitzhacker ist verpönt. Nur weil meine Mutter Hessin ist und ich somit ein halber Hesse, erlaube ich mir an dieser Stelle wagemutig den Einwand, dass die Zuhilfenahme von elektronischen Hackhilfen durchaus zu erwägen ist. Das Hacken der Kräuter von Hand ist nicht nur außerordentlich mühsam, sondern kostet auch unendlich viel Zeit. Zeit, in der sich sämtliche ätherische Öle verflüchtigen. Der Geschmack einer auf diese Art zubereiteten Sauce erinnert oft eher an frisch gemähten Rasen als an die verwendeten Kräuter. Zu grob gehackte Kräuter lassen zudem das Namen gebende Grün in der Sauce missen. Faule Köche färben mit Spinat nach, ein unverzeihliches Sakrileg.

Die Frankfurter Grüne Sauce ist immer die Hauptattraktion auf dem Teller, das ist ausnahmsweise unumstritten

Es kann jetzt noch diskutiert werden, ob gehackte, hart gekochte Eier hinein sollen/müssen/dürfen und Zwiebeln und/oder Schalotten. Aber lassen wir das, und wenden wir uns lieber den Beilagen zu: Die Frankfurter Grüne Sauce ist immer die Hauptattraktion auf dem Teller, das ist ausnahmsweise unumstritten. An Sonn- und Feiertagen erfährt sie eine kulinarische Erweiterung durch gekochtes Fleisch, gedünsteten oder gebackenen Fisch (umstritten) oder kalten Braten. Nötig hat die Grüne Sauce das natürlich nicht! Mit Kartoffeln und gekochten Eiern serviert ist sie von Gründonnerstag bis in den Herbst hinein, Grundnahrungs- wie Genussmittel.

Kartoffeln und Eier sind auch die Beilagen beim Frankfurter Grüne Soße Festival. Von Hessens einzigem Beitrag zum Weltkochkulturerbe spricht Anton Le Goff, Kabarettist und Initiator des Wettstreits um die Grüne-Saucen-Krone. Siebenmal treten sieben Köche in sechs Vorrunden und einem gnadenlosen Finale gegeneinander an, eine Bühnenjury und das Publikum verkosten und bewerten. Das Frankfurter Grüne Soße Festival 2009 findet vom 07.-16. Mai 2009 in der Frankfurter Brotfabrik und dem Frankfurter Frischezentrum statt (www.gruene-sosse-festival.de).

Frankfurter Grüne Sauce

Für 4–6 Personen
  • 1 kg neue Kartoffeln
  • Salz
  • 1 Eigelb, Größe M
  • Weißweinessig nach Rezept
  • 1 TL scharfer Senf
  • 120 ml Pflanzenöl
  • 1 Bund Schnittlauch
  • 1 Beet Kresse
  • 1 Bund Petersilie
  • 1 Bund Kerbel
  • 1 kleines Bund Sauerampfer
  • 1 Bund Pimpinelle
  • 1 kleines Bund Borretsch, wahlweise Dill oder Estragon
  • 450 ml Sahnejoghurt
  • 100 ml Vollmilch
  • pro Person 2 Eier, Größe M
  1. Die Kartoffeln in Salzwasser bissfest garen. Alle Zutaten für die Mayonnaise sollten Zimmertemperatur haben: Eigelb mit 1 Teelöffel Essig, Senf und einer Prise Salz glattrühren. Das Öl unter ständigem Rühren mit dem Schneebesen, erst tröpfchenweise, dann im dünnen Strahl zügig unterrühren. Die Mayonnaise kalt stellen.
  2. Schnittlauch waschen und in feine Röllchen schneiden. Die Kresse vom Beet schneiden. Die übrigen Kräuter entstielen, waschen, grob hacken, zur Mayonnaise geben und mit dem Schneidstab fein pürieren. Schnittlauch, Kresse, Joghurt und Milch zugeben und glattrühren. Mit Salz und Pfeffer würzen und mit 1–3 Teelöffel Essig nach Geschmack leicht säuerlich abschmecken.
  3. Die Kartoffeln abgießen, kalt abschrecken und pellen. Inzwischen die Eier anpieken und in kochendem Wasser mit einem Spritzer Essig 9 Minuten garen. Herausnehmen, kalt abschrecken, pellen und mit den Kartoffeln zur Grünen Sauce servieren.
4 Kommentare

Beteilige dich an der Unterhaltung

4 Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


  1. Dill kommt auf dem GrieSoß-Rechenschieber nicht vor. Für Puristen auch Estragon nicht.
    Ich persönlich mag ihn im Sommer recht gerne als Kerbelersatz. Der taugt dann nicht mehr.
    Im Winter ist übrigens der Kresseanteil stark zu erhöhen.
    Warum? Probieren!

  2. Liebster, von mir sehr geschätzter Herr Paulsen,
    bitte den Dill sofort streichen, neun, löschen, für andere nicht mehr lesbar. Das geht nicht. Ich bin sonst nicht die strenge Koch- und Küchengouvernante, aber hier muss ich doch das Lineal zücken und auf die Kochfinger klopfen.
    Unverdrossen freundlichst gestimmte Ostergrüße.

Aus Effilee #4, Mai/Jun 2009
«
»